ArchivDeutsches Ärzteblatt12/2020Endokrinologie: Warnung vor Überbehandlung mit Hormonen im Alter

MANAGEMENT

Endokrinologie: Warnung vor Überbehandlung mit Hormonen im Alter

Hillienhof, Arne

Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...
LNSLNS
Alle Versuche, durch Geschlechtshormone, Melatonin oder Testosteron das Altern aufzuhalten, sind bislang gescheitert. Foto: felipecaparros stock.adobe.com
Alle Versuche, durch Geschlechtshormone, Melatonin oder Testosteron das Altern aufzuhalten, sind bislang gescheitert. Foto: felipecaparros stock.adobe.com

Vor einem übertriebenen Einsatz von Insulin, Schilddrüsenhormon und Testosteron im Alter hat die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) gwarnt. „Hormone sind als Anti-Aging-Methode nicht effektiv“, so der DGE-Experte Prof. Dr. med. Cornelius Bollheimer von der Uniklinik der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen im Vorfeld des 63. Deutschen Kongresses für Endokrinologie Anfang März in Gießen.

Der DGE zufolge herrschte in der Vergangenheit oft die Meinung vor, der Rückgang der Hormonproduktion im Alter sei nicht nur eine Folge, sondern mitverantwortlich für das Altern per se. Doch alle Versuche, durch Geschlechtshormone, Wachstumshormone, Melatonin oder Testosteron das Altern aufzuhalten, sind nach Einschätzung des Altersmediziners Bollheimer gescheitert. Studien hätten vielmehr gezeigt, dass gerade bei alten Menschen mit Diabetes, Schilddrüsenunterfunktion oder Männern mit niedrigem Testosteron Hormongaben mit Bedacht verordnet werden müssen.

Die größten Missverständnisse bestehen laut der Fachgesellschaft bei der Testosteronbehandlung des alten Mannes. In Analogie zu den Wechseljahren der Frau wurde von einer Andropause des Mannes gesprochen. „Das ist falsch. Männer haben keine Wechseljahre“, so Bollheimer. Richtig sei, dass die Testosteronbildung mit dem Alter nachlasse. Das geschehe aber nicht abrupt, sondern gleichmäßig und von Mann zu Mann höchst unterschiedlich.

Ein gesunder 30-jähriger Mann könne einen niedrigeren Testoste-ronwert aufweisen als ein gesunder 80-Jähriger. Auch sei noch nicht hinreichend geklärt, ob das Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall durch eine zu liberale Testosterongabe erhöht werde. „Testosteron ist kein Medikament für die Geriatrie“, lautet daher sein Fazit.

Ein weiteres Beispiel betrifft die Einstellung eines Diabetes: Eine intensive Behandlung, die Blutzuckerwerte wie beim jungen Menschen anstrebe, könne bei Älteren schnell zur Unterzuckerung führen. „In den Hypoglykämie-Episoden kommt es dann zu schwerwiegenden Stürzen mit Knochenbrüchen, und im Gehirn fördern Unterzuckerungen die Entwicklung einer Demenz“, warnt Bollheimer. Geht es um den Blutzuckerwert zur Nacht, empfehlen die Hormonexperten deshalb zum Beispiel einen Korridor von 100–180 mg/dl (5,6–8,3 mmol/l).

Dies heißt allerdings nicht, dass ältere Menschen nicht auf Blutzucker, Testosteron und weitere Hormone achten sollten. Diese sollten kontrolliert und in den spezifischen biologischen und medizinischen Kontext des jeweiligen Patienten gesetzt werden, empfiehlt der DGE-Kongresspräsident Prof. Dr. med. Andreas Schäffler vom Universitätsklinikum Gießen und Marburg. hil

Fachgebiet

Zum Artikel

Der klinische Schnappschuss

Alle Leserbriefe zum Thema

Stellenangebote