ArchivMedizin studieren1/2020Allergologie: Ein Querschnittsfach

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Allergologie: Ein Querschnittsfach

Hillienhof, Arne

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Die Allergologie ist eine interessante und häufig nachgefragte Zusatzqualifikation, die vor allem Hautärztinnen und -ärzte, HNO-Ärzte und Internisten, aber auch Pädiater und Allgemeinmediziner erwerben.

Fotos: picture alliance/Mika Volkmann für Deutsches Ärzteblatt
Fotos: picture alliance/Mika Volkmann für Deutsches Ärzteblatt

Seit Herbst 2019 baut Dr. med. Stefani Röseler am Krankenhaus der Augustinerinnen in Köln einen Bereich für Allergologie auf. Davon profitieren nicht nur die Patienten, sondern auch Ärzte, die an der Klinik ihre Weiterbildung machen.

Der Arbeitstag beginnt für Röseler mit der Morgenbesprechung der Internisten um acht. Morgenbesprechung? Internisten? „Aber ja“, erklärt Röseler. In der Klinik für Pneumologie, Allergologie, Schlaf- und Beatmungsmedizin des Severinsklösterchens – wie das Krankenhaus der Augustinerinnen in der Kölner Südstadt auch genannt wird – verantwortet sie den Bereich „Allergologie“.

„Das ist ein typisches Querschnittsfach mit großen Anteilen aus der Dermatologie, der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und anderen Fächern. Natürlich auch der Inneren Medizin, vor allem der Pneumologie – Asthma ist da nur ein Aspekt“, erklärt Röseler.

Also internistische Morgenbesprechung um acht. Der Diensthabende berichtet von Notfällen in der Nacht und stellt die Neuaufnahmen vor. Thema sind auch die anstehenden Untersuchungen bei bestimmten Patienten und geplante Entlassungen. Röseler ist in die vollständigen Abläufe und Herausforderungen der Inneren Medizin im Severinsklösterchen eingebunden. Und danach?„Häufig betreuen wir dann die Patienten, die Pricktests und Epikutantestungen erhalten“, berichtet die Ärztin. Dabei erhalten die Patienten Allergene auf die Haut. Bei den Epikutantestungen werden sie mit großen Pflastern auf der Haut fixiert und zwei Tage dort belassen. Danach sieht Röseler sich die Hautstelle an, die dem Allergen ausgesetzt war.

Bekommen alle Patienten bei der Epikutantestung das gleiche Set Allergene? „Nein“, erläutert Röseler, „je nach Anamnese und Beschwerdebild wird die Testung – also die eingesetzten Allergene – individuell auf den Patienten ausgerichtet.“ Außerdem sieht sie neue Patienten und solche, die zu Provokationstestungen in die Klinik kommen. Und dann gibt es noch die stationären allergologischen Patienten. Dafür sind rund fünf Betten reserviert. Die Patienten kommen zum Beispiel bei Insektengiftallergien, um eine Hyposensibilisierung zu beginnen. „Ich hoffe, dass wir auch bald bei Erdnussallergien entsprechend präventiv behandeln können“, erläutert Röseler. Die „allergenspezifische Immuntherapie“ stehe für diese Patienten aber noch nicht zur Verfügung, die Studienergebnisse seien widersprüchlich.

Anamnesen, Pricktests, Epikutantestungen, IgE-Bestimmungen: der Arbeitsalltag von Stefani Röseler (oben links) und ihrer jüngeren Kollegin Dina Siebrasse (oben rechts) ist vielfältig. KeinWunder, denn die Allergologie enthält Aspekte aus vielen medizinischen Fachgebieten.
Anamnesen, Pricktests, Epikutantestungen, IgE-Bestimmungen: der Arbeitsalltag von Stefani Röseler (oben links) und ihrer jüngeren Kollegin Dina Siebrasse (oben rechts) ist vielfältig. KeinWunder, denn die Allergologie enthält Aspekte aus vielen medizinischen Fachgebieten.

Die Allergologie enthält Aspekte aus vielen medizinischen Fachgebieten. Das spiegelt sich auch in Röselers Werdegang wider: Begonnen hat sie ihre Karriere bereits im Studium mit einer Doktorarbeit zu Lymphozytenreaktionen und Botenstoffen des Immunsystems – „Stichwort Interleukin 8“, so Röseler. „Schon da hat das Fach mir sehr große Freude bereitet“, erklärt sie.

Es folgten wissenschaftliche Drittmittelprojekte und eine Weiterbildung zur Hals-Nasen-Ohren-Ärztin, immer mit dem Fokus „Allergologie“. Sie hat zudem mehrere Jahre in der Allergologie der Dermatologie der Uniklinik Aachen gearbeitet, im Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Uniklinik Aachen, als niedergelassene Fachärztin für HNO und in der HNO-Uniklinik Düsseldorf. Jetzt leitet sie als HNO-Ärztin die Abteilung für Allergologie in einer internistischen Klinik.

Röseler untersucht jetzt einen Patienten, einen 14-jährigen Jungen mit Verdacht auf Hühnerfleischallergie. Bereits seit seinem fünften bis sechsten Lebensjahr hat er nach dem Verzehr von Geflügelfleisch Juckreiz im Mund- und Lippenbereich und Hustenreiz. Seit vier Jahren meidet die Familie daher Geflügelfleisch. Laut Vorbefunden ist das Serum-IgE für verschiedene Geflügelfleischsorten aber negativ. Jetzt sind die Symptome auch beim Verzehr einer normalen Wurst aufgetreten. Der Verdacht einer psychosomatischen Genese steht im Raum.

Röselers Expertise hilft weiter: Nach der körperlichen Untersuchung und der Anamnese lässt sie das IgE nochmals bestimmen. Laborschwankungen können es nämlich in den unauffälligen Bereich drücken. Außerdem untersucht sie die Zutaten der verzehrten Wurst: Und tatsächlich – sie enthält Anteile von Geflügelfleisch. Auch das IgE wird bei der neuerlichen Bestimmung eine Allergie anzeigen. „Die genuine Hühnerfleischallergie ist seltener als eine Säugetierfleischallergie. Sie tritt ohne assoziierte Ei- und Federnallergie auf“, erläutert Röseler. „Die ersten Symptome treten häufig im Grundschulalter auf, diagnostiziert wird die Allergie oft erst im jungen Erwachsenenalter“, erklärt sie dem Patienten und seiner Familie. Er soll Geflügelfleisch weiter meiden. Außerdem erhält er ein Notfallset und wird in dessen Anwendung geschult, um eine überschießende Immunreaktion abzublocken, wenn er doch unwissentlich Hühnerfleisch verzehren sollte.

Röseler gibt aber auch ihre Expertise weiter, zum Beispiel an Dr. med. Dina Siebrasse. „Die Zusammenarbeit ist eine großartige Möglichkeit zum Dazulernen“, sagt sie. Bislang habe sieh als werdende Pulmologin bei Krankheiten aus dem allergischen Formenkreis oft nur die Akuttherapie gemacht, zum Beispiel bei Asthma. „Patienten mit Verdacht auf Allergie musste ich dann weiterverweisen und eine Testung empfehlen. Das war unbefriedigend. Jetzt können wir die Allergieabklärung im Haus machen.“

Danach folgt ein Patient mit Verdacht auf Penicillinallergie. „Diese Abklärung ist häufig“, erläutert Röseler. Viele Patienten gingen davon aus, dass sie eine Penicillin-allergie haben, zum Beispiel weil sie bei der Anwendung früher einmal Hautausschlag entwickelt haben. „Aber oft war das Ekzem infektbedingt und gar nicht die Reaktion auf das verordnete Beta-Laktam-Antibiotikum“, so Röseler. Die Abklärung ist wichtig, damit zum Beispiel vor größeren Operationen klar ist, welche anti-infektiösen Therapieoptionen zur Verfügung stehen.

Nachdem sie ihre Patienten gesehen hat, besucht Röseler ein besonderes Instrument, das sie auf dem Klinikdach installiert hat. Auf dem Klinikdach? Allerdings! Röseler hat hier eine Pollenstation installiert. Das ist ein Gerät, welches Pollen aus der Luft auffängt. Rund einmal pro Woche entnimmt die Allergologin den Filter des Gerätes und sendet ihn an ein Speziallabor in Aachen. Spezialisten analysieren dort, welche Pollen das Gerät eingefangen hat.

„Es gibt zwar viele Apps mit Pollenvorhersagen, aber echte Analysen, welche Pollen wirklich in der Luft waren, sind in Deutschland nicht flächendeckend verfügbar“, erläutert Röseler. Das Gerät auf dem Dach des Severinsklösterchens ermöglicht es, die Allergiesymptome von Patienten in der Stadt mit der tatsächlich vorhandenen Pollenbelastung abzugleichen und auf diese Weise gezielter nach Pollenallergien zu suchen. „Diese Falle ist so eine Art Hobby von mir“, erläutert sie.

Überhaupt ist das Fach für Röseler eine Berufung, die sie immer wieder inspiriert und ihr Freude bereitet. Aber einen Wermutstropfen gibt es doch: „Die Allergologie ist in Deutschland keine eigene Facharztbezeichnung und hat also auch keine eigene Facharzt-Weiterbildung. Leider“, bedauert sie.

Der Weg zur Allergologie

Die Allergologie ist keine eigene Facharztbezeichnung. Ärzte in der Weiterbildung – vor allem für Innere Medizin, HNO oder Dermatologie – können sich am Weiterbildungscurriculum der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI) orientieren. Röseler hat dieses mit ausgearbeitet.

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