

Exportverbote und geschlossene Grenzen: Zu Beginn der Coronakrise setzten die Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf nationale Lösungen im Kampf gegen SARS-CoV-2. Inzwischen mahnen immer mehr Politiker ein gemeinsames europäisches Vorgehen an.
Deutsche Politiker warfen der Europäischen Union (EU) Untätigkeit in der Coronakrise vor. Es sei merkwürdig still in Brüssel, meinte zum Beispiel der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) Ende März. Zur selben Zeit beklagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor dem Europaparlament den Egoismus der Mitgliedstaaten. Es habe gerade zu Beginn der Krise zu viele Alleingänge gegeben. Unter anderem hatte Deutschland zeitweilig ein Exportverbot für Schutzausrüstung auch in Mitgliedstaaten der EU verhängt. „Das Virus hat das Potenzial, die Europäische Union zu zerstören“, sagte der deutsche Europaparlamentarier Peter Liese (CDU) dem Deutschen Ärzteblatt. Wenn es den Staaten aber jetzt gelinge zusammenzuarbeiten, könne Europa gestärkt aus der Krise hervorgehen (siehe Interview).
50 Millionen für Schutzmaterial
In Gang gekommen ist inzwischen einiges. So hat die EU-Kommission angekündigt, eines der drängendsten Probleme anzugehen: den Mangel an Schutzausrüstung und Beatmungsgeräten. Dafür will sie kurzfristig 50 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Auf europäischer Ebene soll ein Vorrat angelegt werden, damit Schutzausrüstung, Beatmungsgeräte und Coronatests dort verteilt werden können, wo sie am dringendsten benötigt werden. Außerdem soll Material gemeinsam beschafft werden, um insbesondere kleinen Ländern eine stärkere Position auf dem Weltmarkt zu verschaffen. Um sicherzustellen, dass die EU-Staaten über ausreichend Material verfügen, sind Ausfuhren in Drittstaaten inzwischen genehmigungspflichtig.
Der EU-Solidaritätsfonds, der ursprünglich für Hilfen bei Naturkatastrophen vorgesehen ist, wird ausgeweitet. Für die Unterstützung der Gesundheitssysteme der EU-Staaten im Kampf gegen die Coronapandemie stehen 2020 bis zu 800 Millionen Euro zur Verfügung. Außerdem hat die EU-Kommission nach eigenen Angaben bis zu 140 Millionen Euro für die Entwicklung von Impfstoffen, neuen Behandlungsmethoden und Diagnosetests bereitgestellt. Um die Medizinprodukteindustrie vorübergehend von erhöhten Anforderungen zu entlasten, hat die Kommission zudem vorgeschlagen, den Geltungsbeginn der EU-Medizinprodukteverordnung um ein Jahr auf Mai 2021 zu verschieben. Dem müssen das Europaparlament und die Mitgliedstaaten noch zustimmen.
Über die Investitionsinitiative zur Bewältigung der Coronakrise sollen darüber hinaus 37 Milliarden Euro so schnell wie möglich an die von der Coronapandemie am stärksten betroffenen Regionen weitergeleitet werden. Das Geld soll in die Gesundheitssysteme fließen, aber auch kleine und mittlere Unternehmen unterstützen, die besonders unter den Einschränkungen des öffentlichen Lebens leiden.
Intensivpatienten aufnehmen
Am 3. April hat die Europäische Kommission zudem ein Papier zur medizinischen Notfallunterstützung beschlossen. Es sieht vor, die Mitgliedstaaten beim Transport von Intensivpatienten in andere EU-Staaten finanziell zu unterstützen und freie Kapazitäten von Intensivbetten in den Krankenhäusern zu koordinieren. Bisher hätten in größerem Stil nur Luxemburg und Deutschland Patienten aus anderen Mitgliedstaaten aufgenommen, kritisierte EU-Parlamentarier Liese. Aus seiner Sicht ist es dringend erforderlich, dass alle Mitgliedstaaten freie Bettenkapazitäten melden. Wenn Menschen sterben müssten, weil die Behandlungskapazitäten nicht mehr ausreichten, während in den Nachbarländern noch viele Betten leer stünden, sei das ein Zeichen für das Versagen der EU.
Um die wirtschaftlichen Folgen der Coronapandemie abzufedern, einigten sich die EU-Staaten am 10. April nach zähen Verhandlungen auf ein Hilfspaket von mehr als 500 Milliarden Euro. Erbitterten Streit hatte es über eine Vergemeinschaftung von Schulden gegeben, die die Nordländer ablehnen. Dieser Punkt wurde vertagt. Heike Korzilius
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