ArchivDeutsches Ärzteblatt16/2020Traumafolgestörungen und Asylrecht: Eine besondere Herausforderung

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Traumafolgestörungen und Asylrecht: Eine besondere Herausforderung

Dittrich, Lars; Wild, Barbara

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Traumafolgeerkrankungen sind eine häufige Folge von Krieg, Verfolgung und Vertreibung. Um den Umgang mit ihnen zu meistern, hilft es, sich die medizinischen und rechtlichen Grundlagen ebenso bewusst zu machen wie die daraus erwachsenden Gestaltungsspielräume und Chancen.

Foto: Motortion/iStock
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Asylmigration und ihre Folgen waren das gesellschaftliche Megathema der letzten Jahre. In der psychomedizinischen Praxis führen sie zu einer steigenden Zahl von Patienten mit Fluchterfahrungen (1). Ärzte und Therapeuten stellt das vor besondere Herausforderungen. Der andersartige kulturelle Hintergrund erschwert die Behandlung und ihr Ablauf und Erfolg ist stärker als bei anderen Patienten Wechselwirkungen mit den rechtlichen Gegebenheiten ausgesetzt. Die Patienten benötigen regelmäßig Atteste, um ihre Erkrankung rechtlich geltend zu machen und ein Aufenthaltsrecht zu erlangen. Der unsichere Aufenthaltsstatus kann die therapeutischen Bemühungen unterminieren, ihr Erfolg wiederum den Aufenthaltsstatus bedrohen. Entsprechend erklärt der Beitrag die medizinischen Grundlagen von Traumafolgeerkrankungen, legt die rechtlichen Anforderungen an ärztliche Atteste und Gutachten dar und zeigt die migrationsrechtlichen Folgen von Traumafolgeerkrankungen auf.

Medizinische Grundlagen

Traumafolgeerkrankungen sind psychische Erkrankungen. Ihre bei Weitem häufigste Form sind Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS). Alternativ oder kumulativ können Traumata auch zu anderen psychischen Erkrankungen mit ähnlicher rechtlicher Beurteilung, führen. Als psychische Erkrankungen gehen PTBS nicht mit „harten“ Befunden wie veränderten Laborwerten einher. Stattdessen erfolgt die Diagnose über Kriterienkataloge (ICD 10 oder DSM 5) (2).

Eine PTBS entsteht, wenn das psychische Trauma die inneren Bewältigungsstrategien des Betroffenen überstiegen hat. Das traumatisierende Erlebnis wird dann verändert im Gedächtnis abgespeichert (3). Normalerweise werden Erlebnisse dort dual repräsentiert: in einem dem bewussten, verbalen Ausdruck gut zugänglichen als auch in einem mehr unbewussten, von schwer beschreibbaren körperlich-sensorischen Eindrücken gefüllten System. Im Normalfall verblasst der sensorische Gedächtniseindruck mit der Zeit. Bei extrem stressreichen Erlebnissen wird allerdings die sensorische Abspeicherung potenziert und weniger verbale Gedächtnisinhalte gebildet.

Die starke sensorische Repräsentation des Erlebten führt dazu, dass das Trauma immer wieder unkontrolliert in Form von intrusivem, sich aufdrängendem Wiedererleben erlebnisnah und aktuell im Bewusstsein auftaucht („Flashbacks“). Das kann durch sensorische Trigger wie Gerüche oder Geräusche geschehen, aber auch ohne äußeren Anlass. Das Trauma ist so für den Betroffenen noch in der Gegenwart präsent. Zudem führt diese veränderte Abspeicherung im Gedächtnis zu Erinnerungslücken. Der Betroffene kann das Ereignis nicht gut in einen Gesamtzusammenhang einordnen – Erinnerungsfetzen stehen nebeneinander. Diese Wiederhallerlebnisse (Flashbacks/Intrusionen, aber auch Albträume) sind ein Kardinalsymptom der PTBS. Sie können auch in Gestalt von körperlichen Reaktionen auftreten (zum Beispiel Schmerzen, Taubheitsgefühle) und Handlungen hervorrufen, als ob das Trauma noch abläuft.

Dissoziation und Vermeidung

Weil die Stressreaktion und das Gefühl der Bedrohung anhalten, sind typische weitere Symptome mit psychischer und vegetativer Übererregung zu erklären: Schlafstörungen, Schreckhaftigkeit, übersteigerte Reizbarkeit oder Konzentrationsstörungen. Sie können auch in einem dissoziativen Zustand münden, also darin, dass das Bewusstsein verändert ist und die Umwelt nicht mehr richtig wahrgenommen wird – bis hin zur Bewusstlosigkeit. Von außen wirken die Betroffenen abwesend, unkonzentriert und fallen möglicherweise sogar um. Die Ursache ist aber kein epileptischer oder kardialer Anfall, sondern ein psychisches und vegetatives Geschehen, das nicht lebensbedrohlich ist, aber zu einer Retraumatisierung führen kann. Weitere Kriterien für das Vorliegen einer PTBS sind Vermeidungsverhalten (von potenziellen Triggern) und sozialer Rückzug. Sie können als eine Art Schutzversuch vor erneuter Traumatisierung betrachtet werden. Oft haben die Betroffenen ein Gefühl der Sinn- oder Zukunftslosigkeit. Das belastet ihr soziales Umfeld und erschwert den Gerichtsprozess.

Foto: reeel/stock.adobe.com
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Suizidalität ist eine häufige Folge einer PTBS (4). Der Begriff ist medizinisch unscharf. Er reicht von der geistigen Auseinandersetzung mit einer Selbsttötung über präsuizidale Entwicklungen wie die Einengung von Gedanken und Gefühlen und Suizidfantasien bis zur tatsächlichen Selbsttötung. Aufgrund dieser weiten Spanne sind statistische Aussagen zur Suizidalität und dem Anteil der tatsächlich traumabedingten Selbsttötungen für die Gesamtbevölkerung (5) und Opfer von Flucht und Verfolgung (6, 7) schwer zu treffen.

Medizinisch ist weiter zu beachten, dass die Betroffenen durch die Abschiebung aus dem „sicheren Raum“ Deutschland wieder in eine Situation mit vielen potenziellen Triggern kommen, was zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes führen kann.

Nicht jedes Trauma führt allerdings zu einer PTBS. Resilienz ist individuell unterschiedlich stark ausgeprägt. Sie hat wahrscheinlich eine genetische Basis und hängt auch von früheren Erfahrungen ab (8). Bei der Entstehung einer PTBS gibt es eine Art Dosisabhängigkeit: Je mehr Traumata ein Mensch bereits erlebt hat, desto höher ist das Risiko, nach einem erneuten Trauma eine PTBS zu entwickeln (9, 10).

Die Behandlung spielt eine wichtige Rolle für den Verlauf einer PTBS. Spezifische Medikamente existieren nicht. Die pharmakologische Therapie ist deshalb nur zur Behandlung von anders nicht beherrschbaren Symptomen indiziert (10). Das Mittel der Wahl ist die Psychotherapie (11). Sie wird bei Geflüchteten allerdings durch Sprachbarrieren erschwert.

Das Ziel eines Asylprozesses besteht darin, in einem geregelten Verfahren die maßgeblichen Tatsachen zu einem Fall zu ermitteln und sie rechtlich zu bewerten. Eine PTBS kann Auswirkungen auf jeden dieser Schritte haben. Um sie zu berücksichtigen, muss der Richter überhaupt erkennen, dass eine Traumafolgeerkrankung vorliegen könnte (12).

Die Darlegungslast für das Vorliegen einer Traumafolgeerkrankung liegt beim Betroffenen. Er hat an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, gegenüber den Asylbehörden und Gerichten zu seinem Verfolgungsschicksal und seinen gesundheitlichen Einschränkungen vorzutragen und endsprechende Unterlagen vorzulegen (13). In aller Regel kann der Richter nicht selbst feststellen, ob eine PTBS vorliegt. Er bedient sich deshalb eines medizinischen Gutachtens. Das geschieht indes nicht anlasslos. Stattdessen obliegt es dem Rechtschutzsuchenden, dem Gericht ein Attest vorzulegen und so belegen, dass er wahrscheinlich an einer PTBS leidet. Das Attest muss von einem Facharzt ausgestellt worden sein und folgende Mindestangaben enthalten (14):

  • Grundlagen der Diagnose
  • Symptome der Krankheit im konkreten Einzelfall
  • Schwere der Krankheit und Behandlungsbedarf
  • bisher ergriffene Maßnahmen und Medikation
  • Behandlungsverlauf, insbesondere Anzahl und Frequenz der Behandlungen und Einfluss auf die Beschwerden des Patienten
  • Erwägungen zur Glaubhaftigkeit des Vortrages des Betroffenen (15)

Die in den Asylprozessen vorgelegten Atteste genügen diesen Anforderungen häufig nicht. Legt der Betroffene kein (korrektes) Attest vor, ist der Richter grundsätzlich nicht verpflichtet, weitergehende Ermittlungen anzustellen (16). Auch ein formal ausreichendes Attest bindet den Richter allerdings nicht. Es bleibt ihm unbenommen, die medizinischen Darlegungen mit entsprechender Begründung zu verwerfen oder ein weiteres Gutachten einzuholen.

Verfahrensgestaltung

Bei Traumapatienten sind der Respekt vor ihrer Sicherheit, Kultur und Würde sowie die Sensibilität für ihr Empfinden besonders wichtig. Dabei hilft ihnen die Abwesenheit von akustischem, zeitlichen oder räumlichen Stress. Außerdem ist eine vertrauensbildende Atmosphäre wünschenswert (17).

Der Richter ist weitgehend frei, das Verfahren zu gestalten. Das erlaubt es ihm, die mündliche Verhandlung zeitlich großzügiger zu terminieren und, wenn er von der Glaubhaftigkeit überzeugt ist, sogar davon abzusehen, den Schutzsuchenden das traumatisierenden Ereignis in der mündlichen Verhandlung erneut schildert zu lassen, um unnötige Belastungen zu vermeiden. Der Arzt kann in seinem Attest ein entsprechendes Vorgehen anregen. Das Asyl- und Flüchtlingsrecht dient dem Schutz der Betroffenen vor schwerwiegenden Verletzungen ihrer grundlegenden Menschenrechte (18) oder „ernsthaften Schäden“ (19). Maßgeblich ist dafür allein die Situation in ihrem Herkunftsland (20). Das führt zu einem „sachtypischen Beweisnotstand“ (21), denn in aller Regel stützen die Schutzsuchenden ihr Begehren auf die Behauptung, in ihrem Herkunftsland bereits vor der Ausreise verfolgt worden zu sein (22).

Sachverhaltsermittlung

Die zentrale „Informationsquelle“ sind die Angaben des Schutzsuchenden. Wiewohl dem Asylrichter eine Vielzahl von Erkenntnismitteln zur Lage im Herkunftsland (23) zur Verfügung steht, vermitteln diese in aller Regel nur ein allgemeines Bild der Situation. Gefahren, denen der Schutzsuchende selbst konkret ausgesetzt war, vermögen sie nur selten nachzuweisen. Das macht sein eigenes Vorbringen zur wichtigsten Informationsquelle (24). Es ist seiner Natur nach denkbar ungeeignet, um den Sachverhalt auch nur annähernd objektiv zu ermitteln. Ein Abgleich mit anderen Quellen ist nur sehr eingeschränkt möglich. Zu diesen Problemen gesellen sich mit der Drucksituation einer mündlichen Verhandlung sowie dem Einsatz eines Dolmetschers und die für den Betroffenen fremde Sprache gravierende weitere hinzu. Das Recht trägt diesen Problemen auf verschiedene Weise Rechnung. Weil der Parteivortrag entscheidend für das Schutzbegehren ist, sind die Anforderungen daran hoch. Es obliegt dem Schutzsuchenden, einen in sich stimmigen, detaillierten Sachverhalt zu schildern, der geeignet ist, den geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen (25). Daran fehlt es in der Regel (26), wenn der Schutzsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen unauflösbare Widersprüche enthält, wenn die Darstellungen unglaubhaft erscheinen sowie auch dann, wenn der Schutzsuchende wesentliche Tatsachen ohne vernünftige Erklärung spät in das Verfahren einführt (27).

Weiter darf der Richter seiner Entscheidung nur Vortrag zugrunde legen, von dessen Wahrheit er „überzeugt“ ist (28). Das meint ein Maß an Gewissheit, das ernsthaften Zweifeln Schweigen gebietet (29). Das Schutzbegehren scheitert also nicht nur, wenn das Gericht davon überzeugt ist, dass Aussagen unwahr sind, sondern bereits dann, wenn es (begründete) Zweifel an ihrer Wahrheit hat (30). Schließlich erkennt das Recht die besondere Situation der mündlichen Verhandlung und der aus dieser geschöpften Glaubhaftigkeitsüberzeugung des Asylrichters an, indem es keine Rechtsmittel gegen seine Würdigung des Parteivortrages als wahr/unwahr/zweifelhaft zulässt (31).

Glaubhaftigkeitsermittlung

Bei einem Verdacht auf eine PTBS wird diese „allgemeine Problemstellung“ um die zusätzliche Facette der Krankheitssymptome verschärft. Erinnerungslücken und Vermeidungsverhalten in den Erzählungen können gerade auch Ausdruck der Krankheit sein. Allerdings führt auch eine PTBS nicht zu einer vollständigen Langzeitamnesie. Das Rand- und Rahmengeschehen bleibt für den Betroffenen erinnerbar. Wer also behauptet, als Soldat traumatisiert worden zu sein, mag Details des konkreten Einsatzes nicht wiedergeben können, wohl aber seinen Stationierungsort oder Uniformdetails. Das sollten Gutachter bedenken.

Neben diesen prozessualen Fragen kann die fachgerechte Diagnose und Geltendmachung einer PTBS bewirken, dass der Ausländer im Bundesgebiet verbleiben darf. Das primäre Ziel (32) einer Asylklage ist es, den Ausländer als international Schutzberechtigten anerkennen zu lassen. Die dafür notwendigen Gefahren müssen immer von einem Aggressor ausgehen. Deshalb vermag eine PTBS nicht, einen solchen Status zu rechtfertigen. Allerdings kann sie ein Abschiebungshindernis begründen und so dazu führen, dass der Patient in Deutschland bleiben darf (33).

Von der Abschiebung soll abgesehen werden, wenn dem Betroffenen im Zielstaat der Abschiebung (34) eine erhebliche, konkrete Gefahr für seinen Leib, sein Leben oder seine Freiheit droht (35). Diese Regelung erfasst auch solche Unbill, die nicht von einem bestimmten Akteur ausgeht, sondern Gefahren jedweden Ursprunges – allerdings nur dann, wenn sie „erheblich“ und „konkret“ sind. Das ist der Fall, wenn dem Betroffenen „lebensgefährliche oder schwerwiegende“ Erkrankungen drohen (36), die sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit „alsbald“ nach der Abschiebung „wesentlich verschlechtern“ würden (37). Für PTBS gilt das nur in Ausnahmefällen. Sie begründen in der Regel kein Abschiebungsverbot (38), ohne dass die Grund- (39) und Menschenrechte dieser Einschätzung entgegenstehen.

Etwas anderes gilt ausnahmsweise, wenn eine PTBS den genannten Grad an Schwere und Konkretheit erreicht hat und sich der zu befürchtenden Verschlechterung auch nicht mit medizinischen Maßnahmen im Zielstaat der Abschiebung begegnen lässt (40). Das kann insbesondere bei Suizidalität der Fall sein, wenn tatsächliche Hinweise bestehen, dass der Betroffene seine Suizidfantasien mit hinreichender Sicherheit alsbald umzusetzen droht.

Als „letzter Anker“ kann eine Traumafolgeerkrankung schließlich dazu führen, dass dem Betroffenen zwar kein Aufenthaltsrecht erteilt wird, die Ausländerbehörde aber wenigstens seinen Aufenthalt duldet, das heißt vorübergehend von seiner Abschiebung absieht, weil er nicht reisefähig ist. Das meint entweder mangelnde Transportfähigkeit oder dass die (auch psychische) Gesamtbelastung der Abschiebung entgegensteht (41).

  • Zitierweise dieses Beitrags:
    Dtsch Arztebl 2020; 117 (16): A 826–30

Anschrift für die Verfasser:
Prof. Dr. med. Barbara Wild
Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen
Neckarsteige 6–10, 72622 Nürtingen

Literatur im Internet:
www.aerzteblatt.de/lit1620
oder über QR-Code.

1.
Die Zahlenlage zu Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) bei Flüchtlingen ist uneinheitlich (Lebenszeitinzidenz zwischen 1,5 und 12 % der Gesamtbevölkerung der BRD; Wiss. Dienst des Deutschen Bundestages: Posttraumatische Belastungsstörung. WD 9 – 3000 – 069/16, Seite 5). Bei Asylbewerbern geht die medizinische Fachliteratur davon aus, dass 40 Prozent der Schutzsuchenden an einer Traumafolgeerkrankung leiden (vgl. Gäbel U, Ruf M, Schauer M, et al.: Prävalenz der Posttraumatischen Belastungsstörung [PTSD] und Möglichkeiten der Ermittlung in der Asylverfahrenspraxis. Z f Klin Psychologie Psychotherapie, 2006; 35: 12–20) CrossRef
2.
Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) unter Beteiligung der Arbeitsgruppe ICD des Kuratoriums für Fragen der Klassifikation im Gesundheitswesen (KKG), www.dimdi.de – Klassifikationen – Down-
loads – ICD-10-GM – Version 2019. Etwas detaillierter und umfassender ist die Definition im DSM V. Danach ist wichtig, dass es sich um ein schwerwiegendes Ereignis handeln muss (American Psychiatric Association, Deutsche Ausgabe – Falkai und Wittchen [Hrsg.]. Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen DSM-5®, 2015, 369).
3.
Sopp MR, Kirsch A, Michael T: Trauma und Gedächtnis. In: Seidler GH, Freyberger HJ, Glaesmer H et al. (eds): Handbuch der Psychotraumatologie. Stuttgart: Klett-Cotta 2019; 17–28.
4.
Guerra VS, Calhoun PS: Examining the relation between posttraumatic stress disorder and suicidal ideation in an OEF/OIF veteran sample. J Anxiety Disorders 2011, 25: 12–8 CrossRef MEDLINE PubMed Central
5.
Der Bundestag geht für das Jahr 2014 von insgesamt 12 135 stationär behandelten PTBS-Patienten aus (Frauen: 8 679, Männer: 3 456). Die Zahl der Suizidtoten lag im selben Jahr bei 10 209 (7 624 Männer und 2 585 Frauen). Die Tendenz ist rückläufig. Pro 100 000 Einwohner führt das zu einer Suizidrate von 19,2 je 100 000 Sterbefällen bei Männern und 6,3 je 100 000 Sterbefällen bei Frauen (vgl. Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages – WD 9 -3000-069/16, Seite 6 ff.). Der Anteil der PTBS-Erkrankten oder ihre Suizidrate werden nicht erfasst. Die Weltgesundheitsorganisation geht aber davon aus, dass in den westlichen Industrieländern 90 Prozent der Suizide eine psychische Erkrankung vorausgegangen ist – WHO: Preventing suicide – A global imperative, http://apps.who.int/iris/bitstream/10665/131056/1/9789241564779_eng.pdf?ua=1&ua=1).
6.
In einer retrospektiven Studie der Medizinischen Hochschule Hannover an Menschen in Asylverfahren berichtete über die Hälfte der PTBS-Patienten über Suizidalität, ein Viertel über Suizidversuche – Sieberer M, Ziegenbein M, Eckhardt G et al.: Psychiatrische Begutachtung im Asylverfahren. Psychiat Prax 2011; 38: 38–44. Ein signifikanter Zusammenhang mit dem Aufenthaltsstatus lässt sich den wenigen Studien zum Thema bisher nicht entnehmen. So berichteten in einer Therapiestudie mit 32 an einer PTBS erkrankten Geflüchteten mit festem Aufenthaltsstatus ein Drittel über Suizidpläne oder Suizidversuche vor Therapiebeginn – Neuner F, Schauer M, Karunakara U et al.: Psychological trauma and evidence for enhanced vulnerability for posttraumatic stress disorder through previous trauma among West Nile refugees. BMC psychiatry 2004; 4: 3 CrossRef MEDLINE PubMed Central
7.
Linehan MM, Comtois KA, Ward-Ciesielski EF: Assessing and Managing Risk With Suicidal Individuals. Cognitive and Behavioral Practice 2012; 19: 218–32 CrossRef
8.
Galatzer-Levy IR, Huang SH, Bonanno GA: Trajectories of resilience and dysfunction following potential trauma: A review and statistical evaluation. Clinical Psychology Review 2018; 61: 41–5 CrossRef MEDLINE
9.
Neuner F, Schauer M, Karunakara U et al.: Psychological trauma and evidence for enhanced vulnerability for posttraumatic stress disorder through previous trauma among West Nile refugees. BMC psychiatry 2004; 4: 34 CrossRef MEDLINE PubMed Central
10.
Schäfer I, Gast U, Hoffmann A, et al.: S3-Leitlinie Posttraumatische Belastungsstörung. https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/155–001l_S3_Posttraumatische_Belastungsstoerung_2020–02_1.pdf .
11.
NET: Narrative Expositionstherapie (vgl. Schauer M, Neuner F, Elbert TH: Narrative Exposure Therapy: A Short-Term Treatment for Traumatic Stress Disorders. Göttingen: Hogrefe 2011), EMDR: Eye Movement Desensitization and Reprocessing (vgl. Hofmann A [ed]: Praxishandbuch zur Behandlung traumatisierter Menschen. Stuttgart: Thieme 2014), PITT: Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie (Reddemann L: Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie: PITT® – Das Manual. Ein resilienzorientierter Ansatz in der Psychotraumatologie. Stuttgart: Klett-Cotta 2017), TRIMB: Behutsame Trauma-Integration (vgl. Spangenberg F: Behutsame Trauma-Integration [TRIMB]: Belastende Erfahrungen lösen mit Atmung, Bewegung und Imagination. Stuttgart: Klett-Cotta 2019) und IRRT: Imagery Rescripting & Reprocessing (vgl. Schmucker M, Köster R: Praxishandbuch IRRT: Imagery Rescripting & Reprocessing Therapy bei Traumafolgestörungen, Angst, Depression und Trauer. Stuttgart: Klett-Cotta 2019).
12.
Eine ausführliche Darstellung der Rechtslage durch die Autoren findet sich in: NVwZ 2020, 118 ff.
13.
§ 15 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 5, Abs. 3 Nr. 5 AsylG.
14.
Zum Ganzen: BVerwG, Urteile vom 11. September 2007 – 10 C 8.07 -, juris Rn. 15 und - 10 C 17.07 -, juris Rn. 15 sowie § 60a Abs. 2 c AufenthG. Systematisch erfasst die Norm nur Abschiebungshindernisse. Sie wird darüber hinaus aber auch für die Prüfung von Schutzbegehren herangezogen – BayVGH, Beschluss vom 4. April 2019 – 9 ZB 19.30999 –, juris Rn. 6.
15.
Wenn sich der Betroffene auf Vorgänge aus seiner Heimat beruft und die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland geltend macht, bedarf es außerdem auch einer Begründung dafür, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist.
16.
Zur Amtsermittlungspflicht der Ausländerbehörden in Ausnahmefällen: § 60 a Abs. 2 d Satz 2 AufenthG; BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 – 10 B 13.11 – BeckRS 2011, 54187; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. Juni 2016 – 2 M 16/16 – BeckRS 2016, 50511; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. Februar 2008 – 11 S 2439/07 –, NVwZ 2009, 63 Leitsatz 2.
17.
Mögliche Schritte in diese Richtung sind eine Vorstellung der Anwesenden, weitere Erklärungen zum Ablauf sowie das Eingehen auf den Betroffenen und seine Bedürfnisse durch entsprechende Nachfragen („Wie könnten Sie sich jetzt beruhigen?“) oder Unterbrechungen („Sollten wir eine Pause machen?“) etc.
18.
§§ 3 Abs. 1, 3 a Abs. 1 Nr. 1, 2 AsylG.
19.
§ 4 Abs. 1 AsylG.
20.
§§ 3 Abs. 2, 4 Abs. 1 AsylG.
21.
BVerwG, Urteil vom 27. November 1977 –1 C 33.71 –, BVerwGE 55, 82 Leitsatz 3 und Rn. 15 und vom 16. April 1985 – 9 C 109.84 –, juris Rn. 16.
22.
Eine Vorverfolgung begründet die widerlegliche Vermutung andauernder Verfolgung nach der Rückkehr (vgl. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember .2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sog. „Qualifikationsrichtlinie“). Alternativ ist die Schutzgewähr auch aufgrund von Umständen möglich, die erst nach der Ausreise eingetreten sind, § 28 Abs. 1, 1a AsylG. Entsprechende Verfahren sind in der Gerichtspraxis eher selten. Die Hauptanwendungsfälle dürften exilpolitisches Verhalten und erst nach der Flucht ausgelebte Glaubensüberzeugungen darstellen, bei denen Traumatisierungen in aller Regel keine Rolle spielen.
23.
Etwa Presseartikel, Meldungen in den Medien, behördliche Lageberichte und Situationseinschätzungen von Wissenschaftlern und Nichtregierungsorganisationen.
24.
Lehmann, ZAR 2011, 21 (22).
25.
BVerwG, Urteil vom 22. März 1983 - 9 C 141.83 – juris Rn. 5 und Urteil vom 08. Mai 1984 – 9 C 141/83 -, juris Rn. 11.
26.
Allerdings ist das Bundesverwaltungsgericht bemüht, die Anforderungen auch nicht zu überspannen. Darum respektiert es die Glaubhaftigkeitseinschätzung der Tatsacheninstanzen und gesteht es ihnen zu, trotz verbleibender (Rest-) Unstimmigkeiten von der Wahrheit des Tatsachenvortrages auszugehen, wenn sich diese nachvollziehbar aus der Würdigung der Gesamtumstände ergibt. Das Bundesverwaltungsgericht begründet diese Ausnahme explizit mit den Problemen, denen die Befragung von Schutzsuchenden aus anderen Kulturkreisen begegnet und den auf sie wirkenden Hinweisen und Einflüssen (BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 1989 – 9 B 239.89 -, juris Rn. 4).
27.
St. Rspr., vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. August 2013 - A 12 S 2023/11 -, juris Rn. 35.
28.
§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO – vgl. BVerwG, Urteil vom 11.11.1986 - 9 C 316.85 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 58 und juris Rn. 11.
29.
BVerwG, Urteil vom 11. November 1986 - 9 C 316.85 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 58 und juris Rn. 11 unter Verweis auf die identischen Maßstäbe im Zivilrecht – vgl. dazu BGH, Urteil vom 17. Februar 1970 – III ZR 39/67 -, BGHZ 53, 245, 256.
30.
BVerwG, Urteil vom 08. Mai 1984 - 9 C 316.85 -, juris Rn. 11.
31.
Allerdings lässt sich die Glaubhaftigkeitsüberzeugung des erstinstanzlichen Richters mittelbar angreifen, indem der Schutzsuchende rügt, dass der Richter seine Verfahrensrechte verletzt oder das Recht falsch angewendet und deshalb den Wahrheitsgehalt seines Vortrages falsch beurteilt habe – § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO, vgl. etwa BVerwG ,- Urteil vom 11. November 1986 – 9 C 316.85 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 58 und juris Rn. 12.
32.
Klagen in Asylverfahren können sowohl rechtlich als auch tatsächlich auch andere Ziele verfolgen (Feststellung eines Abschiebungsverbotes, Rechte während des Asylverfahrens und Aufenthaltes, Zeitgewinn, etc.). Sofern nicht weiter beleuchtet, sind solche Verfahren für die hiesige Darstellung von untergeordneter Relevanz.
33.
Die verschiedenen Formen flüchtlingsrechtlichen Schutzes unterscheiden sich bezüglich der Rechtsfolgen (Dauer des Aufenthaltsrechts, Familiennachzug, Umfang von Förderungsmaßnahmen).
34.
Die Abschiebung ist eine behördliche Zwangs- und Vollstreckungsmaßnahme. Erkennt das Bundesamt dem Ausländer keinen Schutzstatus zu, ist ihm die Abschiebung anzudrohen, um die freiwillige Ausreise zu ermöglichen, § 34 Abs. 1 AsylG. In der Abschiebungsandrohung ist auch der Zielstaat der Abschiebung zu bezeichnen, § 59 Abs. 2 AufenthG. Die Behörde und danach das Gericht prüfen also ein Abschiebungsverbot in Bezug auf den dort genannten Staat. Sind, etwa bei Mehrstaatern, mehrere alternative Abschiebungsziele genannt, hat die Abschiebung nur dann zu unterbleiben, wenn dem Schutzsuchenden in jedem dieser Staaten konkrete, erhebliche Gefahren für seinen Leib, sein Leben oder seine Freiheit drohen.
35.
§ 60 Abs. 7 AufenthG.
36.
Das Bundesverwaltungsgericht nimmt solche an, wenn der Betroffene „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein würde“ (BVerwG, Urteile vom 12. Juli 2001 - 1 C 5.01 – BVerwGE 115, 1 und vom 29. Juni 2010 – 10 C 10.09 -, BVerwGE 137, 226). Beispiele aus der Rechtsprechung sind: HIV-Infizierte aus Äthiopien oder Kamerun oder ein krankes Kleinkind aus Angola (vgl. dazu und zu weiteren: Bergmann, in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl., § 60 AufenthG Rn. 55).
37.
BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 - 1 C 3.11 -, juris.
38.
BT-Drs.18/7538 vom 16. Februar 2016, 19.
39.
BVerwG, Urteile vom 12. Juli 2001 - 1 C 5.01 -, BVerwGE 115, 1 und vom 29. Juni 2010 - 10 C 10.09 -, BVerwGE 137, 226.
40.
Der EGMR führt aus, dass die Betroffenen „nicht beanspruchen können, im Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten zu verbleiben, um dort weiterhin medizinische, soziale oder andere Hilfe in Anspruch zu nehmen… Eine wesentliche Verschlechterung der Lebensbedingungen unter Einschluss der Lebenserwartung im Fall einer Abschiebung genügt nicht, um eine Verletzung von Art. 3 EMRK zu bewirken“. Das komme nur in „außergewöhnlichen Umständen aufgrund zwingender humanitärer Erwägungen“ in Betracht (Urteil vom 27.05.2008 – 26565/05 Nr. 42 – N v. Vereinigtes Königreich -, juris).
41.
BayVGH Beschluss vom 23. Oktober 2007 - 24 CE 07.484 -, beck-online Rn. 21.
Bundesverfassungsgericht Karlsruhe: Dr. jur. Dittrich
Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen: Prof. Dr. med. Wild
1.Die Zahlenlage zu Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) bei Flüchtlingen ist uneinheitlich (Lebenszeitinzidenz zwischen 1,5 und 12 % der Gesamtbevölkerung der BRD; Wiss. Dienst des Deutschen Bundestages: Posttraumatische Belastungsstörung. WD 9 – 3000 – 069/16, Seite 5). Bei Asylbewerbern geht die medizinische Fachliteratur davon aus, dass 40 Prozent der Schutzsuchenden an einer Traumafolgeerkrankung leiden (vgl. Gäbel U, Ruf M, Schauer M, et al.: Prävalenz der Posttraumatischen Belastungsstörung [PTSD] und Möglichkeiten der Ermittlung in der Asylverfahrenspraxis. Z f Klin Psychologie Psychotherapie, 2006; 35: 12–20) CrossRef
2. Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) unter Beteiligung der Arbeitsgruppe ICD des Kuratoriums für Fragen der Klassifikation im Gesundheitswesen (KKG), www.dimdi.de – Klassifikationen – Down-
loads – ICD-10-GM – Version 2019. Etwas detaillierter und umfassender ist die Definition im DSM V. Danach ist wichtig, dass es sich um ein schwerwiegendes Ereignis handeln muss (American Psychiatric Association, Deutsche Ausgabe – Falkai und Wittchen [Hrsg.]. Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen DSM-5®, 2015, 369).
3. Sopp MR, Kirsch A, Michael T: Trauma und Gedächtnis. In: Seidler GH, Freyberger HJ, Glaesmer H et al. (eds): Handbuch der Psychotraumatologie. Stuttgart: Klett-Cotta 2019; 17–28.
4. Guerra VS, Calhoun PS: Examining the relation between posttraumatic stress disorder and suicidal ideation in an OEF/OIF veteran sample. J Anxiety Disorders 2011, 25: 12–8 CrossRef MEDLINE PubMed Central
5.Der Bundestag geht für das Jahr 2014 von insgesamt 12 135 stationär behandelten PTBS-Patienten aus (Frauen: 8 679, Männer: 3 456). Die Zahl der Suizidtoten lag im selben Jahr bei 10 209 (7 624 Männer und 2 585 Frauen). Die Tendenz ist rückläufig. Pro 100 000 Einwohner führt das zu einer Suizidrate von 19,2 je 100 000 Sterbefällen bei Männern und 6,3 je 100 000 Sterbefällen bei Frauen (vgl. Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages – WD 9 -3000-069/16, Seite 6 ff.). Der Anteil der PTBS-Erkrankten oder ihre Suizidrate werden nicht erfasst. Die Weltgesundheitsorganisation geht aber davon aus, dass in den westlichen Industrieländern 90 Prozent der Suizide eine psychische Erkrankung vorausgegangen ist – WHO: Preventing suicide – A global imperative, http://apps.who.int/iris/bitstream/10665/131056/1/9789241564779_eng.pdf?ua=1&ua=1).
6. In einer retrospektiven Studie der Medizinischen Hochschule Hannover an Menschen in Asylverfahren berichtete über die Hälfte der PTBS-Patienten über Suizidalität, ein Viertel über Suizidversuche – Sieberer M, Ziegenbein M, Eckhardt G et al.: Psychiatrische Begutachtung im Asylverfahren. Psychiat Prax 2011; 38: 38–44. Ein signifikanter Zusammenhang mit dem Aufenthaltsstatus lässt sich den wenigen Studien zum Thema bisher nicht entnehmen. So berichteten in einer Therapiestudie mit 32 an einer PTBS erkrankten Geflüchteten mit festem Aufenthaltsstatus ein Drittel über Suizidpläne oder Suizidversuche vor Therapiebeginn – Neuner F, Schauer M, Karunakara U et al.: Psychological trauma and evidence for enhanced vulnerability for posttraumatic stress disorder through previous trauma among West Nile refugees. BMC psychiatry 2004; 4: 3 CrossRef MEDLINE PubMed Central
7. Linehan MM, Comtois KA, Ward-Ciesielski EF: Assessing and Managing Risk With Suicidal Individuals. Cognitive and Behavioral Practice 2012; 19: 218–32 CrossRef
8. Galatzer-Levy IR, Huang SH, Bonanno GA: Trajectories of resilience and dysfunction following potential trauma: A review and statistical evaluation. Clinical Psychology Review 2018; 61: 41–5 CrossRef MEDLINE
9. Neuner F, Schauer M, Karunakara U et al.: Psychological trauma and evidence for enhanced vulnerability for posttraumatic stress disorder through previous trauma among West Nile refugees. BMC psychiatry 2004; 4: 34 CrossRef MEDLINE PubMed Central
10. Schäfer I, Gast U, Hoffmann A, et al.: S3-Leitlinie Posttraumatische Belastungsstörung. https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/155–001l_S3_Posttraumatische_Belastungsstoerung_2020–02_1.pdf .
11. NET: Narrative Expositionstherapie (vgl. Schauer M, Neuner F, Elbert TH: Narrative Exposure Therapy: A Short-Term Treatment for Traumatic Stress Disorders. Göttingen: Hogrefe 2011), EMDR: Eye Movement Desensitization and Reprocessing (vgl. Hofmann A [ed]: Praxishandbuch zur Behandlung traumatisierter Menschen. Stuttgart: Thieme 2014), PITT: Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie (Reddemann L: Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie: PITT® – Das Manual. Ein resilienzorientierter Ansatz in der Psychotraumatologie. Stuttgart: Klett-Cotta 2017), TRIMB: Behutsame Trauma-Integration (vgl. Spangenberg F: Behutsame Trauma-Integration [TRIMB]: Belastende Erfahrungen lösen mit Atmung, Bewegung und Imagination. Stuttgart: Klett-Cotta 2019) und IRRT: Imagery Rescripting & Reprocessing (vgl. Schmucker M, Köster R: Praxishandbuch IRRT: Imagery Rescripting & Reprocessing Therapy bei Traumafolgestörungen, Angst, Depression und Trauer. Stuttgart: Klett-Cotta 2019).
12. Eine ausführliche Darstellung der Rechtslage durch die Autoren findet sich in: NVwZ 2020, 118 ff.
13. § 15 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 5, Abs. 3 Nr. 5 AsylG.
14.Zum Ganzen: BVerwG, Urteile vom 11. September 2007 – 10 C 8.07 -, juris Rn. 15 und - 10 C 17.07 -, juris Rn. 15 sowie § 60a Abs. 2 c AufenthG. Systematisch erfasst die Norm nur Abschiebungshindernisse. Sie wird darüber hinaus aber auch für die Prüfung von Schutzbegehren herangezogen – BayVGH, Beschluss vom 4. April 2019 – 9 ZB 19.30999 –, juris Rn. 6.
15.Wenn sich der Betroffene auf Vorgänge aus seiner Heimat beruft und die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland geltend macht, bedarf es außerdem auch einer Begründung dafür, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist.
16.Zur Amtsermittlungspflicht der Ausländerbehörden in Ausnahmefällen: § 60 a Abs. 2 d Satz 2 AufenthG; BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 – 10 B 13.11 – BeckRS 2011, 54187; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. Juni 2016 – 2 M 16/16 – BeckRS 2016, 50511; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. Februar 2008 – 11 S 2439/07 –, NVwZ 2009, 63 Leitsatz 2.
17. Mögliche Schritte in diese Richtung sind eine Vorstellung der Anwesenden, weitere Erklärungen zum Ablauf sowie das Eingehen auf den Betroffenen und seine Bedürfnisse durch entsprechende Nachfragen („Wie könnten Sie sich jetzt beruhigen?“) oder Unterbrechungen („Sollten wir eine Pause machen?“) etc.
18.§§ 3 Abs. 1, 3 a Abs. 1 Nr. 1, 2 AsylG.
19. § 4 Abs. 1 AsylG.
20. §§ 3 Abs. 2, 4 Abs. 1 AsylG.
21. BVerwG, Urteil vom 27. November 1977 –1 C 33.71 –, BVerwGE 55, 82 Leitsatz 3 und Rn. 15 und vom 16. April 1985 – 9 C 109.84 –, juris Rn. 16.
22. Eine Vorverfolgung begründet die widerlegliche Vermutung andauernder Verfolgung nach der Rückkehr (vgl. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember .2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sog. „Qualifikationsrichtlinie“). Alternativ ist die Schutzgewähr auch aufgrund von Umständen möglich, die erst nach der Ausreise eingetreten sind, § 28 Abs. 1, 1a AsylG. Entsprechende Verfahren sind in der Gerichtspraxis eher selten. Die Hauptanwendungsfälle dürften exilpolitisches Verhalten und erst nach der Flucht ausgelebte Glaubensüberzeugungen darstellen, bei denen Traumatisierungen in aller Regel keine Rolle spielen.
23. Etwa Presseartikel, Meldungen in den Medien, behördliche Lageberichte und Situationseinschätzungen von Wissenschaftlern und Nichtregierungsorganisationen.
24.Lehmann, ZAR 2011, 21 (22).
25.BVerwG, Urteil vom 22. März 1983 - 9 C 141.83 – juris Rn. 5 und Urteil vom 08. Mai 1984 – 9 C 141/83 -, juris Rn. 11.
26. Allerdings ist das Bundesverwaltungsgericht bemüht, die Anforderungen auch nicht zu überspannen. Darum respektiert es die Glaubhaftigkeitseinschätzung der Tatsacheninstanzen und gesteht es ihnen zu, trotz verbleibender (Rest-) Unstimmigkeiten von der Wahrheit des Tatsachenvortrages auszugehen, wenn sich diese nachvollziehbar aus der Würdigung der Gesamtumstände ergibt. Das Bundesverwaltungsgericht begründet diese Ausnahme explizit mit den Problemen, denen die Befragung von Schutzsuchenden aus anderen Kulturkreisen begegnet und den auf sie wirkenden Hinweisen und Einflüssen (BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 1989 – 9 B 239.89 -, juris Rn. 4).
27.St. Rspr., vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. August 2013 - A 12 S 2023/11 -, juris Rn. 35.
28.§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO – vgl. BVerwG, Urteil vom 11.11.1986 - 9 C 316.85 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 58 und juris Rn. 11.
29.BVerwG, Urteil vom 11. November 1986 - 9 C 316.85 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 58 und juris Rn. 11 unter Verweis auf die identischen Maßstäbe im Zivilrecht – vgl. dazu BGH, Urteil vom 17. Februar 1970 – III ZR 39/67 -, BGHZ 53, 245, 256.
30.BVerwG, Urteil vom 08. Mai 1984 - 9 C 316.85 -, juris Rn. 11.
31.Allerdings lässt sich die Glaubhaftigkeitsüberzeugung des erstinstanzlichen Richters mittelbar angreifen, indem der Schutzsuchende rügt, dass der Richter seine Verfahrensrechte verletzt oder das Recht falsch angewendet und deshalb den Wahrheitsgehalt seines Vortrages falsch beurteilt habe – § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO, vgl. etwa BVerwG ,- Urteil vom 11. November 1986 – 9 C 316.85 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 58 und juris Rn. 12.
32. Klagen in Asylverfahren können sowohl rechtlich als auch tatsächlich auch andere Ziele verfolgen (Feststellung eines Abschiebungsverbotes, Rechte während des Asylverfahrens und Aufenthaltes, Zeitgewinn, etc.). Sofern nicht weiter beleuchtet, sind solche Verfahren für die hiesige Darstellung von untergeordneter Relevanz.
33. Die verschiedenen Formen flüchtlingsrechtlichen Schutzes unterscheiden sich bezüglich der Rechtsfolgen (Dauer des Aufenthaltsrechts, Familiennachzug, Umfang von Förderungsmaßnahmen).
34. Die Abschiebung ist eine behördliche Zwangs- und Vollstreckungsmaßnahme. Erkennt das Bundesamt dem Ausländer keinen Schutzstatus zu, ist ihm die Abschiebung anzudrohen, um die freiwillige Ausreise zu ermöglichen, § 34 Abs. 1 AsylG. In der Abschiebungsandrohung ist auch der Zielstaat der Abschiebung zu bezeichnen, § 59 Abs. 2 AufenthG. Die Behörde und danach das Gericht prüfen also ein Abschiebungsverbot in Bezug auf den dort genannten Staat. Sind, etwa bei Mehrstaatern, mehrere alternative Abschiebungsziele genannt, hat die Abschiebung nur dann zu unterbleiben, wenn dem Schutzsuchenden in jedem dieser Staaten konkrete, erhebliche Gefahren für seinen Leib, sein Leben oder seine Freiheit drohen.
35.§ 60 Abs. 7 AufenthG.
36. Das Bundesverwaltungsgericht nimmt solche an, wenn der Betroffene „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein würde“ (BVerwG, Urteile vom 12. Juli 2001 - 1 C 5.01 – BVerwGE 115, 1 und vom 29. Juni 2010 – 10 C 10.09 -, BVerwGE 137, 226). Beispiele aus der Rechtsprechung sind: HIV-Infizierte aus Äthiopien oder Kamerun oder ein krankes Kleinkind aus Angola (vgl. dazu und zu weiteren: Bergmann, in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl., § 60 AufenthG Rn. 55).
37.BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 - 1 C 3.11 -, juris.
38.BT-Drs.18/7538 vom 16. Februar 2016, 19.
39.BVerwG, Urteile vom 12. Juli 2001 - 1 C 5.01 -, BVerwGE 115, 1 und vom 29. Juni 2010 - 10 C 10.09 -, BVerwGE 137, 226.
40. Der EGMR führt aus, dass die Betroffenen „nicht beanspruchen können, im Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten zu verbleiben, um dort weiterhin medizinische, soziale oder andere Hilfe in Anspruch zu nehmen… Eine wesentliche Verschlechterung der Lebensbedingungen unter Einschluss der Lebenserwartung im Fall einer Abschiebung genügt nicht, um eine Verletzung von Art. 3 EMRK zu bewirken“. Das komme nur in „außergewöhnlichen Umständen aufgrund zwingender humanitärer Erwägungen“ in Betracht (Urteil vom 27.05.2008 – 26565/05 Nr. 42 – N v. Vereinigtes Königreich -, juris).
41.BayVGH Beschluss vom 23. Oktober 2007 - 24 CE 07.484 -, beck-online Rn. 21.

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