ArchivDeutsches Ärzteblatt19/2020SARS-CoV-2 bei Mitarbeitern einer großen Universitätsklinik
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Die Krankheitsverläufe der COVID-19-Infektion variieren stark (1). Als Hauptübertragungsweg für „severe acute respiratory syndrome coronavirus 2“ (SARS-CoV-2) gilt die Mensch-zu-Mensch-Übertragung durch Tröpfcheninfektion (2).

Das Universitätsklinikum Münster (UKM) ist ein Klinikum der Maximalversorgung mit 1 500 Betten und rund 11 000 (etwa 1 250 ärztlichen) Mitarbeitern. Am UKM wurde am 29. Februar 2020 bei einem ersten Patient COVID-19 diagnostiziert und er wurde stationär aufgenommen (3). Insgesamt sind bis zum 17. 4. 2020 242 Patienten auf SARS-CoV-2 positiv getestet worden, von denen 37 aufgrund von COVID-19 stationär am UKM bleiben mussten. Das UKM stand, wie viele Krankenhäuser, vor der Herausforderung, Mitarbeiter- und Patientenschutz während der Pandemie zu gewährleisten. Dazu wurde, zusätzlich zur Basishygiene, am 23. 3. 2020 das für Mitarbeiter und Besucher auf dem gesamten Klinikgelände verpflichtende Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes eingeführt.

Ziel dieser Studie war die Ergebnisse dieser Mitarbeiteruntersuchungen epidemiologisch auszuwerten und zu diskutieren.

Methoden

Klinisch-epidemiologische Daten von Mitarbeitern des UKM wurden zwischen dem 11. 3. 2020 und dem 17. 4. 2020 erhoben. Mitarbeiter mit Verdacht auf eine SARS-CoV-2-Exposition gemäß der gültigen Falldefinition des Robert-Koch-Institutes (RKI) stellten sich entweder selbstständig beim Arbeitsmedizinischen und Sicherheitstechnischen Dienst (AMSD) vor oder wurden nach Exposition zu einem SARS-CoV-2-erkrankten Patienten im Rahmen der Kontaktverfolgung durch die Krankenhaushygiene ermittelt.

Unter Berücksichtigung der aktuell gültigen Falldefinition des Robert Koch-Instituts (RKI) wurden folgende Punkte erfragt (4):

  • der Aufenthalt in einem Risikogebiet
  • Kontakt zu bestätigten COVID-19-Fällen oder bekannten COVID-19-Clustern.

In der anamnestischen Erhebung wurden zehn Symptome erfasst (Tabelle). Lag die Indikation zur labordiagnostischen Abklärung vor, wurden innerhalb von 24 Stunden naso-oropharyngeale Abstriche gewonnen und auf SARS-CoV-2 mittels quantitativer Reverse-Transkriptase-Polymerasekettenreaktion (qRT-PCR) untersucht (5). Bei positiv getesteten Mitarbeitern wurden zusätzlich labordiagnostische Verlaufskontrollen durchgeführt. Exponierte Patienten wurden im Einzelzimmer untergebracht und klinische Symptome krankenhaushygienisch nachverfolgt. Bei Auftreten von COVID-19-typischen Symptomen wurden diese Patienten auf SARS-CoV-2 getestet und so mögliche Infektionscluster identifiziert.

SARS-CoV-2–Diagnostik bei UKM-Mitarbeitern
Tabelle
SARS-CoV-2–Diagnostik bei UKM-Mitarbeitern

Ergebnisse

Während des Untersuchungszeitraums wurden am UKM bei insgesamt 957 Mitarbeiter (38,7 % männlich, medianes Alter 35 Jahre, IQR 20 Jahre) 1 054 Abstriche auf SARS-CoV-2 vorgenommen. Insgesamt wurden 52 Mitarbeiter (5,4 %) positiv getestet (Grafik), von denen 33 in einem Bereich mit direktem Patientenkontakt eingesetzt waren. Da sich im Untersuchungszeitraum die gültige Definition des RKI für SARS-CoV-2-Verdachtsfälle änderte, konnte auch im zeitlichen Verlauf eine aktualisierte Indikation zum SARS-CoV-2-Abstrich beobachtet werden. Initial berichteten bei Erstabstrich nur etwas mehr als die Hälfte der Mitarbeiter (54,6 %) von klassischen Symptomen. Eine genaue Übersicht der Mitarbeiter mit und ohne Symptomen kann der Tabelle entnommen werden. Insgesamt gaben 531 Mitarbeiter an, Kontakt zu einer SARS-CoV-2-positiv-getesteten Person (74,6 % beruflich, 25,4 % privat) gehabt zu haben. Von allen positiv getesteten Mitarbeitern hatten 39 Kontakt zu einer positiv getesteten Person, hiervon 21 mit beruflichem Kontakt zu Patienten (n = 1) oder anderen Mitarbeitern (n = 20). Bei auf SARS-CoV-2-positiv-getesteten Mitarbeitern waren die häufigsten Symptome Husten (n = 17), Halsschmerzen (n = 11) und Kopfschmerzen (n = 9). Von 51 Mitarbeitern, die initial auch auf andere respiratorische Viren untersucht wurden, wurden 19 positiv auf Rhinoviren (n = 9), andere Coronaviren (n = 4), Influenza A (n = 3), Humanes Metapneumovirus (HMPV) (n = 2) und Adenoviren (n = 1) getestet. Nach Einführung der Maskenpflicht konnte in der infektionsepidemiologischen Nachverfolgung keine nosokomiale Person-zu-Person- (Mitarbeiter/Patienten-)Übertragung festgestellt werden.

SARS-CoV-2-positive Mitarbeiter
Grafik 1
SARS-CoV-2-positive Mitarbeiter

Diskussion

Die SARS-CoV-2-Untersuchungsergebnisse von 934 Mitarbeitern des UKM zeigen, dass das Krankenhauspersonal während und außerhalb der beruflichen Tätigkeit Teil von COVID-19-Infektionsclustern sein kann.

Am UKM wurde die Strategie verfolgt, den Infektionsstatus von Mitarbeitern nach einer Exposition zeitnah abzuklären. Durch dieses Vorgehen konnten nach Ausschluss eines positiven SARS-CoV-2-Status 885 Mitarbeiter in ihren Versorgungsbereichen weiterhin eingesetzt werden, sodass insbesondere die Versorgung in medizinisch-kritischen Bereichen sichergestellt werden konnte.

Bei etwa 52 % (n = 27) der vormals SARS-CoV-2-positiven UKM-Mitarbeiter waren allerdings auch noch nach 14 Tagen SARS-CoV-2-Bestandteile per PCR nachweisbar. Diese durchgeführten Verlaufskontrollen verdeutlichen, dass Mitarbeiter des Gesundheitssystems auch noch nach Ablauf der Quarantäne eine potenzielle Quelle von SARS-CoV-2-Transmissionen darstellen können, wobei bisher nicht geklärt ist, inwieweit diese Mitarbeiter noch infektiös sind und wann eine Wiederzulassung zur Arbeit ermöglicht werden kann. Dies sollte in künftigen Untersuchungen adressiert werden.

Bei den ersten 51 auf SARS-CoV-2 getesteten UKM-Mitarbeitern wurden in 19 Fällen in Rahmen einer erweiterten Diagnostik alternative, respiratorische Krankheitserreger gefunden. Unter dem Gesichtspunkt der Infektionsprävention sind besonders die drei Nachweise von Influenza A bemerkenswert. Zwar ist noch keine SARS-CoV-2-Impfung erhältlich, aber Erfahrungen mit der Influenzaimpfung legen nahe, dass eine flächendeckende Durchimpfung des Krankenhauspersonals eine Herausforderung darstellen kann.

Zusammenfassend denken wir, dass infektionsepidemiologische Nachverfolgungen, ein niederschwelliger Zugang zur virologischen Testung sowie über die Basishygiene hinausgehende Maßnahmen einen Beitrag dazu geleistet haben, Übertragungen von SARS-CoV-2 durch und auf Mitarbeiter im Krankenhaus zu verhindern. Weitere prospektiv randomisierte kontrollierte Studien sind allerdings nötig, um die Wirksamkeit dieser Maßnahmen zu beweisen.

Vera Schwierzeck, Carlos Luis Correa-Martinez, Kristian Nikolaus Schneider, Alexander Mellmann, Marc Tim Hennies, Wali Hafezi, Peter Czeschinski, Stefanie Kampmeier

Institut für Hygiene, Universitätsklinikum Münster (Schwierzeck, Correa-Martinez, Mellmann, Kampmeier) Stefanie.Kampmeier@ukmuenster.de

Klinik für Allgemeine Orthopädie und Tumororthopädie,
Universitätsklinikum Münster (Schneider)

Institut für Virologie, Universitätsklinikum Münster (Hennies, Hafezi)

Arbeitsmedizinischer und Sicherheitstechnischer Dienst,
Universitätsklinikum Münster (Czeschinski)

Interessenkonflikt
Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Manuskriptdaten
eingereicht: 15. 4. 2020, revidierte Fassung angenommen: 20. 4. 2020

Zitierweise
Schwierzeck V, Correa-Martinez CL, Schneider KN, Mellmann A, Hennies MT, Hafezi W, Czeschinski P, Kampmeier S: SARS-CoV-2 in the employees of a large university hospital. Dtsch Arztebl Int 2020; 117: 344–5. DOI: 10.3238/arztebl.2020.0344

►Die englische Version des Artikels ist online abrufbar unter:
www.aerzteblatt-international.de

1.
Huang C, Wang Y, Li X, et al.: Clinical features of patients infected with 2019 novel coronavirus in Wuhan, China. Lancet 2020; 395: 497–506 CrossRef MEDLINE PubMed Central
2.
Chan JF, Yuan S, Kok KH, et al.: A familial cluster of pneumonia associated with the 2019 novel coronavirus indicating person-to-person transmission: a study of a family cluster. Lancet 2020; 395: 514–23 CrossRef
3.
Correa-Martinez CL, Kampmeier S, Kumpers P, et al.: A pandemic in times of global tourism: superspreading and exportation of COVID-19 cases from a ski area in Austria. J Clin Microbiol 2020; JCM00588–20 CrossRef MEDLINE
4.
Robert Koch-Institut: Neuartiges Coronavirus Falldefinition: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Falldefinition.pdf?__blob=publicationFile
(last accessed on 16 April 2020).
5.
Corman VM, Landt O, Kaiser M, et al.: Detection of 2019 novel coronavirus (2019-nCoV) by real-time RT-PCR. Euro Surveill 2020; 25: 2000045 CrossRef MEDLINE PubMed Central
SARS-CoV-2-positive Mitarbeiter
Grafik 1
SARS-CoV-2-positive Mitarbeiter
SARS-CoV-2–Diagnostik bei UKM-Mitarbeitern
Tabelle
SARS-CoV-2–Diagnostik bei UKM-Mitarbeitern
1. Huang C, Wang Y, Li X, et al.: Clinical features of patients infected with 2019 novel coronavirus in Wuhan, China. Lancet 2020; 395: 497–506 CrossRef MEDLINE PubMed Central
2. Chan JF, Yuan S, Kok KH, et al.: A familial cluster of pneumonia associated with the 2019 novel coronavirus indicating person-to-person transmission: a study of a family cluster. Lancet 2020; 395: 514–23 CrossRef
3. Correa-Martinez CL, Kampmeier S, Kumpers P, et al.: A pandemic in times of global tourism: superspreading and exportation of COVID-19 cases from a ski area in Austria. J Clin Microbiol 2020; JCM00588–20 CrossRef MEDLINE
4. Robert Koch-Institut: Neuartiges Coronavirus Falldefinition: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Falldefinition.pdf?__blob=publicationFile
(last accessed on 16 April 2020).
5. Corman VM, Landt O, Kaiser M, et al.: Detection of 2019 novel coronavirus (2019-nCoV) by real-time RT-PCR. Euro Surveill 2020; 25: 2000045 CrossRef MEDLINE PubMed Central

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