ArchivDeutsches Ärzteblatt17/2020Arzneimittel: Engpässe bei Anästhetika

POLITIK

Arzneimittel: Engpässe bei Anästhetika

Osterloh, Falk

Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...
LNSLNS

In der Coronapandemie werden Arzneimittel zur Behandlung schwer kranker COVID-19-Patienten knapp, zum Beispiel generische Schmerzmittel. Während die Hersteller ihre Produktion hochfahren, bleibt die Lage insbesondere in Asien unübersichtlich.

Ketamin gehört zu den Arzneimitteln, für die die Europäische Kommission Engpässe in Deutschland erwartet. Foto: Science Photo Library/Kevin Link
Ketamin gehört zu den Arzneimitteln, für die die Europäische Kommission Engpässe in Deutschland erwartet. Foto: Science Photo Library/Kevin Link

Die mediale Aufmerksamkeit liegt beim Kampf gegen SARS-CoV-2 derzeit auf der Entwicklung von Impfstoffen und therapeutischen Arzneimitteln. Von Bedeutung sind jedoch auch andere Arzneimittel: preisgünstige Generika zum Beispiel, die zur Betäubung oder Sedierung eingesetzt werden. Vor Engpässen bei diesen Medikamenten warnte die Gesundheitskommissarin der Europäischen Kommission, Stella Kyriakides, Anfang April in einem Brandbrief an europäische Arzneimittelverbände. Darin bat sie die pharmazeutischen Unternehmen, die Produktion von Medikamenten zur Behandlung schwer kranker COVID-19-Patienten zu erhöhen. Dabei handle es sich um „eine Angelegenheit von extremer Dringlichkeit“.

Engpässe auch in Deutschland

Ende März sei bei Gesprächen mit den Verbänden von einem „akuten Risiko“ von Engpässen bei „entscheidenden Arzneimitteln“ zur stationären Behandlung von COVID-19-Patienten berichtet worden, heißt es weiter in dem Brief. Verschiedene Mitgliedstaaten hätten der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) in der Folge berichtet, dass sie entsprechende Arzneimittel nur noch für eine Woche auf Lager hätten.

Dem Brief angehängt war eine Liste mit Arzneimitteln, die in Europa fehlen. Den Medikamenten beigeordnet waren die Länder, in denen Engpässe existieren oder erwartet werden. Vielfach fehlen demnach Anästhetika und Beruhigungsmittel zur Intensivbehandlung von COVID-19-Patienten wie Fentanyl, Propofol, Midazolam, Lorazepam und Ketamin. Für diese Arzneimittel werden der Liste zufolge auch Engpässe in Deutschland erwartet.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sieht derzeit in Deutschland hingegen keine Risiken für Versorgungsengpässe. „Aktuell liegen dem BfArM keine belastbaren Hinweise vor, die auf eine kurzfristige Einschränkung der Arzneimittelversorgung aufgrund von Produktionsausfällen in Regionen, die von der Ausbreitung des Coronavirus besonders betroffen sind, schließen lassen“, erklärt das Institut dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ).

Der Geschäftsführer des Verbandes Pro Generika, Bork Bretthauer, ist in seiner Einschätzung etwas vorsichtiger. „Im Moment tun unsere Unternehmen alles ihnen Mögliche, um die großen Herausforderungen der Krise zu managen“, sagt er dem . „Sie fahren Extraschichten, haben weitere Produktionslinien zugunsten derzeit besonders benötigter Wirkstoffe freigemacht und versuchen, die Blockaden in den Bereichen Transport und Logistik zu lösen.“

Die Lage bleibt unübersichtlich

Vieles könne man jedoch im Moment nicht vorhersagen. „In Indien gibt es einen Lockdown, der gerade noch einmal um drei Wochen verlängert wurde. Da ist es schwierig, Rohstoffe für Arzneimittel aus dem Land nach Europa zu bekommen“, erklärt Bretthauer. Vor einigen Wochen sei die Produktion von Rohstoffen in China zumindest wieder angelaufen. Auch dort bleibe die Lage jedoch unübersichtlich.

Angesichts von lauter werdenden Forderungen nach einer Verlagerung der Wirkstoffproduktion nach Europa sagt Bretthauer: „Es ist nicht realistisch, dass sich Europa mit Arzneimitteln selbst versorgen kann.“ Vielmehr sei es wichtig, dass es für bestimmte Wirkstoffe mehr Hersteller in verschiedenen Regionen der Welt gebe.

„Wir befürworten, in Ausschreibungen festzulegen, dass ein Unternehmen den Zuschlag für einen Rabattvertrag erhält, wenn es eine Wirkstoffquelle aus Europa nachweisen kann“, so Bretthauer. „Heute hätte ein solches Unternehmen keine Chance, einen Rabattvertrag zu erhalten, weil die Produktion in Europa teurer ist als die in China.“ Falk Osterloh

Fachgebiet

Zum Artikel

Der klinische Schnappschuss

Alle Leserbriefe zum Thema

Stellenangebote