

Jede Krankheit hat den ihr eigenen kategorischen Imperativ. Jemand mit ungeklärten Synkopen darf seine Tätigkeit als Lkw-Fahrer oder Lokführer nicht ausüben, Fußballspieler mit gebrochenen Beinen können keine Tore mehr schießen.
Der kategorische Imperativ von Corona legt sich nun über das ganze Land und zwingt uns alle zur Häuslichkeit. Aber wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen weiter für die Menschen da sein, dürfen nicht krank werden. Auch nicht meine Fachangestellten, von denen ich so abhängig bin wie die Oberschenkelfraktur vom Ender-Nagel.
Also habe ich vor Wochen die Hygienemaßnahmen verschärft: Ein Meter fünfzig Abstand! Wenn dieser durchbrochen werden muss, tragen alle Mundschutz, auch die Patienten! Meine Mitarbeiterinnen haben mich entsetzt angeblickt und sich gefragt, ob ich einen Sockenschuss hätte, denn Schutzkleidung fehle überall.
Kein Problem! so meine eigenwillige Lösung, nehmen wir doch einfach diese Papierhandtücher in der handlichen Größe von 31 mal 21 Zentimetern und knüpfen die Ecken mit Gummilitze zusammen, über die Ohren und fertig! Ich schaute immer noch in zweifelnde Gesichter. Ja, ich bin mir bewusst darüber, dass das Tragen eines Mundschutzes nicht doppel-blind evident vor Viren schützt, aber es handelt sich um eine Tröpfeninfektion! Ich kann also andere vor der Infektion schützen, in dem ich so ein Ding trage, das ist nicht der egoistische, sondern der altruistische Ansatz! habe ich meinen Mitstreiterinnen zugerufen und die selbst gebastelte Maske aufgesetzt.
Naja, ich sehe damit schon komisch aus, man sieht von mir nur noch Glatze und Brille, aber das juckt mich so wenig wie das mittels Maske abstehende Ohr. Ja, so ein zugegebenermaßen dilettantischer, vom Bundesgesundheitsamt nicht zertifizierter Mundschutz ist besser als gar nichts!
Ich wurde immer noch kritisch beäugt, daher sehe ich mich also veranlasst, für meine zugegebenermaßen rudimentäre Expertise in Infektiologie zu werben. Ihr wisst doch, dass ich mich seit Weihnachten mit diesem Männerschnupfen rumplage, nicht wahr? Um niemanden anzustecken, habe ich damals schon begonnen, den Mitarbeitern im Herzkatheterlabor, die ich sonst immer per Handschlag begrüße, mit ausgestrecktem Ellenbogen ein Glückauf! zu wünschen, genauso wie es heutzutage Minister und Präsidentschaftskandidaten machen. Will sagen: Wir im Herzkatheterlabor habenʼs erfunden, daher kann man auch meinem Mundschutz trauen!
„Herr Doktor, Ihr Männerschnupfen war aber keiner.“ Oh Mist, jetzt wird’s peinlich. Äh, ja, wie soll ich sagen, ja, das stimmt ... das war eine Fehldiagnose, der Schnupfen ist eine operationspflichtige Kieferhöhlenvereiterung. Aber auch aus Fehldiagnosen kann man lernen! Nicht jeder, der heute hustet und schlecht Luft kriegt, hat Corona! Das kann auch ein Herzversagen oder eine Lungenembolie sein, und um diese Menschen müssen wir uns auch weiterhin intensiv bemühen, auch wenn die Versorgung in diesen Tagen so kompliziert ist wie die Oberflächenantigenstruktur uns attackierender Viren.
Daher kann ich allen nur zurufen: ran an die Arbeit, immer gute Laune behalten, immer gut schützen und bleibt alle gesund!
Dr. med. Thomas Böhmeke
ist niedergelassener Kardiologe in Gladbeck.
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