SPEKTRUM: Akut
Alzheimer-Demenz: Östrogene sind wirkungslos


Krankheit aufhalten könnte. In den letzten Jahren haben kleinere und methodisch unzuverlässige Studien die Idee scheinbar bestätigt. Doch der Glaube an die Hormone erweist sich jetzt zumindest teilweise als voreilig: Nach den Ergebnissen der bislang größten und längsten Therapie-Studie sind die Hormone bei Hirnleistungsstörungen wirkungslos, wenn die Demenz manifest ist. Die Gruppe um Ruth Mulnard und Leon Thal von der Universität von Kalifornien hatte 120 Frauen mit milder bis moderater Alzheimer-Demenz randomisiert; das Durchschnittsalter lag bei 75 Jahren, alle waren hysterektomiert (JAMA 2000; 283: 1007). 42 der Frauen erhielten von ihrem Betreuer ein Jahr lang täglich 0,625 mg konjugierte Östrogene, 39 Frauen erhielten die höhere Dosis von 1,25 mg, weitere 39 ein Placebo.
Gemessen am "Clinical Global Impression of Change", einer Skala zu Beurteilung der Veränderung des
klinischen Zustandes, waren Östrogene wirkungslos. Nach zwölf Monaten ging es 80 Prozent der
östrogenbehandelten Frauen deutlich schlechter; in der Placebogruppe lag der Anteil bei 74 Prozent. Auch in
keinem der insgesamt 16 weiteren Tests, die unter anderem die Stimmung, mentale, verbale und motorische
Fähigkeiten erfassten, hatten Östrogene eine positive Wirkung. Möglich ist sogar, dass die Hormone sich auf
einige Gehirnfunktionen schädlich auswirken. "Insgesamt sprechen die Ergebnisse dieser Studie nicht dafür,
dass Östrogene eine Rolle in der Behandlung der Alzheimer-Krankheit haben", schreiben die Autoren.
Die Alzheimer-Spezialisten Bennett und Sally Shaywitz von der Yale-Universität bewerten die Ergebnisse in
einem Kommentar als "klar und unzweideutig". Aber sie betonen, dass die Schlussfolgerung bislang nur für eine
bestimmte Personengruppe gelte: Frauen fortgeschrittenen Alters mit milder bis moderater Alzheimer-Demenz.
Übrig bleibe die Hoffnung, dass die bei jüngeren Frauen in den Wechseljahren weit verbreitete
Hormonersatztherapie den Beginn der Demenz hinauszögern könne. Studien, die den Wert der ÖstrogenTherapie an noch gesunden Frauen testen, haben in den USA bereits begonnen. Mulnard und Thal kritisieren die
"Tendenz, experimentelle Behandlungen bereits zum Standard zu machen, bevor ausreichende wissenschaftliche
Evidenz gesammelt wurde". Klaus Koch
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