ArchivDeutsches Ärzteblatt19/2020Kommunikation: E-Arztbrief im Feldtest

THEMEN DER ZEIT

Kommunikation: E-Arztbrief im Feldtest

Krüger-Brand, Heike E.

Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...
LNSLNS

Nach dem Digitale-Versorgung-Gesetz kann der elektronische Arztbrief nur noch abgerechnet werden, wenn dafür der Fachdienst KIM – Kommunikation im Medizinwesen – innerhalb der Telematikinfrastruktur genutzt wird. Ein Feldtest hierfür hat Anfang April begonnen.

E-Arztbriefe sollen den neuen Kommunikationsdienst KIM zum Fliegen bringen. Als nächste Killerapplikation folgt dann die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Foto: natali mis/stock.adobe.com
E-Arztbriefe sollen den neuen Kommunikationsdienst KIM zum Fliegen bringen. Als nächste Killerapplikation folgt dann die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Foto: natali mis/stock.adobe.com

Jährlich fallen etwa 150 Millionen Arztbriefe an, die derzeit häufig noch per Post oder Fax übermittelt werden. Mit dem Anschluss an die Telematikinfrastruktur (TI) sollen Ärzte und Psychotherapeuten künftig auch elektronische Arztbriefe (E-Arztbriefe) über einen sicheren Kommunikationsdienst versenden und empfangen können. 50 Arztpraxen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein, ein Krankenhaus in Aachen sowie jeweils vier Zahnarztpraxen aus den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen Berlin, Nordrhein, Baden-Württemberg und Bayern werden daher in Kürze den neuen Kommunikationsstandard KIM („Kommunikation im Medizinwesen“) testen. Die Installationsarbeiten für den Feldtest haben Anfang April begonnen, nachdem die Compugroup Medical Deutschland (CGM) zuvor als erster Provider die hierfür erforderliche Zulassung von der Projektgesellschaft gematik erhalten hat.

Aus KOM-LE ist KIM geworden

KIM ist eine Umbenennung von KOM-LE („Kommunikation Leistungserbringer“), der sperrigen Bezeichnung für den E-Mail-Fachdienst der gematik innerhalb der TI, der seit 2011 unter Regie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) entwickelt wird. Dabei handelt es sich um einen Ende-zu-Ende-verschlüsselnden Kommunikationsdienst für den Austausch sensibler Informationen im Gesundheitswesen zwischen allen berechtigten Teilnehmern der TI – über Einrichtungs-, System- und Sektorengrenzen hinweg. Ebenso ist die Nutzung des elektronischen Heilberufsausweises (eHBA) vorgesehen, damit sich Kommunikationspartner authentifizieren und Dokumente digital unterschreiben können.

KIM soll den sicheren und barrierefreien Austausch digitaler Dokumente und Nachrichten im medizinischen Bereich ermöglichen und die bisherige Arztkommunikation über KV-Connect ablösen, eine Lösung, die die KBV-Tochter kv.digital (vormals KV Telematik GmbH) für das SNK, das Sichere Netz der KVen, entwickelt hat. „Perspektivisch sollen über KOM-LE/KIM sämtliche Anwendungen abgebildet werden, die derzeit noch über KV-Connect laufen“, so der gematik-Chef Dr. med. Leyck Dieken. Dazu zählen neben dem Arztbrief etwa die KV-Abrechnung, die Datenübertragung für DMP, das berufsgenossenschaftliche DALE-UV-Verfahren oder die Labordatenübertragung. Solange diese Anwendungen über KIM noch nicht verfügbar sind, werde KV-Connect weiterbetrieben, so KV.digital-Chef Dr. Florian Fuhrmann. Geplant ist ihm zufolge eine sukzessive Migration der 17 KV-Connect-Anwendungen auf KIM. Das heißt für manche Praxis allerdings, dass sie für eine Übergangszeit die zwei Dienste für die sichere Kommunikation parallel verwenden muss. Wie gut das klappt, dürfte von der jeweiligen Implementierung der Softwarehäuser abhängen.

Der Test nach den Vorgaben der gematik soll aufzeigen, ob die für die Anwendung von KIM erforderliche Konnektortechnik und die dazugehörigen Prozessroutinen im Praxisalltag einwandfrei und ohne Störungen funktionieren. Für KIM benötigen Ärzte und Psychotherapeuten einen von der gematik zugelassenen signaturfähigen E-Health-Konnektor, einen eHBA für die qualifizierte elektronische Signatur (QES) und ein Software-Update ihres Arztinformationssystems. Außerdem müssen sie sich bei einem zugelassenen KIM-Anbieter registrieren. Der Verzeichnisdienst der KIM-Teilnehmer wird für die Testphase beim Provider CGM geführt. Ab dem 1. Dezember hat der Gesetzgeber diese Aufgabe den KVen übertragen.

Die Konnektorhersteller müssen in einem erfolgreich abgeschlossenen Feldtest nachweisen, dass ihr Konnektor funktional, interoperabel und sicher ist. Derzeit ist nur der Konnektor KoCoBox MED+ von CGM für den Test zugelassen. Dieses Gerät erhält durch ein Software-Update die Funktionen eines E-Health-Konnektors für die medizinischen Anwendungen der TI. Dies wird laut gematik auch der Weg für andere Hersteller sein. Ein Geräteaustausch sei nicht nötig.

Als erste Anwendungen des Kommunikationsstandards KIM werden zunächst der Versand von E-Arztbriefen und E-Mail-Nachrichten erprobt. Die Zeit drängt, denn ab dem 1. Juli 2020 wird KIM zum einzigen zulässigen Verfahren, um E-Arztbriefe abrechnen zu können (Kasten).

Interoperabilität nicht im Test

CGM plant daher, den Feldtest bereits im Mai abzuschließen. Das Testkonzept der gematik legt dafür fest, dass ein Testteilnehmer mindestens fünf Nachrichten mit Anhang versenden muss, darunter eine Nachricht als E-Arztbrief. Zusätzlich müssen mindestens fünf Nachrichten empfangen werden. Die Aufwandsentschädigung beträgt dafür 1 500 Euro. Der Aufwand der Teilnehmer beläuft sich dabei laut CGM nicht nur auf den Austausch der Nachrichten, sondern umfasst beispielsweise auch die Teilnahme an einer Informationsveranstaltung und gegebenenfalls eine Unterbrechung des Praxisbetriebs während der Installation. Dann können sie sowohl Nachrichten und Dateien (bis maximal 25 MB) als auch mittels eHBA oder der Praxis- beziehungsweise der Institutionskarte (SMC-B) signierte Dokumente über eine verschlüsselte E-Mail sicher über die TI austauschen. KIM verschlüsselt und signiert die E-Mails automatisiert im Hintergrund. Der Fachdienst kann jedoch auch direkt in die Praxissoftware integriert werden.

Die KV Nordrhein hat indes nicht nur mit CGM als KIM-Provider einen Kooperationsvertrag geschlossen, sondern auch mit den übrigen potenziellen Anwärtern (DGN/eHealth Experts, Telekom, Akquinet und Rise). Ziel sei es, über die gematik-Testvorgaben hinaus zu prüfen, ob die verwendeten Komponenten auch mit den E-Health-Konnektoren der Mitbewerber zusammenarbeiten und interoperabel seien, erläutert Gilbert Mohr, Leiter der Stabsstelle E-Health bei der KV Nordrhein, gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt. „Im Feldtest der gematik wird noch keine Interoperabilität getestet.“

Darüber hinaus hat der Gesetzgeber im DVG auch der KBV gestattet, als Provider tätig zu werden und einen KIM-Dienst für die KV-Mitglieder zu entwickeln und anzubieten. Ein entsprechendes Projekt hat die KBV nicht der KV.digital übertragen, sondern ausgeschrieben und an die Firma Akquinet vergeben.

KIM soll künftig auch den Versand von weiteren Formularen, Befunden, Abrechnungen oder Bildern ermöglichen. So erpoben die KV Westfalen-Lippe und CGM derzeit in einem anderen Feldtest den E-Medikationsplan und das Notfalldatenmanagement. Die KV Nordrhein will zudem „mit einer Handvoll Ärzte auch die KV-Abrechnung ausprobieren“, so Mohr.

Einen Durchbruch für den neuen Kommunikationsdienst dürfte jedoch vor allem die elektronische Arbeitsunfähigkeitbescheinigung (eAU) bringen: Ab 2021 soll der Versand der eAU zur Krankenkasse über KIM laufen. Darauf haben sich die Vertragspartner der Selbstverwaltung kürzlich verständigt. Dabei handelt es sich um eine Massenanwendung, denn jährlich werden circa 80 Millionen Bescheinigungen ausgestellt. Laut Mohr stehen Feldtests mit der eAU im zweiten Halbjahr auf dem Programm. Mit im Boot ist dann unter anderem die AOK Rheinland-Hamburg.

Indessen gibt es für den E-Arztbrief und die eAU zurzeit immer noch keine abgestimmte Definition der Metadaten, bemängelt IT-Experte Mohr. Anders als etwa für den E-Arztbrief per KV-Connect sind auch keinerlei Zertifizierungsvorgaben und Richtlinien veröffentlicht. „Es braucht eine übergeordnete Standardisierung der KIM-Anwendungen. Da sind wir zehn Wochen vor der Einführung des E-Arztbriefs erst am Anfang“, konstatiert IT-Experte Mohr.

Arztbriefe digital signieren

Entwarnung gibt Mohr jedoch bei der für den E-Arztbrief obligatorischen QES. Zwar ist die Komfortsignatur noch nicht verfügbar. Diese wäre insbesondere für unterzeichnete Dokumente erforderlich, die dem Patienten unmittelbar ausgehändigt werden, wie das E-Rezept. Für den E-Arztbrief können Ärzte und Psychotherapeuten hingegen die Stapelsignatur nutzen: Sie sammeln die erstellten Briefe und signieren sie erst am Ende des Tages vor dem Versand, indem sie einmal eine sechsstellige PIN ins Kartenlesegerät eingeben. Heike E. Krüger-Brand

Neue Regeln für Versand von E-Arztbriefen ab 1. Juli 2020

  • Übermittlungsdienst KIM: E-Arztbriefe sollen künftig nur noch über den Übermittlungsdienst „Kommunikation im Medizinwesen“ (KIM; früher KOM-LE) versandt werden. KIM wird von der gematik für die Telematikinfrastruktur zugelassen und soll für größtmögliche Sicherheit sorgen.
  • Finanzierung des Übertragungsdienstes: Die Krankenkassen zahlen eine Betriebskostenpauschale von 23,40 Euro pro Quartal je Praxis. Ärzte und Psychotherapeuten erhalten für die Einrichtung von KIM zusätzlich einmalig 100 Euro je Praxis.
  • E-Arztbrief-Förderung: Um den Umstieg auf die elektronische Kommunikation zu fördern, werden E-Arztbriefe ab 1. Juli besser bezahlt als Faxe. Ärzte und Psychotherapeuten erhalten weiterhin 28 Cent für den Versand (GOP 86900) und 27 Cent für den Empfang (GOP 86901) je Brief. Für beide Pauschalen gilt ein gemeinsamer Höchstwert von 23,40 Euro je Quartal und Arzt. Mehr Geld bekommt der Arzt oder Psychotherapeut nicht erstattet, auch wenn er mehr E-Arztbriefe versandt und/oder empfangen hat.
  • Strukturförderpauschale: Neu ist eine auf drei Jahre befristete Strukturförderpauschale. Danach wird jeder versendete E-Arztbrief zusätzlich mit einem EBM-Punkt (10,99 Cent) gefördert (GOP 01660). Die knapp elf Cent je Brief werden für jeden Brief extrabudgetär und unbegrenzt gezahlt – also auch dann, wenn die Praxis den Höchstwert von 23,40 Euro erreicht hat.
  • Hinweis zu KV-Connect: Für die Übermittlung von E-Arztbriefen gilt die Richtlinie elektronischer Arztbrief der KBV. Danach sind die Pauschalen bis zur Verfügbarkeit von KIM vorerst auch noch für versendete und empfangene E-Arztbriefe über KV-Connect abrechenbar.
Themen:

Fachgebiet

Zum Artikel

Der klinische Schnappschuss

Alle Leserbriefe zum Thema

Stellenangebote