POLITIK: Kommentar
Präimplantationsdiagnostik: Am Rande der schiefen Bahn


Die Absichten der wohlwollenden Ärzte, die ihren Patientinnen und Patienten zu einem von Krankheit möglichst nicht belasteten Kind verhelfen wollen, sind glaubhaft. Doch wenn mit PGD die Grenze zur Selektion ungeborenen Lebens überschritten wird - und das wird sie, man mag noch so verhüllende Bezeichnungen wählen -, dann wird die Entwicklung von den wohlwollenden, wohlmeinenden Wissenschaftlern und Ärzten nicht mehr zu steuern sein. Mit PGD kommt, man mag das bedauern oder insgeheim befürworten, die verbrauchende Forschung an Embryonen, etwa mit der Argumentation: Weshalb Embryonen, die sich als "defekt" erwiesen haben, vernichten, können sie doch für weitergehende Forschung noch gute Dienste leisten. Mit PGD wird schließlich die schiefe Bahn zur Eugenik beschritten, wird zudem ein Tabu gebrochen, das nach den NS-Untaten errichtet wurde. Der Wissenschaftliche Beirat und die Bundesärztekammer erklären zwar ausdrücklich, sie hätten Eugenik nicht im Sinn; doch wenn Embryonen nach genetischen "Defekten" untersucht und gegebenenfalls ausgesondert werden, dann ist der Weg eingeschlagen. Und er wird immer breiter. Man wird erwarten dürfen, dass der Katalog von Krankheiten, die mit PGD diagnostiziert werden können, immer weiter ausgedehnt wird, allein schon weil die wissenschaftlichen Erkenntnisse wachsen. Aber auch, weil die Vorstellungen darüber, was "defekt" oder was "gesund" ist, weit auseinander gehen. Der Wissenschaftliche Beirat hat sich nicht getraut, und zwar aus guten Gründen, einen Indikationskatalog aufzustellen. Das heißt aber auch, dass man im Einzelfall demnächst unterschiedlich entscheiden wird, ob beispielsweise beim DownSyndrom der Embryo verworfen werden kann oder nicht. Und wer will eigentlich verhindern, dass nebenbei auch nach dem Geschlecht gesucht und entschieden wird?
Die Diskussion um PGD trifft in eine seit Jahren von philosophischer Seite angestoßene Debatte über Selektion von Leben, erinnert sei etwa an Singer oder jüngst Birnbacher. Mit der Diskussion um PGD werden auch die Forderungen nach verbrauchender Embryonenforschung wieder belebt werden, die seinerzeit zu den strengen Regelungen des Embryonenschutzgesetzes führten. In der Diskussion um PGD in Deutschland wird mit Sicherheit das Argument hochkommen, im Ausland sei das aber alles erlaubt. Folgt man diesem Argument, dann wird man auf die Dauer mit dem ethischen Minimum nicht nur bei der Auswahl ungeborenen Lebens leben müssen. Norbert Jachertz
Tabelle
Präimplantationsdiagnostik im europäischen Vergleich
PGD PGD Gesetz Gesetzes zulässig unzulässig vorhaben
Großbritannien ja ja
Dänemark ja ja
Norwegen ja ja
Schweden ja ja
Italien ja ja
Spanien ja ja
Portugal ja ja
Frankreich ja ja
Belgien ja
Niederlande ja
Griechenland ja
Österreich ja ja
Schweiz ja ja
Deutschland fraglich ja
modifiziert nach Simon 1999
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