ArchivDeutsches Ärzteblatt9/2000Internationaler Suchtstoff-Kontrollrat: Restriktive Drogenpolitik

POLITIK: Aktuell

Internationaler Suchtstoff-Kontrollrat: Restriktive Drogenpolitik

Richter, Eva A.

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LNSLNS Der Welt-Drogen-Bericht beschäftigt sich hauptsächlich mit der Medikamentenüber- und -
unterversorgung.


Während es Überversorgung und Missbrauch von Medikamenten in den reichen Industrienationen gibt, mangelt es im Gegensatz dazu an Schmerzmitteln in den Entwicklungsländern. Der Internationale Suchtstoffkontrollrat (International Narcotics Control Board, INCB) äußerte sich in seinem jährlichen Welt-Drogen-Bericht besorgt darüber, dass viele Menschen, denen Betäubungsmittel von großem Nutzen wären, keinen Zugang dazu haben. Gerade bei Krebspatienten in den letzten Stadien der Krankheit hätten sich schmerzlindernde Medikamente, wie Morphin und andere Opiate, bewährt. Anlass zur Besorgnis gebe auch der hohe Konsum von Amphetaminen und anderen Stimulanzien für das Nervensystem in Amerika sowie von Benzodiazepinderivaten in Europa. Die Ursachen für dieses Ungleichgewicht sieht der Rat einerseits in den unzureichenden finanziellen Möglichkeiten der Entwicklungsländer sowie im niedrigeren Niveau der Gesundheitsversorgung. Andererseits führten aggressive Marketingstrategien pharmazeutischer Unternehmen und unlautere medizinische Praktiken zu einer solchen Diskrepanz. In seinem Bericht ruft der Rat internationale Hilfsorganisationen auf, dringend benötigte Schmerzmittel für die ärmsten Länder zu spenden. Nach Schätzungen der WHO werden bis zum Jahr 2015 zwei Drittel der jährlichen Krebserkrankungen in Entwicklungsländern auftreten. Die Forschung habe gezeigt, dass bei 75 bis 90 Prozent aller Krebspatienten Schmerztherapien mit Opiaten erfolgreich sind. Der Internationale Suchtstoff-Kontrollrat fordert die Regierungen auf, ein Drogenversorgungssystem zu schaffen, das den internationalen Regelungen entspricht und in dem Betäubungsmittel für medizinische Zwecke ausreichend und preisgünstig erhältlich sind.
Der Rat besteht aus 13 Mitgliedern, die von den Regierungen der einzelnen Länder und von der WHO nominiert werden, und sieht sich als Hüter der UNO-Drogen-Abkommen von 1961, 1971 und 1988. Sein Ziel sei es, die Selbstverpflichtung der Länder, den Drogenmissbrauch bis zum Jahr 2008 zu verringern, zu wahren und den Drogenkonsum auf medizinische Anwendungen zu beschränken, betonte Dr. Oskar Schröder, Mitglied im Internationalen Suchtstoff-Kontrollrat für Deutschland.
Als "gravierendes Problem" bezeichnet das INCB die zu beobachtende Überversorgung mit Medikamenten in den entwickelten Ländern. Die Liste des jährlichen Morphinverbrauchs für medizinische Zwecke wird von Dänemark mit 74,4 g je 1 000 Einwohner angeführt, gefolgt von Kanada (46,1 g) und Portugal (42,2 g). Deutschland befindet sich mit jährlich 15 g je 1 000 Einwohner an fünfzehnter Stelle.
"Operation Purple"
Zudem informierte das INCB über die unter dem Codenamen laufende internationale Aktion "Operation Purple", die bereits mehrfach verhindern konnte, dass Kaliumpermanganat, das für die illegale Herstellung von Kokain verwendet wird, in den Besitz von Schwarzhändlern gelangt. Alle größeren grenzüberschreitenden Lieferungen werden überwacht; dabei unterstützt die Internationale Kriminalpolizeiliche Organisation und die Weltzollorganisation die Aktion. Da Kaliumpermanganat während der Verarbeitung seine Farbe so stark ändert, dass das Ende der Reaktion selbst für Laien erkennbar ist, wird die Chemikalie für die unerlaubte Herstellung von Kokain gern benutzt. Angesichts des Erfolges von "Operation Purple" wurde beschlossen, sie unbefristet zu verlängern. Die Phase II der Aktion ist im Januar 2000 angelaufen. Durch ein ähnliches globales Programm soll verhindert werden, wasserfreie Essigsäure, die für die Herstellung von Heroin sehr wichtig ist, abzuzweigen und zu verbreiten. Dr. med. Eva A. Richter

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