SUPPLEMENT: Perspektiven der Dermatologie
THEMA: COVID-19-Pandemie – Auch die Haut reagiert


Bis zu 20 % der stationär behandelten Patienten weisen Hauterscheinungen auf. Ob es sich um spezifische Zeichen der COVID-19-Erkrankung oder möglicherweise um Medikamentennebenwirkungen handelt, ist noch unklar. Fünf Muster sind offenbar typisch.
Husten, Schnupfen, Fieber – diese Symptome einer Infektion mit dem SAR-CoV-2-Virus sind bekannt; auch dass sich bei etwa 2 % der Patienten die COVID-19-Pneumonie entwickelt. „Vielfach unbekannt ist jedoch, dass im Rahmen von COVID-19 auch Hauterkrankungen auftreten können“, so Prof. Peter Elsner, Direktor der Klinik für Hauterkrankungen am Universitätsklinikum Jena. Nach Berichten aus den schwerbetroffenen Ländern wie China, Italien oder Spanien wiesen bis zu 20 % der wegen COVID-19 stationär behandelten Patienten Hauterscheinungen auf. „Dies waren vor allem ein Ausschlag mit Rötungen und Knötchen, eine generalisierte Nesselsucht und Bläschen wie bei Windpocken“, berichtet Elsner (1).
Ob es sich dabei um spezifische Zeichen der COVID-19-Infektion oder möglicherweise um Medikamentennebenwirkungen handele, sei jedoch noch unklar. „Einige Patienten mit schweren Verläufen können auch Hautblutungen, Gefäßverschlüsse an Fingern und Zehen oder eine marmorierte Hautverfärbung entwickeln, was auf eine Beteiligung kleiner Gefäße und deren Verschluss hinweisen kann.“ Da diese Gefäßveränderungen auch an der Lunge beschrieben wurden, könnten Hautveränderungen bei einer SAR-CoV-2-Infektion wichtige Hinweise auf Komplikationen interner Organe geben. Elsner empfiehlt daher, dass beim Auftreten von Hautveränderungen im Verlauf einer COVID-19-Infektion ein Dermatologe konsiliarisch hinzugezogen wird, um die Diagnose gegebenenfalls per Biopsie zu sichern.
Grundsätzlich können Virusinfektionen neben grippalen Beschwerden auch juckende Hautausschläge auslösen, erklärt Prof. Dr. Alexander Kreuter, Chefarzt der Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Helios St. Elisabeth Klinik Oberhausen. Im Zusammenhang mit COVID-19 beobachte man nun ebenfalls zunehmend dermatologische Auffälligkeiten – diesmal jedoch auch unübliche Symptome, die „Frostbeulen“ (Perniones) ähnlich sehen. „Bei den aktuell warmen Temperaturen ein eher unübliches Krankheitsbild“, so Kreuter. Besonders bei jungen COVID-19-Patienten zeigten sich an Füßen und Fingern dunkelrote bis bläuliche geschwollene Veränderungen. „Manch einer nennt es schon den Corona-Zeh“, ergänzt Kreuter. Auch die Oberhausener Hautklinik würde zunehmend von Praxen und anderen Krankenhäusern zu dieser Symptomatik angefragt: „In den meisten Fällen heilen die Veränderungen nach rund einer Woche selbstständig wieder ab, ohne bleibende Schäden wie Verfärbungen oder Narben zu hinterlassen. Neben diesen Veränderungen kann Sars-CoV-2 jedoch auch sehr unspezifische juckende Ausschläge mit Bläschen oder Knötchen oder Nesselsucht verursachen.“
„Das bedeutet aber natürlich nicht sofort, dass Husten und Hautausschlag ein sicheres Anzeichen für das Vorliegen einer Infektion mit SARS-CoV-2 sind. Aber bei einer fraglichen Infektsymptomatik können Hautveränderungen, die wie klassische Frostbeulen oder eine seltene Form eines Chilblain-Lupus (Frostbeulenlupus) aussehen, für die Differenzialdiagnose COVID-19 ein Hinweis sein – besonders bei jüngeren Betroffenen“, betont Kreuter (2).
Bereits im März haben italienische Dermatologen entsprechende Beobachtungen publiziert. Danach traten bei etwa 20 % der Patienten mit COVID-19 im Alessandro-Manzoni-Krankenhaus in Lecco, Norditalien, Hautmanifestationen auf (3). Von diesen wiesen 44 % der Betroffenen bereits zu Symptombeginn von COVID-19 Hautausschläge auf. Bei den Ausschlägen handelte es sich bei 14 Patienten (78 %) um rote Flecken, bei 3 um ausgedehnte Urtikaria und einer wies windpockenähnliche Bläschen auf. Der am häufigsten betroffene Bereich war der Rumpf. Juckreiz war leicht oder gar nicht vorhanden und die Läsionen heilten gewöhnlich innerhalb weniger Tage ab. Am wichtigsten war, dass die Hautmanifestationen nicht mit dem Schweregrad der Erkrankung korrelierten.
Aber: Hautmanifestationen können auch die Diagnose von COVID-19 erschweren, so thailändische Dermaologen. Sie beschreiben einen Fall einer COVID-19-Infektion in einem Krankenhaus in Bangkok, der sich als Dengue-Fieber maskiert hatte. Die betreffende Person wies nur einen Hautausschlag, Petechien und eine niedrige Thrombozytenzahl auf – was als Dengue diagnostiziert wurde, „weil es genauso aussah“, so die Autoren um Dr. Beuy Joob vom Sanitation Medical Academic Center in Bangkok (4). Die richtige Diagnose, COVID-19, wurde in einem tertiären Versorgungszentrum gestellt, nachdem der Patient mit zusätzlichen Atembeschwerden eingeliefert worden war.
Ähnliche Berichte gibt es auch in den Vereinigten Staaten. „Viele haben sich gefragt, ob COVID-19 mit besonderen Hautveränderungen einhergeht. Die Antwort ist ja“, sagt Prof. Dr. Randy Jacobs, Dermatologe an der University of California, Riverside. „Bei COVID-19 können Anzeichen für den Verschluss kleiner Blutgefäße auftreten. Dabei kann es sich um Petechien oder winzige Blutergüsse und vorübergehende livide verfärbte Hautveränderungen handeln“, sagte er in einem Interview (5). Ob dies neurogen, mikrothrombotisch oder immunkomplexvermittelt sei, sei unbekannt, doch es ist „ein Hautbefund, der Ärzten bei der Behandlung ihrer Patienten mit COVID-19-Symptomen helfen kann“, so Jacobs.
Von Hautläsionen im Zusammenhang mit COVID-19 berichten auch französische Dermatologen. Nach bislang vorliegenden Informationen treten sie meist bei jungen, asymptomatischen oder nicht schwerwiegend erkrankten Patienten auf. Auch treten die Läsionen eher spät im Krankheitsverlauf in Erscheinung. Bei den beobachteten Läsionen handele es sich um Hautveränderungen, die Frostbeulen ähneln, um plötzlich auftretende anhaltende Rötungen, die manchmal schmerzhaft sind, und vorübergehende Urtikaria, so das Syndicat National des Dermatologistes-Vénéréologues (SNDV) (6).
Spanische Dermatologen sehen fünf typische klinische Muster
Dr. Cristina Galván Casas vom Hospital Universitario de Móstoles in Madrid und Kollegen haben nun in einem Konsensusverfahren mit 4 Dermatologen unerklärliche Hautveränderungen bei 375 Patienten aus ganz Spanien mit vermuteter oder bestätigter SARS-CoV-2-Infektion analysiert (7). Die Auswertung der Fotos ergab 5 klinische Muster von Hauterkrankungen, die dann in Beziehung zu den klinischen Daten der COVID-19-Erkrankung gesetzt wurden. Die Mortalitätsrate der Patienten lag insgesamt bei 1,9 %.
1. Pseudo-Frostbeulen: Akrale erythematöse Schwellungen mit einigen Vesikeln und Pusteln wurden bei 19 % der Patienten beobachtet. Die asymmetrisch an Händen und Füßen auftretenden frostbeulenähnlichen Veränderungen (Pseudo-Chilblain) kamen vorwiegend bei jüngeren Patienten mit geringerer COVID-19-Symptomatik vor. Sie bildeten sich erst im späteren Verlauf der Erkrankung für durchschnittlich 12,7 Tage aus. Bei etwa einem Drittel der Betroffenen waren die Hautveränderungen schmerzhaft oder verursachten Juckreiz.
2. Andere vesikuläre Eruptionen: Bei 9 % der Patienten entstanden kleine monomorphe Vesikel mit hämorrhagischem Inhalt, die sich ausbreiteten – zum Teil am Rumpf, aber auch an den Extremitäten. Von diesen häufig juckenden Hauterscheinungen – den Windpocken ähnlich – waren Patienten mittleren Alters betroffen. Die Läsionen waren durchschnittlich 10,4 Tage erkennbar.
3. Quaddeln: Urtikarielle Läsionen fanden sich bei 19 % der Patienten und waren häufig mit einem schweren Verlauf der Covid-19-Erkrankung assoziiert. Meistens hatten die Betroffenen am Rumpf, in einigen Fällen auf der Handinnenseite damit zu kämpfen – vorwiegend mit Juckreiz.
4. Makulopapuläre Eruptionen: 47 % der Patienen wiesen unterschiedlich ausgeprägte Schuppungen der Haut sowie punktförmige oder großflächige Rötungen auf. Auch diese Läsionen wurden bei schweren Verläufen der Covid-19-Erkrankung beobachtet, bei denen mehrere Medikamente zum Einsatz kamen. Somit könne nicht ausgeschlossen werden, so die spanischen Dermatologen, dass diese Hautreaktionen Ausdruck einer Arzneimittelnebenwirkung seien.
5. Livedo oder Nekrose: Ischämien an Rumpf und Akren, die klinisch einer okklusiven Gefäßerkrankung entsprechen, traten bei 6 % der COVID-19-Patienten auf. Die Mortalität in dieser Gruppe lag bei 10 %.
Zusammenfassend wiesen die Autoren darauf hin, dass es für ein einzelnes Virus unüblich sei, verschiedene klinische Muster von Hautveränderungen hervorrufen. Allerdings: Nur selten wiesen Patienten unterschiedliche Läsionen gleichzeitig auf. ▄
DOI: 10.3238/PersDerma.2020.06.12.06
Dr. med. Vera Zylka-Menhorn
Literatur im Internet:
www.aerzteblatt.de/lit2420
1. | Elsner P: DDG zu Hautsymptomen bei COVID-19-Erkrankung. Mitteilung vom 21. April 2020. https://derma.de/fortbildung/kalender/uebersicht/detail/news/ddg-zu-hautsymptomen-bei-covid-19-erkrankung/?tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&cHash=7daf2996590f108033c45ac11163d529 (last accessed on 2 June 2020). |
2. | Helios St. Elisabeth Klinik Oberhausen: Hautveränderungen als Indiz für COVID-19. Pressemitteilung vom 14. Mai 2020. https://www.helios-gesundheit.de/kliniken/oberhausen/unser-haus/aktuelles/detail/news/hautveraenderungen-als-indiz-fuer-covid-19/ (last accessed on 2 June 2020). |
3. | Recalcati S: Cutaneous manifestations in COVID-19: a first perspective. Eur Acad Dermatol Venereol 2020; 34 (5): e212–3 CrossRef MEDLINE |
4. | Job B, Wiwanitkit V: COVID-19 can present with a rash and be mistaken for dengue. J Am Acad Dermatol 2020; 82 (5): e177 CrossRef MEDLINE PubMed Central |
5. | Otto AM: Dengue-Fieber entpuppt sich als COVID-19: Hautausschlag bei Corona-Infektion nicht selten – und kann in die Irre führen. Medscape 22. April 2020. https://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4908820 (last accessed on 2 June 2020). |
6. | Otto AM: Hautläsionen – eher ein spätes Anzeichen der Krankheit? In: Otto AM: Dengue-Fieber entpuppt sich als COVID-19: Hautausschlag bei Corona-Infektion nicht selten – und kann in die Irre führen. Medscape 22. April 2020, Seite 2, Kasten. https://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4908820#vp_3 (last accessed on 2 June 2020). |
7. | Casas CG, et al.: Classification of the cutaneous manifestations of COVID-19: a rapid prospective nationwide consensus study in Spain with 375 cases. Br J Dermatol 2020; 10.1111/bjd.19163. doi:10.1111/bjd.19163 CrossRef MEDLINE PubMed Central |
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