

Im Bundstag wurde ein zweites Gesetzespaket für die Bewältigung der Pandemie verabschiedet. Darin wird ein Bonus für Pflegekräfte und Geld für die Digitalisierung im Öffentlichen Gesundheitsdienst festgelegt. Kritik gibt es an der zusätzlichen Macht für das Bundesgesundheitsministerium.
Mehr Tests, ein Extrabonus für Pflegekräfte, höheres Kurzarbeitergeld: Der Bundestag hat Mitte Mai eine Reihe weiterer Maßnahmen beschlossen, um die Folgen der Pandemie für Millionen Menschen abzufedern. Nach den Plänen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Bundesozialminister Hubertus Heil (SPD) sollen auch für zu Hause betreute Pflegebedürftige, für pflegende Angehörige und für Arbeitslose Erleichterungen kommen. Auch der Bundesrat hat einen Tag nach dem Bundestag den Gesetzen der Bundesregierung zugestimmt. Von der Opposition kam teils deutliche Kritik.
Spiegelbild der Pandemie
Spahn erklärte bereits bei der Verabschiedung des Gesetzes durch das Bundeskabinett, dass mit dem Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite (kurz: Zweites Pandemiegesetz) ein „Spiegelbild der Komplexität dieser Pandemie“ aufgezeigt werde. So regele das Gesetz die personelle Ausstattung von Gesundheitsämtern, Unterstützung von pflegebedürftigen Menschen oder die Zahlung eines Bonus für Pflegekräfte. Spahn sagte im Bundestag, nötig sei eine neue Balance im Alltag: „So viel Normalität wie möglich, so viel Schutz wie nötig.“ Um Infektionsketten früh zu erkennen und zu unterbrechen, würden die Gesundheitsämter gestärkt und mehr Tests in Pflegeheimen ermöglicht. Bundesarbeitsminister Heil hob eine stärkere Unterstützung für 2,5 Millionen Menschen hervor, die Angehörige zu Hause pflegen: „Wir schaffen Erleichterungen in einer schweren Zeit.“
In der Abschlussdebatte zum Gesetz im Bundestag bemängelte die Linke, dass eine Coronaprämie nur an Beschäftigte in der Altenpflege gezahlt werden solle. Ebenso kritisierten sie, dass die Prämie zu niedrig ausfalle und viele Bundesländer oder Arbeitgeber noch keine Zusage für eine Aufstockung der Prämie gegeben haben. Inzwischen haben Brandenburg, Bayern, Hamburg, Schleswig-Holstein und Bremen den Bonus beschlossen. Entsprechende Pläne gibt es außerdem in Hessen und Niedersachsen.
FDP und Grüne warnten vor zu weitgehenden Befugnissen des Gesundheitsministeriums. So erklärte die Gesundheitsexpertin der Grünen, Kirsten Kappert-Gonther, dass es in dem Gesetz zwar einige gute Dinge gebe, aber noch „zu viele Kröten in der Suppe“. Daher werden sich die Grünen bei der Abstimmung enthalten. Für die FDP stellt sich bei diesem Zweiten Pandemiegesetz aus dem Bundesgesundheitsministerium die Frage, ob die Blankobevollmächtigung für den Bundesgesundheitsminister noch verhältnismäßig sei, erklärte die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Christine Aschenberg-Dugnus.
Rechtsverordnung in der Kritik
In der Anhörung sei ganz deutlich geworden, dass das Gesetz verfassungsrechtlich bedenklich sei und die Beteiligungsrechte des Parlaments nicht berücksichtigt würden, so Aschenberg-Dugnus. Daher werde die FDP gegen das Gesetz stimmen. Auch die Linke fragte, „wann die Wiederherstellung der Gewaltenteilung“ erfolge, so Gesundheitspolitiker Harald Weinberg (Linke). In der Anhörung von Experten im Gesundheitsausschuss vier Tage vor der Debatte hatten mehrere Rechtswissenschaftler die Parlamentarier gemahnt, nicht nach dem Ersten Pandemiegesetz nun erneut der Regierung so weitreichende gesetzgeberische Möglichkeiten durch eigenständige Rechtsverordnungen einzuräumen. „Es ist keine Sache von Opposition oder Regierung, es ist eine Sache des Selbstachtungsrechts des Bundestages“, erklärte beispielsweise Prof. Dr. iur. Thorsten Kingreen von der Uni Regensburg. Eigentlich sei das Instrument der Rechtsverordnung als Ergänzung und zur Konkretisierung von Gesetzen gedacht, nicht als komplett eigenständiges Handeln der Exekutive. Mit den geplanten Regelungen könne es sein, dass der Bundestag ein Gesetz beschließt und einen Tag später das BMG diese Beschlüsse kassiert, warnte Kingreen.
Die AfD warf der Großen Koalition vor, mit ihrer Krisenpolitik Angst, Hysterie und Depression zu erzeugen. „Sie suggerieren eine permanente Krise, die es so gar nicht gibt“, erklärte Robby Schlund, Gesundheitspolitiker der AfD-Bundestagsfraktion. Schlund bezog dies besonders auf seinen Wahlkreis Greiz, der derzeit mit hohen Infektionszahlen in den Schlagzeilen ist.
Erfolgreiche erste Stufe
Spahn widersprach: „Wenn ich Abgeordneter Ihres Wahlkreises wäre, dann würde ich mir große Sorgen machen“, so der Minister unter Applaus der anderen Bundestagsfraktionen. Er verteidigte dagegen die Maßnahmen der Bundesregierung: „Ein Virus wie dieses bekämpft man doch nicht, indem man es leugnet.“ Es sei gelungen, die Infektionsdynamik aufzuhalten. Und dazu brauche es ausreichende Tests.
Mit Ausnahme der AfD bewerteten alle Abgeordneten in der Debatte die Situation so, dass man erst eine erste Stufe oder Phase der Pandemie erreicht habe. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Karin Maag, betonte, dass „wir auf einer ersten Stufe erfolgreich“ gewesen seien. „Hoffentlich setzen wir diesen Weg fort.“
SPD-Sprecherin und Ärztin Sabine Dittmar erläuterte: „Wir haben einen Etappensieg erreicht und sind mitten in der Pandemie. Als Ärztin sage ich Ihnen, nehmen Sie das Coronavirus nicht auf die leichte Schulter. Widersprechen Sie aktiv den Verschwörungstheorien.“
Obwohl die FDP das Gesetz für falsch hält, sehe auch ihre Partei, dass „wir noch nicht durch sind“, so Aschenberg-Dugnus. Für Linken-Politiker Weinberg ist „es eine neue Etappe in der Pandemie“. Spahn appellierte, dass man es nicht als hoch genug einschätzen solle, wie viel schon erreicht sei. „Das macht uns demütig und stolz“, erklärte er im Bundestag. Rebecca Beerheide
Zweites Pandemiegesetz
Mit den Gesetzen aus der Gesundheitspolitik sowie dem Arbeitsministerium sind folgende Neuregelungen mit Stimmen der Regierungsfraktionen verabschiedet worden:
- Pflegebonus: Beschäftigte in der Altenpflege sollen in diesem Jahr eine gestaffelte Prämie von bis zu 1.000 Euro bekommen. Die Höhe richtet sich nach Funktion und Arbeitszeit. Die Kosten werden mit rund einer Milliarde Euro veranschlagt. Länder oder Arbeitgeber können den Bonus auf bis zu 1.500 Euro aufstocken, die steuerfrei bleiben würden. Mehrere Länder haben es schon angekündigt.
- Tests: Im Umfeld besonders gefährdeter Menschen soll mehr getestet werden, zum Beispiel in Pflegeheimen. Außerdem sollen Tests auf Kosten der gesetzlichen Krankenkassen nicht mehr nur bei begründetem Verdacht gemacht werden können, sondern auch symptomunabhängig.
- Meldepflichten: Um ein besseres Lagebild zu bekommen, müssen Labore und Ärzte den Gesundheitsämtern künftig nicht mehr nur Verdachtsfälle einer Infektion, bestätigte Fälle und Todesfälle melden − sondern auch negative Testergebnisse. Die bundesweit 375 Gesundheitsämter bekommen insgesamt 50 Millionen Euro vor allem für eine bessere digitale Ausstattung, um die Nachverfolgung von Infizierten besser leisten zu können.
- Unterstützung der Pflege: Pflegeunterstützungsgeld als Lohnersatz für Arbeitnehmer, die kurzfristig Angehörigen pflegen müssen, wird bis Ende September 20 statt 10 Tage lang gezahlt. Das Recht, wegen einer akuten Pflegesituation in der Familie nicht zur Arbeit zu gehen, wird ebenso auf 20 Tage verlängert.
- Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1, die zu Hause betreut werden, sollen zudem den monatlichen Entlastungsbetrag von 125 Euro, der für bestimmte Aufwendungen gedacht ist, befristet auch flexibler einsetzen können. Nicht in Anspruch genommenes Geld soll länger angespart werden können.
- Grippevorsorge: Für die kommende Grippesaison 2020/2021 soll eine größere Reserve an Impfstoff für die übliche Influenza eingeplant werden. Das soll verhindern, dass eine große Grippewelle mit der Behandlung von Coronapatienten in den Kliniken zusammentrifft.
- Privatpatienten: Die Krise könnte viele privat versicherte Selbstständige und Kleinunternehmer zwingen, wegen finanzieller Probleme in einen günstigeren Basistarif ihrer Krankenkasse mit weniger Leistungen zu wechseln. Sie sollen einfacher − ohne erneute Gesundheitsprüfung − in den Ursprungstarif zurückwechseln können.
- Kurzarbeitergeld: Wer länger in Kurzarbeit muss, soll stärker vor Lohneinbußen bewahrt werden. Bisher gibt es 60 Prozent des letzten Nettolohns oder 67 Prozent für Menschen mit Kindern. Künftig sollen es ab dem vierten Monat des Bezugs 70 Prozent oder 77 Prozent sein − ab dem siebten Monat 80 Prozent oder 87 Prozent. Gezählt wird rückwirkend ab März.
- Arbeitslosengeld: Das Arbeitslosengeld für diejenigen soll um drei Monate verlängert werden, deren Anspruch zwischen dem 1. Mai 2020 und dem 31. Dezember 2020 enden würde. Die Erhöhung des Kurzarbeitergeldes sowie die Verlängerung beim Arbeitslosengeld kostet die Bundesagentur für Arbeit zusammen zusätzliche gut 2,6 Milliarden Euro.