ArchivDeutsches Ärzteblatt PP6/2020Pesso-Therapie: Eine eigenständige Schule

BÜCHER

Pesso-Therapie: Eine eigenständige Schule

Weier, Günter

Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...
LNSLNS

„Eine ganz eigenständige Schule ist die Pesso-Therapie“ – so hat Ulfried Geuter dieses Therapiekonzept in seinem Buch über Körperpsychotherapie (2015) charakterisiert. Und in der Tat erschließt sich diese Feststellung den Leserinnen und Lesern dieses Büchleins ziemlich rasch. Schon die Aufmachung weckt Interesse. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapie, Uta Noichl, und ihr Sohn Maximilian, ein angehender Wissenschaftsphilosoph, haben Veronika Szücs beauftragt, Illustrationen zu den Inhalten anzufertigen. So ist eine gelungene Mischung aus anspruchsvollem Text und begleitenden, anschaulichen Grafiken entstanden. Hier ergibt sich eine aufschlussreiche Parallele zur Pesso-Boyden-Therapie (da Diane Boyden das Theorie- und Therapiekonzept zusammen mit ihrem Mann Albert Pesso entwickelt hat, wird sie berechtigterweise mitgenannt – die Bezeichnung „Pesso-Therapie“ ist eine Kurzform): Neben dem wissenschaftlichen und philosophischen Standbein verfügt diese Therapie über eine künstlerische Ausrichtung. Die Leser brüten also nicht mit unzähligen Knoten im Kopf über dem Text, ihre Stimmung bleibt oder wird immer wieder aufgehellt durch humorvolle künstlerisch-grafische Abbildungen.

Dabei hat das Ehepaar Pesso ein elaboriertes Therapiemodell entwickelt, in das sich gute Pesso-Boyden-Therapeuten langjährig eingearbeitet haben. Die Autoren beschreiben, was alles berücksichtigt und was zusätzlich zu den „anerkannten“ Methoden eingeübt werden muss: Eine besondere Technik ermöglicht, Übertragungs-Gegenübertragungs-Verstrickungen in der Patient-Therapeut-Beziehung abzumildern. Ferner werden vor dem Hintergrund einer Bedürfnispsychologie die Entwicklungsdefizite aufgespürt, die schon vom Beginn des Lebens in der vorsprachlichen Zeit im Körper als Gedächtnis, Muster und Einstellung verwachsen sind und sich seitdem aufgrund entsprechender Wahrnehmungsprägungen als unbewusste Wiederholungen verstärken. In einem Kapitel wird eine therapeutische Einheit – Struktur genannt – in einem „Comic“ auf zwei Seiten dargestellt. Angestrebt wird eine neue Erfahrung auf der symbolischen Ebene. Die körperbasierte Therapie erhält szenische Elemente, in der Gruppenteilnehmer vordefinierte Rollen ausüben. Wichtig ist, dass sich der Patient in „Strukturgefühlen“ befindet, damit er das annehmen kann, was er gebraucht hätte. Erst dann kann die Therapie wirksam werden. Günter Weier

Uta Noichl, Maximilian Noichl: Pesso für alle! Wie die Pesso-Therapie zu einem glücklichen, selbstbestimmten Leben verhilft. Psycho- sozial-Verlag, Gießen 2019, 73 Seiten, kartoniert, 19,90 Euro

Fachgebiet

Zum Artikel

Der klinische Schnappschuss

Alle Leserbriefe zum Thema

Stellenangebote