MEDIZINREPORT
PCR-Tests auf SARS-CoV-2: Ergebnisse richtig interpretieren


Der tatsächliche positive oder negative Vorhersagewert eines PCR-Tests hängt nicht allein von seiner operativen Genauigkeit ab. Maßgeblich ist auch die Vortestwahrscheinlichkeit, die angibt, wie hoch das geschätzte Risiko für eine Erkrankung vor dem Test ist.
Für die schnelle Detektion einer akuten Infektion mit SARS-CoV-2 werden weltweit verschiedene qRT-PCR-Assays (quantitative Reverse-Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion) eingesetzt. Im vergangenen Monat wurden allein im Verband der Akkreditierten Labore in der Medizin pro Woche zwischen 270 000 (KW 18) und 365 000 (KW 20) PCR-Tests auf SARS-CoV-2 durchgeführt. Ob ein Mensch als SARS-CoV-2-positiv oder -negativ gilt, hat Auswirkungen nicht nur für den Betroffenen, sondern auch für sein familiäres, soziales und berufliches Umfeld.
Da kein Test 100-prozentig sicher ist, muss das dem Betroffenen mitzuteilende Testergebnis in seinem Kontext interpretiert werden. Dies ist umso wichtiger, je höher in einer Population die Erkrankungswahrscheinlichkeit ist, führen in einem Praxishinweis im British Medical Journal (BMJ) Jessica Watson und Kollegen aus (1). Ihre Arbeit gibt praktischen Ärzten Hilfestellung bei der folgenschweren Frage: Mit welcher Wahrscheinlichkeit ist eine positiv getestete Person tatsächlich positiv und eine negativ getestete tatsächlich negativ? Im Fokus stehen zwei Faktoren.
Probenahme und Genauigkeit
RT-PCR-Tests weisen virale RNA nach. Für die operative Zuverlässigkeit des Tests selbst sind die Sensitivität und die Spezifität wesentliche Parameter. Die Sensitivität ist der Prozentsatz, mit dem eine erkrankte Person als positiv getestet wird. Ein Test mit einer Sensitivität von 98 % identifiziert 98 von 100 Infektionen und 2 nicht. Die Kehrseite eines hoch sensitiven Tests: Er kann viele falsch-positive Befunde liefern, wenn er nicht spezifisch genug ist. Die Spezifität ist der Prozentsatz, zu dem nich infizierte Personen als gesund erkannt werden. Ein Test mit einer Spezifität von 95 % liefert bei 5 von 100 Gesunden ein falsch-positives Ergebnis.
Bei Angaben zu Sensitivität und Spezifität der in Deutschland verwendeten PCR-Tests halten sich sowohl das Robert Koch-Institut als auch das nationale Konsiliarlabor am Institut für Virologie der Charité bedeckt. Die oft zitierte, nahezu 100-prozentige Sensitivität unter Laborbedingungen dürfte in der Praxis nie erreicht werden, schon weil beim Testen selbst erhebliche Unsicherheitsfaktoren hinzukommen. So weist beispielsweise jeder Test die Viren nur in einem bestimmten Zeitfenster nach.
So enthielten Abstrichproben vom Rachen vermehrungsfähige Viren bis zum 4., aus dem Sputum bis zum 8. Tag nach Symptombeginn (2). Falsch-negative Ergebnisse könnten auch aufgrund schlechter Probenqualität oder unsachgemäßem Transport nicht ausgeschlossen werden, warnt das Robert Koch-Institut unter seinen Hinweisen zur Testung. Empfohlen wird bei Patienten mit initial negativem PCR-Test, aber begründetem Verdacht auf eine SARS-CoV-2-Infektion eine Wiederholung des Tests (3).
Ein systematischer Review, der 957 negativ getestete Personen durch einen wiederholten Abstrich überprüfte, fand in den 5 Einzelstudien eine Rate initial falsch-negativer Ergebnisse zwischen 2 % und 29 %. Das entspricht einer „effektiven“ Sensitivität der Tests zwischen 71 % und 98 % (4). Bei dieser niedrigen Sensitivität und moderaten Spezifität habe ein positiver PCR-Test auf SARS-CoV-2 mehr Gewicht als ein negatives Resultat, betonen die Autoren im BMJ. Umgekehrt solle man sich bei einem Patienten mit verdächtigen Symptomen niemals auf ein einziges negatives Testergebnis verlassen.
Die Vortestwahrscheinlichkeit
Um die wirkliche Erkrankungswahrscheinlichkeit, ausgedrückt als positiver oder negativer Vorhersagewert nach einem Test, zu beurteilen, sollten Ärzte die Vortestwahrscheinlichkeit hinzuziehen (das gilt nicht nur für COVID-19). Das geschätzte Risiko für die Erkrankung ergibt sich zum einen durch die klinische Einschätzung der betroffenen Person und ihres Umfeldes: Hatte die Kontakt mit Infizierten, kommt sie aus einem Risikogebiet? Sind ihr Alter, die Symptome und Befunde mit COVID-19 vereinbar? Bestehen Vorerkrankungen, kommen Differenzialdiagnosen infrage?
Des Weiteren ist die Prävalenz der Erkrankung in der Population relevant. Im Patientengut eines Allgemeinarztes in der Uckermark wird die Prävalenz von COVID-19 von vornherein niedriger zu schätzen sein als in einem Altersheim mit bereits einigen infizierten Bewohnern. Um den starken Einfluss der geschätzten Prävalenz auf den Vorhersagewert deutlich zu machen, seien Prävalenzen von SARS-CoV-2-Infektionen von 3 %, 20 % und 80 % gegenübergestellt: Unter 1 000 Personen würde es in diesen Fällen 30, 200 oder 800 Infizierte geben. Die Autoren im BMJ mutmaßen, das der RT-PCR-Test eine Sensitivität von 70 % und eine Spezifität von 95 % aufweist. Sars-CoV-2-Prävalenz 3 % (z. B. Hausarztpraxis): Richtig positiv getestet werden 21 von 30 infizierten Personen, falsch negativ sind damit 9 Ergebnisse. Richtig als gesund erkannt werden 921 von 970 Personen, falsch positiv bleiben 49. Der positive Vorhersagewert errechnet sich als Quotient aus der Zahl der richtig positiv Getesteten (21) und der Summe aller Personen mit positivem Testergebnis (21 + 49 = 70). Er ist mit 0,30 erschreckend gering – 70 % der als positiv getesteten Personen sind gar nicht positiv, ihnen wird aber Quarantäne verordnet. Der negative Vorhersagewert als Quotient aus der Zahl der richtig negativ Getesteten 921 und der Summe aller Personen mit negativem Testergebnis (921 + 9 = 930) ist hingegen 0,99, also sehr gut.
Prävalenz 20 % (z. B. Altenheim): Richtig positiv getestet werden 140 von 200 Personen, falsch negativ sind 60 Ergebnisse. Richtig negativ erkennt der Test 760 von 800 Personen, falsch positiv 40. Der positive Vorhersagewert (140/180) beträgt nun 0,78, die Erkrankungswahrscheinlichkeit ist also bei der angenommenen Prävalenz von 20 % 2,5 Mal höher anzusetzen als bei der niedrigen Prävalenz von 3 %. Der negative Vorhersagewert (760/820) ist 0,93. Immerhin 7 % der negativ Getesteten tragen das Virus in sich und können es verbreiten. Prävalenz 80 % (z. B. Isolierabteilung): Bei einer besonders hoch geschätzten Prävalenz von 80 % sind von 1 000 Getesteten 800 infiziert, von denen der Test 560 erkennt und 240 nicht. Richtig negativ erkannt werden 190 von 200 Personen, falsch positiv sind 10. Der positive Vorhersagewert (560/570) erreicht sichere 0,98, während der negative Vorhersagewert auf 0,44 sinkt. 56 % Prozent der negativ Getesteten tragen das Virus in sich und können es weitergeben.
Das bedeutet: In einer Population mit niedriger Prävalenz – z. B. 3 %, wie bevölkerungsweit bei COVID-19 anzunehmen – und unter der Prämisse einer niedrigen effektiven Test-Sensitivität von 70 % ist der positive Vorhersagewert äußerst schwach. Ein (falsch) positiver Test kann aber eine Quarantäne der Person zur Folge haben. Je höher die Prävalenz und damit die Vortestwahrscheinlichkeit, desto höher ist die Aussagekraft eines positiven Tests einzustufen und desto niedriger ist der negative Vorhersagewert.
Ein hoher Anteil infizierter Personen bleibt unentdeckt, wird nicht isoliert und kann andere anstecken – wenn nicht doch ein zweites Mal getestet wird. Fazit: Bei einer hohen anzunehmenden Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer SARS-CoV-2-Infektion ist ein einzelner negativer Test kein Freibrief. Ralf L. Schlenger
Vom Schein der Genauigkeit
Die weltweit verwendeten PCR-Tests auf SARS-CoV-2 sind selbst unter definierten Laborbedingungen nicht alle (gleich) zuverlässig. Eine aktuelle amerikanische Studie verglich 9 PCR-Tests aus den USA, China, Hongkong und Deutschland (5). Sie zeigte, dass zwar alle untersuchten Tests SARS-CoV-2 nachweisen können. Aber die Performance war abhängig vom viralen Target (RNA-Abschnitte codierend für Hüllmaterial, Nucleocapsid, RNA-dependent RNA polymerase [RdRp] etc.) und dem Verdünnungsgrad der Proben sehr unterschiedlich ausgeprägt. Insgesamt hatte der am Institut für Virologie der Charité, Berlin, entwickelte E-Sarbeco-Test eine Spitzenposition, zusammen mit HKU-ORF1 (Hongkong University) und 2019-nCoV_N1 (US Centers for Disease Control and Prevention). Der RdRp-SARSr-Assay der Charité wird von den amerikanischen Autoren hingegen als unzuverlässig bei winzigen Virusmengen eingestuft. Die Charité verwendet den E-Sarbeco, der Hüllgene nachweist, als initialen Screening Assay und den RdRp-SARSr als konfirmatorischen Test.
Coronavirus SARS-CoV-2 (Stand: 18. Mai 2020); http://daebl.de/VM24.
1. | Watson J, Whiting PF, Brush JE: Practice Pointer: Interpreting a covid-19 test result. BMJ 2020; 369: m1808 CrossRef |
2. | Robert Koch-Institut: SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) (Stand: 29. Mai 2020); http://daebl.de/QY17. |
3. | Robert-Koch-Institut: Hinweise zur Testung von Patienten auf Infektion mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 (Stand: 18. Mai 2020); http://daebl.de/VM24. |
4. | Arevalo-Rodriguez I, Buitrago-Garcia D, Simancas-Racines D, et al.: False-negative results of initial RT-PCR assays for covid-19: a systematic review. medRxiv 2020 Apr 21; doi: 10.1101/2020.04.16.20066787 CrossRef |
5. | Vogels CBF, Brito AF, Wyllie AL, et al.: Analytical sensitivity and efficiency comparisons of SARS-COV-2 qRT-PCR asays. medRxiv 2020 Apr 26; doi: 10.1101/2020.03.30.20048108 CrossRef |
Lübbert, Christoph et al.
Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.am Mittwoch, 19. August 2020, 15:01
Reiserückkehrer
Bei einer Spezifität von höchstens 99% ist das doch eine absolute Fehlentscheidung oder habe ich was nicht verstanden?! Trotzdem wird die Testpflicht als notwendig und richtige Entscheidung Verkauft.
am Mittwoch, 19. August 2020, 13:19
Reiserückkehrer
Hier wird mit 2.5% positiver Tests von einer hohen Quote gesprochen, der Gesundheitsminister vom NRW hat diese Form der Testung daraufhin als richtig bezeichnet. Wenn man von der hier genannten Spezifität ausgeht, ist das doch absolut nicht der Fall oder habe ich etwas nicht verstanden?!
am Sonntag, 5. Juli 2020, 13:51
Vortestwahrscheinlichkeit
Eine grundsätzliche Laienfrage an dieser Stelle sei mir gestattet: AG(hier Viren)-AK-Komplexe und zellgebundene AGs sind zusätzlich zu den freien relevant bei einem PCR Test und werden mitgezählt?
MfG
am Montag, 22. Juni 2020, 09:40
Der Test sagt leider nichts für Infektiösität aus!
Nicht zuletzt will ich hinweisen auf Arbeiten, die gezeigt haben dass selbst im engen familiären Umfeld die Ansteckungsrate bei ca. 16%, bei Ehepartnern bei ca. 25% liegt. Es ist also mit Sicherheit nicht so, dass jeder "vermeintlich" Infizierte auch wirklich andere Personen ansteckt... Siehe auch: Wei Li et al. Clin Infect Dis. 2020 Apr 17 : ciaa450. Published online 2020 Apr 17. doi: 10.1093/cid/ciaa450
am Dienstag, 16. Juni 2020, 19:55
Der Test ist besser als sein Ruf
Die Spezifität wird weitläufig mit 98 – 99% angegeben (INSTAND Ringversuch #340). Jedoch wird nicht berücksichtigt, dass sich diese Spezifität - auch im genannten Ringversuch - auf den Nachweis eines Targets bezieht.
WHO, CDC, ECDC und RKI fordern dezidiert bei geriner Prävalenz den Nachweis von SARS CoV2 mittels zwei Targets um den positiven Vorhersagewert hoch zu halten.
Die theoretische falsch positiv Rate unter Verwendung von 2 Targets liegt bei 2% x 2% = 0.04% und damit die Spezifität bei 99,96%.
Nun stellt sich natürlich die Frage, ob diese theoretische Spezifität auch unter Realbedingungen (Faktor Mensch) erreichbar ist. Sieht man sich die aktuellen Positivraten in Ländern/Regionen mit aktuell geringer Prävalenz an, dann ergibt sich ein doch überraschendes Bild. Unter der Annahme, dass sämtliche positive Ergebnisse falsch positive darstellen, lässt sich so die Spezifität abschätzen.
Australien führt bereits seit Wochen tgl zwischen 25.000 bis 35.000 Testungen durch mit lediglich ca. 10 positiven Ergebnissen. Nimmt an an, all diese 10 wären falsch positive Ergebnisse, dann läge die Spezifität bei ca 99.97%.
Ähnlich niedrige Positivraten von derzeit <0.1% finden sich in Island, Thailand, Neuseeland oder Kroatien. In Tirol liegt die Positivrate der letzten 10 Tage bei ebenfalls 0.1% bei ca 4000 Testungen.
Mecklenburg-Vorpommern hatte eine Positivrate von 0.0% in KW 21 bei 1000 Tests, Hamburg in KW 23 und KW24 0.0% bei 2700 bis 3700 Testungen pro Woche.
Zumindest aus theoretischen Überlegunden unter Einbezug der behördlichen Vorgaben und der Beobachtung, dass unter Realbedingungen die Positivrate 0.1% oder niedriger sein kann, liegt der Schluß einer Spezifität von größer 99.9% doch sehr nahe.
am Dienstag, 16. Juni 2020, 19:12
Der Test ist besser als sein Ruf
Die Spezifität wird weitläufig als 98 - 99% angegeben (INSTAND Ringversuch #340). Nur leider wird, wie auch in diesem Artikel, nicht berücksichtigt, dass sich diese Spezifität auf die Verwendung nur eines Targets bezieht.
WHO, CDC, ECDC und das RKI fordern bei geringer Prävalenz, wie sie derzeit in Deutschland vorgefunden wird, allerdings eine Testung auf 2 Targets um den positiven Vorhersagewert möglichst hoch zu halten.
Geht man von einer falsch positiv Rate von 2% pro Target aus, so ergibts sich eine theoretische Spezifität
am Dienstag, 16. Juni 2020, 19:12
Der Test ist besser als sein Ruf
Die Spezifität wird weitläufig als 98 - 99% angegeben (INSTAND Ringversuch #340). Nur leider wird, wie auch in diesem Artikel, nicht berücksichtigt, dass sich diese Spezifität auf die Verwendung nur eines Targets bezieht.
WHO, CDC, ECDC und das RKI fordern bei geringer Prävalenz, wie sie derzeit in Deutschland vorgefunden wird, allerdings eine Testung auf 2 Targets um den positiven Vorhersagewert möglichst hoch zu halten.
Geht man von einer falsch positiv Rate von 2% pro Target aus, so ergibts sich eine theoretische Spezifität
am Freitag, 12. Juni 2020, 23:29
Das Problem ist noch gravierender
Das Problem ist aber noch gravierender, weil es bei den PCR-Tests darum geht, die aktuell erkrankten Personen zu identifizieren. Und hier ist die Prävalenz aktuell weitaus geringer als 3%.
Man kann das Problem beispielhaft anhand der vom RKI für die Kalenderwoche 23 veröffentlichten Testdaten (Lagebericht vom 10.6.) aufzeigen. In dieser Woche wurden insgesamt 329.358 Tests durchgeführt mit 3.031 (0.9%) erhaltenen positiven Testergebnissen. Man kann nun unter der Annahme bestimmter Sensitivitäts- und Spezifitätswerte berechnen, bei wie vielen der positiven Testergebnisse es sich in Wirklichkeit um falsch-positive Testergebnisse handelte und wie viele der getesteten Proben tatsächlich mit SARS-CoV-2 infiziert waren. Nimmt man eine Sensitivität von 70% an (Kucirka, 2020, Annals of Internal Medicine) und eine Spezifität von 99.3% (Ringversuch Virusgenom-Nachweis SARS-CoV-2, Zeichhardt, 2020), ergibt sich folgendes Ergebnis:
Von den 3.031 positiven Testergebnissen sind 2.298 falsch-positiv, in Wirklichkeit waren 1.047 Proben mit SARS-CoV-2 infiziert. Die Anzahl an erhaltenen positiven Testergebnissen überschätzt die wahre Anzahl an mit SARS-CoV-2 infizierten Proben damit um 289% und der positive Vorhersagewert liegt nur bei 24.2%.
Noch weitaus gravierender würde das Problem werden, wenn man in der Breite unabhängig von Symptomen testen würde. Man kann das Problem an einem einfachen Beispiel veranschaulichen. Bund und Länder haben sich ja darauf verständigt, dass Beschränkungen wieder verschärft werden sollen, wenn pro 100.000 Einwohner mehr als 50 Neuinfektionen innerhalb einer Woche auftreten. Nun könnte man auf die Idee kommen, alle 100.000 Personen auf das Virus zu testen um wirklich sicher zu gehen, dass nicht mehr als 50 Neuinfektionen auftreten.
Nehmen wir nun an, man hätte einen äußerst zuverlässigen Test zur Verfügung mit einer Sensitivität und Spezifität von jeweils 99.9%. Man könnte nun intuitiv meinen, dass damit das Ausmaß der Virusausbreitung bei einer Testung der 100.000 Personen zuverlässig bestimmt werden kann. Aber ist dem wirklich so?
Man kann auch das einfach durchrechnen: Nehmen wir an, es gäbe in Wirklichkeit eine einzige infizierte Person unter den 100.000 Personen. Diese würde man zuverlässig finden. Bei den 99.999 nicht infizierten Personen ist es so, dass 99.899 richtigerweise ein negatives Testergebnis erhalten würden. Allerdings würden 100 der in Wirklichkeit nicht infizierten Personen ein falsch-positives Testergebnis erhalten. Rechnet man die erhaltenen positiven Testergebnisse zusammen, würde man also bei einer Testung aller 100.000 Personen 101 positive Testergebnisse erhalten und wieder Maßnahmen einführen – obwohl in Wirklichkeit nur eine einzige Person infiziert ist. Und würde man als Person ein positives Testergebnis erhalten, läge die Wahrscheinlichkeit tatsächlich infiziert zu sein trotz der hohen Zuverlässigkeit des Tests nur bei weniger als einem Prozent.
Ein Testen in der Breite unabhängig von Symptomen macht also bei SARS-CoV-2 aufgrund der aktuell sehr geringen Prävalenz aus statistischer Perspektive keinerlei Sinn.
am Freitag, 12. Juni 2020, 23:26
Das Problem ist noch gravierender
Das Problem ist aber noch gravierender, weil es bei den PCR-Tests darum geht, die aktuell erkrankten Personen zu identifizieren. Und hier ist die Prävalenz aktuell weitaus geringer als 3%.
Man kann das Problem beispielhaft anhand der vom RKI für die Kalenderwoche 23 veröffentlichten Testdaten (Lagebericht vom 10.6.) aufzeigen. In dieser Woche wurden insgesamt 329.358 Tests durchgeführt mit 3.031 (0.9%) erhaltenen positiven Testergebnissen. Man kann nun unter der Annahme bestimmter Sensitivitäts- und Spezifitätswerte berechnen, bei wie vielen der positiven Testergebnisse es sich in Wirklichkeit um falsch-positive Testergebnisse handelte und wie viele der getesteten Proben tatsächlich mit SARS-CoV-2 infiziert waren. Nimmt man eine Sensitivität von 70% an (Kucirka, 2020, Annals of Internal Medicine) und eine Spezifität von 99.3% (Ringversuch Virusgenom-Nachweis SARS-CoV-2, Zeichhardt, 2020), ergibt sich folgendes Ergebnis:
Von den 3.031 positiven Testergebnissen sind 2.298 falsch-positiv, in Wirklichkeit waren 1.047 Proben mit SARS-CoV-2 infiziert. Die Anzahl an erhaltenen positiven Testergebnissen überschätzt die wahre Anzahl an mit SARS-CoV-2 infizierten Proben damit um 289% und der positive Vorhersagewert liegt nur bei 24.2%.
Noch weitaus gravierender würde das Problem werden, wenn man in der Breite unabhängig von Symptomen testen würde. Man kann das Problem an einem einfachen Beispiel veranschaulichen. Bund und Länder haben sich ja darauf verständigt, dass Beschränkungen wieder verschärft werden sollen, wenn pro 100.000 Einwohner mehr als 50 Neuinfektionen innerhalb einer Woche auftreten. Nun könnte man auf die Idee kommen, alle 100.000 Personen auf das Virus zu testen um wirklich sicher zu gehen, dass nicht mehr als 50 Neuinfektionen auftreten.
Nehmen wir nun an, man hätte einen äußerst zuverlässigen Test zur Verfügung mit einer Sensitivität und Spezifität von jeweils 99.9%. Man könnte nun intuitiv meinen, dass damit das Ausmaß der Virusausbreitung bei einer Testung der 100.000 Personen zuverlässig bestimmt werden kann. Aber ist dem wirklich so?
Man kann auch das einfach durchrechnen: Nehmen wir an, es gäbe in Wirklichkeit eine einzige infizierte Person unter den 100.000 Personen. Diese würde man zuverlässig finden. Bei den 99.999 nicht infizierten Personen ist es so, dass 99.899 richtigerweise ein negatives Testergebnis erhalten würden. Allerdings würden 100 der in Wirklichkeit nicht infizierten Personen ein falsch-positives Testergebnis erhalten. Rechnet man die erhaltenen positiven Testergebnisse zusammen, würde man also bei einer Testung aller 100.000 Personen 101 positive Testergebnisse erhalten und wieder Maßnahmen einführen – obwohl in Wirklichkeit nur eine einzige Person infiziert ist. Und würde man als Person ein positives Testergebnis erhalten, läge die Wahrscheinlichkeit tatsächlich infiziert zu sein trotz der hohen Zuverlässigkeit des Tests nur bei weniger als einem Prozent.
Ein Testen in der Breite unabhängig von Symptomen macht also bei SARS-CoV-2 aufgrund der aktuell sehr geringen Prävalenz aus statistischer Perspektive keinerlei Sinn.