ArchivDeutsches Ärzteblatt24/2020Konjunkturpaket: Milliarden für die Gesundheit

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Konjunkturpaket: Milliarden für die Gesundheit

Haserück, André

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Die Regierungskoalition hat sich am 3. Juni auf Eckpunkte für ein umfangreiches Konjunktur- und Zukunftspaket mit einem Gesamtvolumen in Höhe von 130 Milliarden Euro verständigt – für die umfassende Stärkung des Gesundheitsbereiches sind knapp zehn Milliarden Euro eingeplant.

Foto: Dan Race/stock.adobe.com
Foto: Dan Race/stock.adobe.com

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete das Konjunkturpaket als „ambitioniertes Programm“ – es gehe darum, Arbeitsplätze zu sichern und die Wirtschaft wieder zum Laufen zu bringen. Dafür habe man jetzt einen guten Grundstein gelegt.

Neben der zentralen Einigung auf eine Absenkung der Mehrwertsteuer bis zum 31. Dezember 2020 ist ein Kinderbonus für Familien sowie ein sogenanntes Zukunftspaket – unter anderem mit steuerlicher Forschungsförderung für die Entwicklung von Quantencomputing und künstlicher Intelligenz – geplant. Für den Bereich des Gesundheitswesens, unter anderem für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) und die Krankenhäuser, sollen finanzielle Mittel in einer Gesamthöhe von bis zu zehn Milliarden bereitgestellt werden.

Bundesärztekammer-Präsident Dr. med. (I) Klaus Reinhardt begrüßte die Inhalte des angekündigten Konjunkturpaketes. Die Coronakrise habe gezeigt, dass die Gesundheitsämter dauerhaft mehr Personal brauchen, um ihre vielfältigen Aufgaben erfüllen zu können – insofern sei die Stärkung des ÖGD „absolut richtig und notwendig“.

Gesundheitsdienst stärken

Die vorgesehene Angleichung des Gehaltsniveaus von Amtsärzten an das der Kolleginnen und Kollegen in vergleichbaren Einrichtungen sei für die künftige Fachkräftegewinnung und Fachkräftesicherung in den Ämtern dringend erforderlich.

Die Bundesärztekammer werde ihren Sachverstand gerne und selbstverständlich in den von der Regierung angekündigten Pakt für den ÖGD einbringen, so Reinhardt. Neben den finanziellen Mitteln für den strukturellen Ausbau des ÖGD seien auch die zusätzlichen Gelder für Krankenhäuser, zum Beispiel zum Ausbau ihrer digitalen Infrastruktur und zur Vorhaltung von Notfallkapazitäten, „gut angelegt.“

Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) sieht die geplanten Maßnahmen zur Stärkung der Krankenhäuser positiv. „Wir freuen uns darüber, dass die Regierungskoalition herausgestellt hat, welche herausragende Rolle die Krankenhäuser bei der Bewältigung der Coronapandemie gespielt haben. Diese Anerkennung haben die Krankenhäuser und ihre Beschäftigten wirklich verdient. Die nun vorgesehenen drei Milliarden Euro für das ‚Zukunftsprogramm Krankenhäuser‘ sind ein dringend notwendiger erster Schritt, um die Investitionslage in den Kliniken zu verbessern“, erklärte DKG-Präsident Gerald Gaß.

Finanzielle Konjunkturimpulse könne man sehr schnell umsetzen, da die Krankenhäuser bereits Pläne – insbesondere für die Digitalisierung – entwickelt haben. Grundsätzlich werde man aber darauf drängen, dass noch vor der nächsten Bundestagswahl eine nachhaltige und dauerhafte Lösung der Investitionsfrage im Krankenhausbereich erarbeitet wird. Die Zielsetzung der Koalition, Deutschland im Bereich von medizinischer Schutzausrüstung, Herstellung von Wirkstoffen und bei der Impfstoffproduktion unabhängiger zu machen, sei ebenfalls richtig – müsse sich dann aber auch in den Preisbildungssystemen wiederfinden.

Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) kündigte in diesem Zusammenhang an, sich bezüglich der größeren strategischen Unabhängigkeit im Bereich der Medizinprodukte in Deutschland einbringen zu wollen. Die Maßnahmen zur Förderung der inländischen Produktion wichtiger Medizinprodukte und Arzneimittel sowie die Maßnahmen zur vorausschauenden Bevorratung medizinischer Schutzausrüstung und die Schaffung einer nationalen Reserve seien Schritte in die richtige Richtung. Ein Dialog aller relevanten Akteure mit der Bundesregierung könne helfen zu definieren, wie eine systemrelevante Infrastruktur vorgehalten werden sollte.

Der angestrebte Ausbau der Produktion von medizinischer Schutzausrüstung im Inland sowie der geplante Aufbau einer nationalen Reserve für diese Materialien stelle einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Patientinnen und Patienten sowie des medizinischen Fachpersonals dar, betonte die 1. Vorsitzende des Marburger Bundes (MB), Dr. med. Susanne Johna. Positiv bewertet der MB auch die vorgesehenen Investitionen in die digitale Infrastruktur und IT-Sicherheit der Krankenhäuser sowie den ÖGD.

Breite Zustimmung

Der BKK-Dachverband begrüßte ebenfalls das geplante Konjunkturpaket – inklusive der finanziellen Unterstützung für die Krankenhäuser und den ÖGD. Die Krise habe deutlich die Schwachstellen des unterfinanzierten und mit viel zu wenig Personal ausgestatteten ÖGD aufgezeigt, so Franz Knieps, Vorstand des BKK-Dachverbandes. Bezüglich der Kliniken müsse nun der „längst überfällige Strukturumbau der Krankenhauslandschaft“ angegangen werden. „Die Bundesländer dürfen sich nicht länger wegducken, sondern müssen sich aktiv an der Umgestaltung der Krankenhauslandschaft beteiligen. Im Hinblick auf eine bessere Qualität der Versorgung dürfen Konzentration, Spezialisierung und Umwidmung in MVZ oder Pflegeeinrichtungen dabei nicht länger ein Tabuthema bleiben. Hier muss der Gesetzgeber die Bundesländer stärker in die Pflicht nehmen“, brachte Knieps Forderungen der Kassen ein.

Es sei richtig, ein Zukunftsprogramm für die Krankenhäuser aufzulegen, aber dann müssten auch die Universitätsklinika berücksichtigt werden, betonte Professor Dr. med. Michael Albrecht, 1. Vorsitzender des Verbands der Universitätsklinika Deutschlands e.V. (VUD). Mit einer Erhöhung der Mittel für den Krankenhaus-Strukturfonds müsse aber gewährleistet werden, dass die Uniklinika auch vollumfänglich förderfähig sind – dies sei bislang nicht der Fall.

„Wenn die Bundesregierung jetzt Krankenhäuser ertüchtigen will, können nicht gerade die Universitätsklinika, die eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung der aktuellen Herausforderungen in der Pandemie spielen, außen vor gelassen werden“, so Jens Bussmann, Generalsekretär des VUD.

Sehr positiv nahm der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) die vorgesehene Stärkung des ÖGD auf. Mit dieser Koalitionsvereinbarung erfolge nach jahrzehntelangen Versäumnissen und kontinuierlichem Personalabbau endlich eine entscheidende Weichenstellung, erklärte die Vorsitzende des BVÖGD, Ute Teichert.

Jetzt komme es darauf an, dass Bund, Länder und Kommunen gemeinsam an einem Strang ziehen und die angekündigten Maßnahmen zur personellen und strukturellen Stärkung des ÖGD konsequent, zügig und bundesweit umsetzen – der BVÖGD und seine Landesverbände biete den politisch Verantwortlichen Expertise und konstruktive Mitwirkung an. André Haserück

Gesundheitspolitische Inhalte des Konjunkturpaketes

  • Pakt für den öffentlichen Gesundheitsdienst:

In diesem Rahmen soll unter definierten Kriterien eine Personalmindestausstattung für ein Mustergesundheitsamt definiert werden. Der Bund will den Ländern in Form von Umsatzsteuerfestbeträgen die finanziellen Mittel zur Verfügung stellen, um die zusätzlich erforderlichen Stellen in den Gesundheitsämtern vor Ort für die kommenden fünf Jahre zu finanzieren – soweit die Anstellung bis Ende 2021 erfolgt ist. In den Tarifverträgen des ÖGD soll außerdem sichergestellt werden, ggf. durch die Zahlung von Funktionszulagen, dass sich die Bezahlung an ärztlichen Gehältern in anderen Bereichen des Gesundheitswesens orientiert. Auch sollen Themen des ÖGD stärker in den Ausbildungszielen und -inhalten in der Approbationsordnung der Ärzte verankert werden. Bund und Länder wollen zudem gemeinsam eine verbesserte technische und digitale Ausrüstung sowie die Stärkung der Kommunikation und Konzeptentwicklung über alle Ebenen des ÖGD unterstützen.

  • Zukunftsprogramm Krankenhäuser:

Aus diesem Programm sollen Mittel für notwendige Investitionen in moderne Notfallkapazitäten als auch in eine bessere digitale Infrastruktur der Häuser fließen. Die Umsetzung ist über die gesetzliche Erweiterung des Krankenhausstrukturfonds geplant – vorgesehen sind hierfür bis zu drei Milliarden Euro.

  • Heimische Produktion:

Die Koalition strebt auch an, dass Deutschland im Bereich von medizinischer Schutzausrüstung, der Herstellung von Wirkstoffen und deren Vorprodukten sowie in der Impfstoffproduktion künftig über größere Kapazitäten und mehr Unabhängigkeit verfügt. Dazu soll ein entsprechendes Förderprogramm aufgelegt werden.

Das vollständige Eckpunktepapier im Internet:

http://daebl.de/XB22

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