ArchivDeutsches Ärzteblatt26/2020Rechtsreport: Belegarzt haftet für unterbliebene Untersuchung

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Rechtsreport: Belegarzt haftet für unterbliebene Untersuchung

Berner, Barbara

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Belegärzte sind verpflichtet, Patienten nach einer Wirbelsäulenoperation neurologisch zu untersuchen, auch wenn in der Regel die Krankenhausärzte die Untersuchung im Zusammenhang mit der postoperativen Betreuung durchführen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) des Landes Sachsen-Anhalt entschieden.

Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin einen Schmerzensgeldanspruch gegen den orthopädischen Belegarzt geltend gemacht, da sie infolge einer Operation an einer Fußheberparese verbunden mit starken Schmerzen litt. Gegen die Schmerzen müsse sie Schmerzmittel einnehmen, auch neige sie seit dem Eingriff beim Gehen zu Stürzen. Ihren Beruf als Altenpflegerin könne sie nicht mehr ausüben.

Nach Aussage des beklagten Arztes war der Eingriff aufgrund der bei der Klägerin bestehenden Spinalkanalstenose, ihrer Schmerzen und der erfolglos vorangegangenen konservativen Therapie indiziert gewesen und standardgerecht durchgeführt worden. Die Klägerin behauptet, nicht über Alternativen zur Operation aufgeklärt worden zu sein. Auch habe der Arzt über den Nutzen und die Risiken der Operation, insbesondere über die Operationserweiterung und die damit verbundenen Risiken, nicht ausreichend aufgeklärt. Eines dieser Risiken ist das eines Nervenfunktionsausfalls nach Schraubenfehllage – so wie bei ihr letztlich eingetreten.

Nach Auffassung des Gerichts sei dem Beklagten ein Befunderhebungsfehler anzulasten, soweit er bei der Klägerin am ersten Tag nach dem Eingriff keine neurologische Untersuchung vorgenommen habe. Seine Aussage, dass sich darum die diensthabenden Kollegen auf der Station kümmern, entlastet ihn haftungsrechtlich nicht, auch wenn es sich dabei um eine gängige Praxis handelt. Die Wahrscheinlichkeit, dass man bei der gebotenen neurologischen Untersuchung einen reaktionspflichtigen Befund erhoben hätte, hat der Sachverständige mit mehr als 50 Prozent angegeben. Zudem sei davon auszugehen, dass die Risikoaufklärung unzureichend war. Ein Es fehle an einer hinreichenden Aufklärung der Patientin, wenn der nach der Patientenunterschrift eingefügter handschriftlicher Zusatz zur Aufklärung über die Risiken und auch ein Stempelaufdruck am Ende des Bogens („Patient wurde aufgeklärt über mögliche Dislokation des Implantats“) reiche nichtumfasst ebenfalls nicht sämtliche aufklärungsbedürftigen Risiken. Die Klägerin hat in der Folge Anspruch auf Schadensersatz – insbesondere für den krankheitsbedingten Mehraufwand, den Verdienstausfall und die Einschränkung in der Haushaltsführung.

OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 8. Oktober 2019, Az.: 1 U 123/18 RAin Barbara Berner

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