MEDIZINREPORT: Studien im Fokus
Erbliche Faktoren für das Körpergewicht: Genetisch vorhersagbarer hoher Body Mass Index mit vielen Gefäßleiden assoziiert


In den letzten 5 Jahrzehnten ist es weltweit zu einer Zunahme von Übergewicht (Body Mass Index [BMI] ≥ 25 kg/m2) und Adipositas (BMI ≥ 30 kg/m2) gekommen. Auslöser ist die Kombination aus Lebensstil mit wenig körperlicher Bewegung und geringem Energierverbrauch bei einer Kost, deren Energiegehalt den täglichen physiologischen Bedarf oft weit übersteigt. Genetische Faktoren haben ebenfalls Einfluss auf das Körpergewicht, wenn auch nachrangig.
Wie hoch der Einfluss von bestimmten Genvarianten ist, lässt sich mit der sogenannten Mendelschen Randomisierung untersuchen: Wenn ein Risikofaktor wie die Adipositas für ein Krankheitsmerkmal wie zum Beispiel koronare Herzerkrankung ursächlich ist, müssten Individuen mit zur Adipositas prädisponierenden Genvarianten eine höhere Rate solcher Herzkrankheiten haben, und zwar in Korrelation zur Ausprägung des Übergewichts.
Britische Forscher haben nun die wahrscheinlich größte auf diesem Prinzip beruhende Studie vorgelegt, bei der die Einzelnukleotid-Polymorphismen (SNP), die mit BMI sowie den Indizes „Fettmasse des Körpers“ und „fettfreie Körpermasse“ assoziiert sind, als Variablen benutzt wurden. Ziel war, die kardiovaskuläre Situation von 367 703 Teilnehmern (Durchschnittsalter 57,2 Jahre) des Kohortenstudienprojekts UK Biobank zu evaluieren.
In der Studie wurden 14 kardiovaskuläre Endpunkte erfasst, mehr als in bisherigen Untersuchungen. Zentrales Ergebnis war die Tatsache, dass der genetisch vorhersagbare BMI – 82 SNPs wurden analysiert – signifikant mit 8 dieser 14 kardiovaskulären Endpunkte assoziiert war. Dieses Ereignisrisiko (Odds Ratio [OR]) betrug je 1 kg/m2 BMI-Anstieg 1,06 (95-%-Konfidenzintervall [95-%-KI] [1,02; 1,11; p = 2,6 x 10–3]) für eine Lungenembolie und 1,13 [1,05; 1,21; p = 1,2 x 10–3] für eine Aortenklappenstenose. Zwischen diesen beiden Werten lagen – ebenfalls positiv assoziiert – Herzinfarkt, tiefe Beinvenenthrombose, koronare Herzerkrankung und Vorhofflimmern.
Für den ischämischen Schlaganfall, die transiente ischämische Attacke und das Aortenaneurysma wude keine signifikante Assoziation eines genetisch prädiktierten erhöhten BMI fand gefunden. Ein genetisch vorhersagbarer Fettmassenindex war mit 9 kardiovaskulären Ereignisformen assoziiert, am ausgeprägtesten die Aortenklappenstenose mit einer OR von 1,46 [1,13; 1,88; p = 3,9 x 10–3] pro Anstieg des Fettmassenindex um jeweils 1 kg/m2.
Fazit: „Diese Studie bestätigt an einem sehr großen Kollektiv, dass sowohl der genetisch vorhersagbare BMI als auch der genetisch vorhersagbare Fettmassenindex mit zahlreichen Herz- und Gefäßerkrankungen assoziiert sind“, erläutert Prof. Dr. med. Hans-Joachim Trappe, Direktor der Medizinischen Klinik II (Kardiologie und Angiologie) am Marien Hospital Herne/Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum. „Zur Reduktion kardiovaskulärer Erkrankungen unterstreichen diese Befunde die Notwendigkeit regelmäßiger körperlicher Aktivität, der adäquaten Zufuhr von Lebensmitteln und eine Anpassung an den physiologischen Kalorienbedarf, um BMI und Fettmassenindex positiv zu verändern.“ Dr. med. Ronald D. Gerste
Larsson SC, Bäck M, Rees JMB, et al.: Bodymass index and body composition in relation to 14 cardiovascular conditions in UK Biobank: a Mendelian randomization study. European Heart Journal 2020; 41: 221–6.