ArchivDeutsches Ärzteblatt27-28/2020Thromboserisiko: SARS-CoV-2 und Übergewicht
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Betrachtet man „Übergewicht“, ... so sind schon seit Längerem äußerst problematische chronische Stoffwechselveränderungen bekannt … : Die hyperkalorische Ernährung stellt einen chronischen Stress dar mit Adipozyten und Makrophagen als Effektoren von proinflammatorischen Zytokinen wie TNFa, IL-6 und CRP. Die resultierende chronische Fettgewebsentzündung führt in die Insulinresistenz, die weitere pathophysiologische Mechanismen auslöst.

IL-6 wiederum wirkt als Alarmsignal bei Verletzungen und Infektionen, erhöht die Gefäßpermeabilität und kann über die Leber die Freisetzung von CRP sowie Fibrinogen induzieren und via Knochenmark zur Thrombozytose führen. Bei chronischer Sezernierung, typisch bei Adipositas, wirkt es … atherogen, und am Ende der jahrelangen Entzündungsstrecke kann der Tumor stehen … .

Ich denke, dass es kein Zufall ist, dass sich weltweit die Hinweise mehren, dass Übergewicht ein hohes Risiko birgt, einen schweren COVID-19-Verlauf zu erleben. Möglicherweise spielt die Dauer der Adipositas oder eben „nur“ des Übergewichts eine Rolle, da die pathogenen Vorgänge so lange Zeit haben, ihre destruktive Wirkung zu entfalten. Ich meine, dass es spätestens seit COVID-19 von elementarer Bedeutung ist, Übergewicht und Adipositas als gefährliche Suchterkrankung mit steigender Prävalenz bei immer jüngeren Menschen ernst zu nehmen. SARS-CoV-2 könnte die erheblichen chronischen Gefahren der mit der Adipositas einhergehenden Stoffwechsel-entgleisungen wie Diabetes mellitus und seinen Folgen, Autoimmunerkrankungen bis hin zu Tumoren nun in eine akute, potenziell vitale Bedrohung für einen bedeutsamen Anteil der Bevölkerung verwandelt haben.

So plädiere ich dafür, diese Risikogruppe gezielt ausfindig zu machen durch die Ermittlung des BMI, besser des Bauchumfangs, einer nutritiv bedingten Fettleber sowie von IL-6 und CRP als Indikatoren einer „low grade systemic inflammation“, die entgegen ihrer Bezeichnung im Laufe der Zeit erheblichsten Schaden anrichtet und den Patienten womöglich für einen schweren COVID-19-Verlauf disponiert. … So würden die begleitenden Ärzte unterstützt, eine Umstellung von Ernährung und Bewegungsgewohnheiten anzuregen und zu begleiten.

Angesichts der Tatsache, dass IL-6, wird es vom arbeitenden Muskel ausgeschüttet, ausgeprägte antiinflammatorische, antiatherogene und antidiabetische Wirkungen entfaltet, ist es ein tragischer Verlust, diese für die überwiegende Zahl der Betroffenen umsetzbare rehabilitative Maßnahme ungenutzt zu opfern.

Alexandra Obermeier, Ärztin, 80804 München

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