MEDIZIN: Originalarbeit
Pathologie der schweren COVID-19-bedingten Lungenschädigung
Hinweise auf Mechanismen und therapeutische Ansätze
The pathology of severe COVID-19 related lung damage — mechanistic and therapeutic implications
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Hintergrund: Die histomorphologischen Veränderungen der Lungenschädigung bei schwerer Coronavirus-Krankheit-2019
(COVID-19) sind unzureichend charakterisiert. Wir beschreiben die Sequenz der pathologischen Veränderungen bei COVID-19 und leiten hieraus Therapieansätze ab.
Methode: Dreizehn an COVID-19 verstorbene Patienten wurden nach einem standardisierten Protokoll obduziert. Die erhobenen Befunde und die klinischen Daten aus den Patientenakten wurden zueinander in Verbindung gesetzt.
Ergebnisse: Es verstarben hauptsächlich Männer (77 %). Das mediane Alter betrug 78 Jahre (Altersspanne: 41–90). Bei der Mehrzahl der Verstorbenen bestanden erhebliche chronische Vorerkrankungen, am häufigsten eine arterielle Hypertonie. Die Obduktionen ergaben in den Lungen charakteristische COVID-19-bedingte, histologische Veränderungen, die bei den meisten Patienten als todesursächlich anzusehen waren. Histologisch zeigte sich eine sequenzielle alveoläre Schädigung. Eine solche Schädigung scheint wesentlich durch eine herdförmige kapilläre Mikrothrombenbildung bedingt zu sein. Sie führt vor oder nach Induktion von Fibrosierungen des Lungenparenchyms zum Tod der Patienten. Eine diffuse Lungenschädigung war ausschließlich bei invasiv beatmeten Patienten nachweisbar.
Schlussfolgerung: Obduktionen haben eine zentrale Bedeutung für die systematische Beurteilung neuer Erkrankungen wie
COVID-19. Sie bilden die Grundlage für weiterführende mechanistische Untersuchungen und therapeutische Überlegungen. Die autoptisch erhobenen Befunde legen eine herdförmige Schädigung der mikrovaskulären Lungenstrombahn als wesentliche Grundlage der letal verlaufenden Lungenerkrankung durch SARS-CoV-2 nahe. Sie führt möglicherweise auch zu persistierenden Lungenschäden bei Patienten, die von einer schweren COVID-19 genesen sind.


Coronaviren sind behüllte, einzelsträngige RNA-Viren, die beim Menschen meist mild verlaufende Erkältungserkrankungen hervorrufen (1). Sie können jedoch auch zu lebensbedrohlichen Erkrankungen wie dem „severe acute respiratory syndrome“ (SARS) und dem „middle eastern respiratory syndrome“ (MERS) führen (2, 3). Seit Ende des Jahres 2019 breitet sich eine durch das neuartige SARS-Coronavirus-2 (SARS-CoV-2) bedingte Pandemie global aus (4). Menschen, die sich mit SARS-CoV-2 infizieren, können an der Corona-Krankheit-2019 („coronavirus disease 2019“) (COVID-19) erkranken, und zeigen initial eine meist unspezifische Symptomatik, die Fieber, Muskelschmerz oder Müdigkeit beinhaltet. Nicht selten tritt ein Verlust des Geschmackssinns auf (5). Während die meisten Patienten (circa 80 %) keine oder nur milde Symptome aufweisen, entwickelt sich bei einigen Patienten eine klinisch relevante Erkrankung, die eine stationäre Aufnahme notwendig macht und bei einem Teil der Patienten zu einem Lungenversagen führt, das eine Beatmungstherapie erforderlich macht. Mit diesem Verlauf ist eine hohe, aber geografisch variable Mortalität assoziiert (6). Faktoren, die eine schwere Erkrankung begünstigen, sind (7, 8):
- hohes Alter
- männliches Geschlecht
- vorbestehende chronische Lungenerkrankungen
- vorbestehende chronische Herzerkrankungen
- Adipositas
- Diabetes mellitus.
Weil eine effektive Impfung (derzeit) nicht zur Verfügung steht, hat die Entschlüsselung der Pathophysiologie von COVID-19 höchste Priorität für die Entwicklung effektiver Therapieansätze. Insbesondere die sequenzielle Abfolge der pathophysiologischen Prozesse, die einen tödlichen Ausgang von COVID-19 bedingen, ist nur unzureichend charakterisiert und verstanden. Vor kurzem veröffentlichte Studien zeigen, dass eine SARS-CoV-2-Infektion ähnlich einer SARS- oder MERS-Infektion zu einer progressiven Lungenschädigung führen kann (9, 10). Es mehren sich zudem Indizien, dass eine mikrovaskuläre Schädigung an der Progression der Erkrankung beteiligt ist (11, 12, 13).
In dieser Arbeit beschreiben wir das Spektrum der bei einer tödlich verlaufenden SARS-CoV-2-Infektion nachweisbaren, histologischen Veränderungen. Diese wurden mithilfe einer auf die Fragestellung angepassten und standardisierten Obduktionstechnik ermittelt und in den klinischen Kontext gesetzt. Hieraus ergeben sich Einblicke in die Pathogenese von COVID-19, die für die Entwicklung therapeutischer Strategien hilfreich sein könnten.
Material und Methoden
Kohorte
Im Pathologischen Institut des Universitätsklinikums Heidelberg wurden zwischen dem 26. 3. und 23. 5. 2020 alle Patienten dokumentiert, die im Rahmen einer SARS-CoV-2-Infektion verstorben waren. Die Infektion wurde vor oder während des Krankenhausaufenthalts durch nasopharyngealen Abstrich und einen auf Reverse-Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion (RT-PCR) basierendem Nachweis gesichert. Die Studie wurde vorab von der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg genehmigt (Nr. S-242/2020) und im Einklang mit der Deklaration von Helsinki durchgeführt.
Klinisch-pathologische Obduktion
Alle Obduktionen erfolgten nach einem standardisierten Verfahren. Bei der äußeren und inneren Leichenschau wurden alle organisatorischen und räumlichen Vorsichtsmaßnahmen berücksichtigt, die zum Personal- und Infektionsschutz notwendig sind. Um die Aerosol-/Staubbildung zu verringern, wurde (mit Ausnahme bei einer Patientin mit klinisch relevanter neurologischer Symptomatik) auf eine Eröffnung des Schädels verzichtet und somit keine Hirnsektion vorgenommen.
Alle Befunde wurden standardisiert dokumentiert und Gewebeproben wurden schnellstmöglich mit 4-prozentigem, neutralgepuffertem Formalin fixiert. Es wurden mindestens vier Proben vom Herzen sowie je eine Probe von jeder Niere, der Milz, der Leber und den Nebennieren asserviert. Die Lungen wurden – nach Instillation von 4-prozentigem, neutralgepuffertem Formalin in die Trachea und die großen Pulmonalgefäße – für mindestens drei Tage in einem ausreichend großen, formalingefüllten Behälter fixiert. Die fotodokumentierte Aufarbeitung der Lungen erfolgte in axialer Ebene (1 cm breite Lamellen). Von jedem Lungenlappen wurden drei repräsentative Proben für die histologische Aufarbeitung entnommen. Zudem wurden Frischgewebsproben in flüssigem Stickstoff schockgefroren und in der Gewebebank des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) asserviert.
Histologie
Nach Paraffineinbettung wurden histopathologische Schnittpräparate von allen Proben angefertigt und nach Standardprotokollen gefärbt, wobei grundsätzlich eine Hämatoxylin-Eosin-Färbung (HE) vorgenommen wurde. Zusätzlich wurden die Lungen- und Nierengewebsschnitte mit Perjodsäure-Schiff(PAS)-Reaktion und saurem Fuchsin-Orange G (AFOG) gefärbt.
Eisenfärbungen wurden von Leber- und Lungenproben angefertigt und die Lebergewebe wurden zudem mittels PAS nach Diastaseverdau sowie modifiziert nach Gomori gefärbt.
Mindestens vier Pathologen (FKFK, CS, LT, DJ, TL, PS) mikroskopierten und beurteilten die histologischen Schnittpräparate. Die Bewertung der histologischen Veränderungen des Lungengewebes erfolgte standardisiert anhand eines modifizierten Scoring-Systems für die Graduierung von Lungenschäden (Tabelle 1) (14).
Ergebnisse
Kohorte
Während des Gipfels der pandemischen COVID-19-Welle verstarben am Universitätsklinikum Heidelberg 17 SARS-CoV-2-positive Patienten (eTabelle). Bei 76 % der Verstorbenen (n = 13) wurde eine klinisch-pathologische Obduktion durchgeführt. Hierbei handelte es sich um drei Frauen und zehn Männer mit einem medianen Alter von 78 Jahren (Mittelwert: 74,6, Spanne: 41–90 Jahre) und einem mittleren Body-Mass-Index von 26,7 kg/m² (Spanne: 20,7–30,0 kg/m²).
Alle Patienten wurden wegen des Verdachts auf eine SARS-CoV-2-Infektion ins Krankenhaus eingewiesen. Die mittlere Hospitalisierungszeit betrug 15,9 Tage (Spanne: 1–33 Tage) und im Mittel vergingen von Beginn der Symptome bis zum Tod der Patienten 21,9 Tage (Spanne: 6–40 Tage).
In der bronchoalveolären Lavage konnte bei drei Patienten eine bakterielle (Super-)Infektion durch Pseudomonas aeruginosa nachgewiesen werden. Neun Patienten wurden invasiv beatmet mit einer mittleren Dauer von 16,1 Tagen (Spanne: 6–31 Tage). Die übrigen vier Patienten erhielten eine bedarfsangepasste, nichtinvasive Sauerstofftherapie. Drei der Verstorbenen lehnten eine klinisch indizierte Intubation und invasive Beatmung ab und wurden palliativ behandelt. Neun der Verstorbenen bekamen eine prophylaktische beziehungsweise therapeutische Antikoagulation.
Bei zehn Verstorbenen waren klinisch relevante Vorerkrankungen bekannt, wobei es sich meist um eine arterielle Hypertonie (n = 8) handelte. Daneben waren bei diesen Patienten anamnestisch außerdem folgende Erkrankungen bekannt:
- koronare Herzerkrankung (n = 6)
- Diabetes mellitus Typ 2 (n = 5)
- metabolisches Syndrom (n = 3)
- chronisch obstruktive Lungenerkrankung (n = 2)
- chronische Niereninsuffizienz (n = 2)
- dilatative Kardiomyopathie (n = 1).
Einer der Verstorbenen befand sich zum Zeitpunkt der Infektion aufgrund einer Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew) unter Therapie mit einem Anti-Tumornekrosefaktor-α-Antikörper (Golimumab 50 mg/4 Wochen). Die klinischen Charakteristika der untersuchten Kohorte sind in Tabelle 2 zusammengefasst.
Klinisch-pathologische Obduktionsbefunde
Die in der autoptisch untersuchten Kohorte erhobenen Befunde ergaben ein wiederkehrendes Muster an histologischen Lungenveränderungen. Die Lungenpathologie war bei zwölf Patienten zumindest im Wesentlichen als todesursächlich anzusehen. Sofern neben alveolären kapillären Mikrothrombosen auch Zeichen einer akuten Rechtsherzinsuffizienz nachweisbar waren, wurde eine kardiopulmonale Todesursache, das heißt ein Zusammenwirken von pulmonaler Schädigung und akutem Rechtsherzversagen, postuliert (Tabelle 2).
Ein Patient verstarb unabhängig von COVID-19 drei Tage nach Entwöhnung von der invasiven Beatmungstherapie, unmittelbar vor der geplanten Entlassung, an einer akuten unteren intestinalen Blutung bei Divertikulitis, nachdem er weitere therapeutische Maßnahmen abgelehnt hatte.
Bei allen Verstorbenen fand sich eine variabel ausgeprägte Konsolidierung des Lungenparenchyms. Histologisch bestand ein fleckförmig nachweisbarer Alveolarschaden, der mit einer Mikrothrombosierung alveolärer Kapillaren (n = 7) und intraalveolären Einblutungen (n = 9) vergesellschaftet war. Patienten, die in der frühen Krankheitsphase verstorben waren (innerhalb der ersten zwei Wochen), wiesen bereits ohne stattgehabte invasive Beatmung einen fleckförmigen mikrovaskulären Schaden mit Ödembildung und Ausbildung alveolärer hyaliner Membranen auf (Abbildung 1). In weiter fortgeschrittenem Stadium zeigte sich eine Hyperplasie und Plattenepithelmetaplasie der Pneumozyten. Zudem waren intraalveolär vereinzelt mehrkernige Zellen und eine vermehrte, interstitielle, vorwiegend lymphozytäre Infiltration zu erkennen (Abbildung 2).
Bei Patienten mit längerer Erkrankungsdauer zeigten sich prominente entzündliche Infiltrate und interstitielle Kollagenfaserablagerungen (Abbildung 3). Nach stattgehabter invasiver Beatmung waren die hyperplastischen und metaplastischen Veränderungen der Pneumozyten sowie die interstitiellen Fibrosierungen stärker und teilweise diffus ausgebildet. Die pulmopathologischen Veränderungen sind detailliert in Tabelle 1 aufgeführt.
Bei keinem der von uns obduzierten Patienten fanden sich eine tiefe Beinvenenthrombose oder makroskopisch sichtbare Thromboembolien der Pulmonalarterien. In keinem anderen Organ konnten entzündliche Veränderungen oder Mikrothromben festgestellt werden, sodass keine morphologisch fassbaren, extrapulmonalen Veränderungen dokumentiert werden konnten, die spezifisch der COVID-19 zuzuordnen waren.
Diskussion
Wir berichten über die autoptisch erhobenen Befunde von 13 infolge COVID-19 verstorbenen Patienten. Die Charakteristika unserer Kohorte ähneln anderen berichteten Fallserien und den demografischen Charakteristika der in Deutschland schwer an COVID-19 erkrankten Patienten. Daher ist davon auszugehen, dass die hier dargestellten klinischen und pathologischen Befunde trotz der begrenzten Fallzahl und dem monozentrischen Studiendesign das Spektrum der COVID-19-Manifestationen widerspiegeln (9, 15, 16).
Während zwölf der von uns untersuchten Patienten durch pulmonales oder kardio-pulmonales Versagen, das in unmittelbarem Zusammenhang mit COVID-19 stand, verstarben, hatte sich ein Patient klinisch bereits von einem schweren COVID-19-Verlauf erholt und verstarb vor geplanter Entlassung an den Folgen einer unteren intestinalen Blutung. Dies könnte darauf hindeuten, dass ein kleiner Teil der (symptomatischen) SARS-CoV-2-positiven Patienten unabhängig von einer COVID-19 verstirbt.
In dieser Studie konnten außerhalb der Lunge keine COVID-19-spezifischen Veränderungen nachgewiesen werden. Eventuelle zentralnervöse Manifestationen müssen mangels Untersuchung von dieser Feststellung ausgenommen werden. Im Gegensatz zu einer kürzlich publizierten Studie konnten wir keine tiefen Beinvenenthrombosen oder makroskopisch sichtbaren Thromboembolien der Pulmonalarterien finden (17). In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Mehrzahl (n = 9) der in unserer Studie untersuchten Verstorbenen während der stationären Behandlung eine antikoagulative Behandlung in therapeutischer Dosierung erhielt.
Schwere, potenziell vital gefährdende Vorerkrankungen waren – wenngleich auch bei unseren Patienten nachweisbar – keine Grundvoraussetzung für einen tödlichen Verlauf von COVID-19. Neben den in unserer Studie bestätigten Risikofaktoren wie hohes Alter und männliches Geschlecht erscheint es denkbar, dass weitere (zum Beispiel genetische oder immunologische) Faktoren für eine tödlich verlaufende COVID-19 prädisponieren.
Anhand der histologischen Befunde lässt sich eine spezifische Abfolge der schwergradigen Lungenpathologie bei COVID-19 ableiten. Unsere standardisierte Entnahme und pathomorphologische Untersuchung der Lungengewebe ergab, dass frühe Veränderungen, korrelierend zu prämortalen bildgebenden Befunden, fleckförmig im Lungenparenchym manifestiert sind (18). Sie beinhalten Mikrothrombosierungen alveolärer Kapillaren mit assoziierter fokaler Fibrinexsudation in die Alveolen, die sich offenbar aufgrund eines mikrovaskulären Schadens entwickeln. In der Folge bilden sich in belüfteten Alveolen hyaline Membranen und eine prominente Hyperplasie sowie eine squamöse Metaplasie der Typ-II-Pneumozyten aus. Mit Fortschreiten der Erkrankung manifestiert sich die Schädigung diffuser und geht im Weiteren (innerhalb von zwei Wochen) in einen progressiven fibrotischen Umbau der Alveolarsepten über. In diesem Stadium finden sich Lungenabschnitte mit akutem Alveolarschaden, Hyperplasie und squamöser Metaplasie von Typ-II-Pneumozyten neben Regionen mit Ablagerungen von jungem Kollagen.
Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die mikrovaskuläre Lungenstrombahn bei schwer an COVID-19 erkrankten Patienten frühzeitig geschädigt wird und einen wesentlichen Pathomechanismus in der Progression zur klinisch schwergradigen Erkrankung darstellt. Der Nachweis von Coronavirus-Partikeln in Endothelzellen mit einhergehender Endotheliitis stützt diese Hypothese weiter (12). Es bleibt jedoch offen, ob diese mikrovaskuläre Erkrankung Folge des Endothelzellschadens, einer erhöhten Thrombogenität beziehungsweise COVID-19-assoziierten Koagulopathie oder eines Zusammenwirkens dieser Faktoren ist. Bei einigen unserer untersuchten Patienten konnte auch eine Prädisposition zur mikrovaskulären Endothelschädigung der pulmonalen Strombahn durch die Vorerkrankungen nicht ausgeschlossen werden, wie zum Beispiel bei Patient 7 mit pulmonaler Vorschädigung bei dilatativer Kardiomyopathie oder den Patienten 4 und 8 mit einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung.
Die in dieser Studie gezeigte Schädigung der pulmonalen Mikrostrombahn bietet einen pathophysiologischen Erklärungsansatz für die klinische Konstellation einer bereits frühzeitig erniedrigten Sauerstoffsättigung bei noch nahezu normaler Dehnbarkeit (Compliance) der Lungen (19). Eine stringente Thromboseprophylaxe erscheint daher sinnvoll und könnte bereits frühzeitig hilfreich sein, sie kann jedoch – wie in unserem Kollektiv nachweisbar – die Mikrothrombosierung nicht sicher verhindern. Daher stellt sich die Frage, ob insbesondere bei steigendem D-Dimer eine weitere fibrinolytische Therapie erwogen werden sollte, um eine progressive Lungenschädigung zu verhindern. Laut einer Pressemitteilung zur RECOVERY-Studie (NCT04381936) soll niedrig-dosiertes Dexamethason die Sterblichkeit bei schwerer COVID-19 reduzieren (20). Dies kann möglicherweise auf eine vaskuläre Dexamethason-Wirkung zurückgeführt werden (21).
Die in unserer Kohorte nachweisbaren mit COVID-19 assoziierten Lungenveränderungen, wie Fibrinexsudation, hyaline Membranen und Hyperplasie der Typ-II-Pneumozyten, finden sich auch bei Patienten mit anderen viral bedingten Lungenschädigungen (zum Beispiel Influenza, SARS, MERS) (9, 10). Im Gegensatz zu anderen viralen Lungenerkrankungen sind gemäß unserer Daten und anderer Untersuchungen alveoläre kapilläre Mikrothrombosierungen bei COVID-19 wesentlich häufiger zu beobachten (12, 13).
Bei invasiv beatmeten Patienten war das parenchymatöse Schädigungsmuster deutlich stärker ausgeprägt. Eine Beatmungsdauer von mehr als zehn Tagen ging mit einer fleckförmigen Hyperplasie sowie mit einer zumindest fokalen squamösen Metaplasie der Typ-II-Pneumozyten einher. Außerdem zeigte sich bei sechs dieser Patienten eine interstitielle und alveoläre Fibrosierung, die bei drei von sechs Patienten nicht nur fokal ausgebildet war. Ob in diesen Fällen die Erkrankungsschwere und Verlängerung der Erkrankungsdauer per se oder die langfristige invasive Beatmung (mit teils hohen Beatmungsdrücken bei hohem Sauerstoffpartialdruck) maßgeblich für die organisierenden Veränderungen der schweren Lungenschädigung war, kann nur in Studien mit adäquaten Kontrollgruppen geklärt werden. Gleiches gilt für den Stellenwert der extrakorporalen Membranoxygenierung bei der Therapie von COVID-19 und für die Frage, ob die pulmonale Fibrosierung auch nichtletal verlaufender, schwerer COVID-19 zu einer andauernden signifikanten Funktionseinschränkung führen kann.
Fazit
Die erhobenen Obduktionsergebnisse belegen eine sequenzielle Abfolge der Prozesse einer Lungenschädigung bei letal verlaufender COVID-19, wobei die pulmonalen mikrovaskulären Thrombosierungen eine zentrale Rolle spielen. Die Befunde geben Hinweise auf therapeutische Ansatzpunkte, die helfen könnten, die Anzahl an Patienten mit schwer verlaufender COVID-19 zu reduzieren, und bilden die Grundlage für künftige mechanistische Analysen.
Danksagung
Wir danken Martin Bär und seinem Team für die Unterstützung bei den Obduktionen der Patienten mit COVID-19 und der Biobank des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) für die Asservierung und Verwaltung der biologischen Proben.
Interessenkonflikt
Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Manuskriptdaten
eingereicht: 28. 5. 2020, revidierte Fassung angenommen: 22. 6. 2020
Anschrift für die Verfasser
Prof. Dr. med. Thomas Longerich
Pathologisches Institut Uniklinikum Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 224
69120 Heidelberg
thomas.longerich@med.uni-heidelberg.de
Zitierweise
Kommoss FKF, Schwab C, Tavernar L, Schreck J, Wagner WL, Merle U, Jonigk D, Schirmacher P, Longerich T: The pathology of severe COVID-19 related lung damage— mechanistic and therapeutic implications. Dtsch Arztebl Int 2020; 117: 500–6. DOI: 10.3238/arztebl.2020.0500
Dieser Beitrag erschien online am 2. 7. 2020 (online first)
auf www.aerzteblatt.de
►Die englische Version des Artikels ist online abrufbar unter:
www.aerzteblatt-international.de
Zusatzmaterial
eTabelle:
www.aerzteblatt.de/20m0500 oder über QR-Code
Pathologisches Institut, Universitätsklinikum Heidelberg: Dr. med. Felix K. F. Kommoss, Dr. med. Constantin Schwab, Luca Tavernar, Johannes Schreck, Prof. Dr. med. Peter Schirmacher, Prof. Dr. med. Thomas Longerich
Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Universitätsklinikum Heidelberg: Willi L. Wagner
Zentrum für Translationale Lungenforschung, Deutsches Zentrum für Lungenforschung (DZL), Universitätsklinikum Heidelberg: Willi L. Wagner
Klinik für Gastroenterologie, Infektionen, Vergiftungen, Universitätsklinikum Heidelberg: Prof. Dr. med. Uta Merle
Institut für Pathologie, Medizinische Hochschule Hannover: Prof. Dr. med. Danny Jonigk
Biomedical Research in Endstage and Obstructive Lung Dis
ease Hannover
(BREATH), Deutsches Zentrum für Lungenforschung (DZL), Medizinische Hochschule Hannover: Prof. Dr. med. Danny Jonigk
TI Biobank; Deutsches Zentrum für Infektionsforschung (DZIF), Universitätsklinikum Heidelberg: Prof. Dr. med. Peter Schirmacher
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