BÜCHER
Ethik in der Psychotherapie: Moralische Werte im beruflichen Selbstverständnis


Das Buch erscheint wie rechtzeitig zur Einführung des reformierten Studienganges Psychotherapie im Herbst, der direkt zur Approbation als Psychotherapeutin oder Psychotherapeut führt. Die Studenten sollten sich mit ethischen Fragen auseinandersetzen.
Die Wortwahl im Titel könnte die Frage aufwerfen, wer Fachmann und wer Adressat ist, das stationäre oder das ambulante Erfahrungsfeld? Von den 32 Autorinnen und Autoren, die für 17 Artikel zeichnen, stammt nämlich die Mehrheit aus (Universitäts-)Kliniken und theoretischen Instituten. Das kommt dem geistigen Tiefgang zugute, führt aber zu Wiederholungen. Von Vorteil ist die große Bandbreite der versammelten Erfahrung, sodass den Interessierten eine inhaltsreiche, aber auch nicht ganz leichte Lektüre erwartet.
Ob es eine spezifisch „psychotherapeutische Ethik“ geben wird, wenn der Körper außen vor bleibt, oder ob sich der zukünftige Psychotherapeut in die ärztliche Ethik einfügen wird – und wie das gelingen könnte –, ist eine spannende Frage. Die ärztliche Ethik hat bekanntlich eine sehr lange Geschichte. Beiden Heilkundlern böte sich jetzt die Möglichkeit zu einer kollegialen Diskussion auf Augenhöhe über die Frage, ob sich eine spezifisch psychotherapeutische Ethik definieren ließe, die über das „Georgetown-Mantra“ (Beauchamp) hinausreichte.
Zwei Aspekte kommen leider zu kurz: Ethik ist kein Katalog von lernbaren Verhaltensregeln. Es sind moralische Werte, die emotional in das berufliche Selbstverständnis aufgenommen werden und dort unter Obhut einer hoffentlich intakten Selbstachtung kommen sollten. Das kann idealerweise in einer gelungenen Ausbildungserfahrung geschehen – was bekanntlich nicht immer der Fall ist. Insgesamt ein interessantes Buch. Richard Kettler
Florian Steger, Jürgen Brunner (Hrsg.): Ethik in der psychotherapeutischen Praxis. Integrativ – fallorientiert – werteplural. W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2019, 236 Seiten, kartoniert, 42,00 Euro