MANAGEMENT
COVID-19-Pandemie: Strafrechtliche Risiken


Die Coronapandemie hat zu einem tiefgreifenden Einfluss auf die tägliche Arbeit innerhalb medizinischer Einrichtungen geführt. Zur Bewältigung der Krise wurden auch neue Vorschriften erlassen, deren Nichteinhaltung eine sanktionsbewehrte Haftung nach sich ziehen kann.
Durch die neu erlassene Verordnung 2019-nCoVMeldVO wurde die Meldepflicht nach dem Infektionsschutzgesetz auf begründete Verdachts-, Krankheits- und Todesfälle im Zusammenhang mit dem neuartigen Coronavirus ausgedehnt. Stets zu melden ist eine durch eine Laboruntersuchung nachgewiesene Erkrankung oder der Tod infolge einer COVID-19-Infektion.
Verantwortlichen Ärztinnen und Ärzten droht ein Bußgeld bis zu einer Höhe von 25 000 Euro, wenn sie ihrer Meldepflicht nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig nachkommen. Ein derart empfindliches Bußgeld droht bereits, wenn die betroffene Person ihre Meldepflicht nicht kannte, obwohl sie sie hätte erkennen können oder ihre Meldepflicht zwar erkennt, jedoch darauf vertraut, dass kein meldepflichtiger Fall eintritt. Damit werden Ärzte einem empfindlichen Haftungsrisiko ausgesetzt, welches sich sogar noch verschärft, wenn sie durch die bußgeldbewehrte Handlung das Virus verbreiten. In diesem Fall kann sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren drohen.
Kenntnis über die eigene Meldepflicht
Eine Verurteilung ist aber nur möglich, wenn der Arzt seine Meldepflicht und die Verbreitung des Virus erkennt, das Ausbleiben einer erforderlichen Meldung und die Verbreitung jedoch billigend in Kauf nimmt. Es wird dabei wenig erfolgreich sein vorzugeben, eine Meldepflicht nicht gekannt zu haben, da über die Regelungen in den Medien berichtet wird und sie leicht einsehbar sind.
Sofern die Meldepflicht einen Arzt trifft, der in einem als Körperschaft organisierten Krankenhaus oder einer sonstigen medizinischen Einrichtung tätig ist, kann auch die Körperschaft mit einem empfindlichen Bußgeld sanktioniert werden, da es sich regelmäßig um eine betriebsbezogene Tat handelt. Die Einrichtung kann diesem Risiko begegnen, indem sie für eine reibungslose Organisation mit definierten Zuständigkeiten und ausreichenden Kapazitäten sorgt.
Neben den Risiken, die aus der Meldepflicht resultieren, droht den verantwortlichen Ärzten zudem eine strafrechtliche Verfolgung wegen fahrlässiger Körperverletzung oder gar fahrlässiger Tötung, sofern erforderliche Schutzpflichten nicht eingehalten werden. Dafür muss nachweisbar sein, dass die Infektion mit dem Coronavirus durch die Verletzung der Schutzpflicht verursacht wurde. Dies mag auch im Einzelfall schwierig sein. Es ändert aber nichts daran, dass es bei Vorliegen eines Anfangsverdachts – dessen Hürden sehr niedrig sind – zu einem Ermittlungsverfahren kommt, welches in der Regel nicht nur zeit- und kostenintensiv, sondern häufig auch mit Reputationsschäden verbunden ist. Auch wenn das Verfahren später eingestellt wird, dürften diese nicht mehr oder nur schwer zu heilen sein.
Schutz von Arbeitnehmern und Patienten
Der Arzt verletzt gegenüber seinen Angestellten seine Schutzpflicht beispielsweise dann, wenn eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter innerhalb der Arztpraxis Kontakt zu einer infizierten Person hatte und die Infektion nicht durch hinreichende Maßnahmen des Arbeitgebers verhindert wurde. Wenn ausgeschlossen ist, dass Mitarbeitende sich auch auf andere Weise infiziert haben könnten, kann der Arzt verantwortlich sein.
Nach dem SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard des BMAS (siehe Kasten), der zur Konkretisierung der Schutzpflichten herangezogen werden kann, gilt für Arbeitsmittel und Werkzeuge beispielsweise, dass diese ausschließlich durch dieselbe Person zu verwenden sind oder, falls dies nicht möglich ist, eine regelmäßige Reinigung vorzunehmen ist. Bei der direkten Versorgung von Patienten mit bestätigter oder wahrscheinlicher COVID-19-Erkrankung müssen gemäß den Arbeitsschutzvorgaben mindestens FFP2-Masken getragen werden. Vor dem Hintergrund der oben genannten Kann-Regelung dürfte der Arbeitgeber dabei verpflichtet sein, die Verwendung der Schutzgegenstände regelmäßig zu überprüfen. Anderenfalls kann er seinen Schutz- und Fürsorgepflichten nicht gerecht werden. Der Arbeitgeber ist weiterhin dazu verpflichtet, den Gesundheitszustand des eingesetzten Personals zu beobachten. Da das Personal in medizinischen Einrichtungen zur kritischen Infrastruktur zählt, hat das Robert Koch-Institut sogenannte Optionen zum Management von Kontaktpersonen unter medizinischem Personal in Arztpraxen und Krankenhäusern bei Personalmangel veröffentlicht (siehe Kasten). Diese Empfehlungen stehen allerdings in ständigem Widerstreit mit den Schutzpflichten des Arztes als Arbeitgeber gegenüber seinen Angestellten.
Auch gegenüber Patienten sind ausreichende Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Diese sind in den Sonderregelungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung festgelegt (siehe Kasten). Über die bereits in nahezu allen Einrichtungen etablierten medizinhygienischen Vorkehrungen wird das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes generell für Personal mit direktem Kontakt zu besonders vulnerablen Personengruppen empfohlen. Die Bedeckung kann nur vorübergehend abgelegt werden, wenn dies für die Behandlung zwingend erforderlich ist.
Alternativen zu persönlichem Kontakt
Darüber hinaus sind Maßnahmen zu ergreifen, um den persönlichen Kontakt – sofern möglich – zu vermeiden. Die Betreuung per Telefon steht allen ärztlichen Fachgruppen zur Verfügung, sofern es sich um bekannte Patienten handelt. Darüber hinaus können Videosprechstunden unbegrenzt und bei allen Indikationen abgehalten werden. Folgerezepte, Verordnungen und Überweisungen können postalisch an die Patienten versendet werden. Diese Option können jedoch nur Patienten in Anspruch nehmen, die bei dem jeweiligen Arzt in Behandlung sind. Patienten mit einschlägigen Krankheitsanzeichen sollten darauf hingewiesen werden, sich vor dem Betreten der Arztpraxis telefonisch anzumelden. RA Pieter Wiepjes
PARK Wirtschaftsstrafrecht
Handlungsoptionen und Hinweise
- Weitere Informationen zur Meldepflicht, insbesondere zum obligatorischen Inhalt einer Meldung, hat das Robert Koch-Institut (RKI) veröffentlicht.
http://daebl.de/WD53
- Zur Erfüllung der Meldepflichten empfiehlt es sich insbesondere in Krankenhäusern, die erforderlichen Kapazitäten zu schaffen, für einen reibungslosen Ablauf der Meldekette zu sorgen und die getroffenen Maßnahmen zu dokumentieren.
- Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat am 16. April 2020 einen Arbeitsschutzstandard veröffentlicht, der auf der Webseite des Ministeriums abrufbar ist.
http://daebl.de/KA66
- Das RKI hat Optionen zum Management von Kontaktpersonen unter medizinischem Personal in Arztpraxen und Krankenhäusern veröffentlicht.
http://daebl.de/ZN49
- Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat auf ihrer Webseite Informationen zum Coronavirus SARS-CoV-2 für Niedergelassene bereit gestellt, darunter auch Informationen zur Meldepflicht und Sonderregelungen für die ambulante Versorgung.
http://daebl.de/TV84
- Bei Unsicherheiten über die geltenden Maßnahmen sollte bei den jeweiligen Ärzteverbänden oder gegebenenfalls sogar bei einem spezialisierten Anwalt ein entsprechender Rat eingeholt werden.
- Generell gilt: Die rechtlichen Regelungen in den Bundesländern können sich aufgrund des dynamischen Geschehens innerhalb weniger Tage ändern. Diese sollten daher immer genau verfolgt werden. Nur bei aktuellem Kenntnisstand können sanktionsbewehrte Fehltritte vermieden werden.
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