ArchivDeutsches Ärzteblatt29-30/2020Frühes triple-negatives Mammakarzinom: Vorteil prophylaktischer Mastektomie nicht quantifizierbar, Entscheidung individuell

MEDIZINREPORT: Studien im Fokus

Frühes triple-negatives Mammakarzinom: Vorteil prophylaktischer Mastektomie nicht quantifizierbar, Entscheidung individuell

Gulden, Josef

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Foto: CLIPAREA.com/stock.adobe.com
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Eine neoadjuvante Therapie (NAT) beim frühen Mammakarzinom erfolgt, um Resektionen initial inoperabler Tumoren zu ermöglichen, aber auch, um schonender operieren zu können. Primäres Ziel der globalen BrighTNess-Studie war zu untersuchen, ob bei der hochaggressiven Form des triple-negativen Mammakarzinoms (TNBC) im Stadium 2 oder 3 mit und ohne Keimbahn-BRCA-Mutationen der PARP-Inhibitor Velaparib in Kombination mit einer neoadjuvanten Standardchemotherapie die Rate an pathohistologischen Komplettremissionen (pCR) erhöht. Das war nicht der Fall. Daten zum rezidivfreien und Gesamtüberleben stehen noch aus.

Nun sind Ergebnisse zur Frage publiziert worden, ob das Ansprechen auf die NAT die Operationsmethode beeinflusst (Brusterhaltung [BCT] vs. Mastektomie). Von 604 Patientinnen (median 50 Jahre alt, 14 % mit BRCA-Keimbahnmutation, 40 % mit klinisch auffälligen Lymphknoten) war bei 141 der Tumor initial als nicht für eine BCT geeignet erschienen, eine Einschätzung, die nach der NAT bei 75 von ihnen (53,2 %) revidiert wurde. Von den insgesamt 604 Patientinnen wurden 342 (56,6 %) dann mit BCT behandelt. Auffallend war, dass dies in Nordamerika nur bei 47 % geschah, in Europa und Asien hingegen bei 67 % der Patientinnen (Hazard Ratio: 2,66; [95%-Konfidenzintervall] [1,84; 3,84]). Außerdem erfolgte in den USA bei 36 % der Frauen, in Europa und Asien nur bei 6 % eine bilaterale Mastektomie. Eine starke Diskrepanz gab es auch bei Patientinnen mit BRCA-Keimbahnmutationen: Bei 92 % erfolgte in den USA eine kontralaterale prophylaktische Mastektomie mit Rekonstruktion, in Europa und Asien hingegen nur bei 35 %.

Fazit: Die Unterschiede beim operativen Vorgehen erklären die Autoren damit, dass in den USA die bilaterale Mastektomie mit Rekonstruktion selbst bei fehlender BRCA-Mutation oft komplett von den Krankenkassen bezahlt werde, in Europa und Asien hingegen eine kontralaterale prophylaktische Mastektomie nicht einmal bei BRCA-Mutation. Unklar ist allerdings, ob und welche Patientinnen mit pCR und guter Langzeitprognose vielleicht doch von einer prophylaktischen bilateralen Mastektomie profitieren könnten. „Diese Entscheidung sollte man nach ausführlicher Aufklärung den Patientinnen überlassen und sie keinesfalls von einer Kostenübernahme abhängig machen“, kommentiert Prof. Dr. med. Michael Untch, Chefarzt der Frauenklinik im Helios-Klinikum Berlin-Buch. „Es kann zum Beispiel sein, dass eine Patientin mit BRCA-Mutation das auch bei pCR nach NAT hohe Risiko eines Zweitkarzinoms von circa 40 % scheut und den Albtraum der erneuten Diagnose, Chemo- und Strahlentherapie auf keinen Fall noch einmal erleben möchte“, berichtet Untch von einer 42-jährigen Patientin mit kleinen Kindern. „Und natürlich sollten in den multidisziplinären Teams die onkologisch und chirurgisch behandelnden Kollegen bei der Aufklärung über die technische Möglichkeit einer BCT eng mit den Radiologen kooperieren, um der Patientin die Entscheidung zu erleichtern“, betont Untch. Josef Gulden

Golshan M, Loibl S, Wong SM, et al.: Breast conservation after neoadjuvant chemotherapy for triple-negative breast cancer. Surgical results from the BrighTNess randomized clinical trial. JAMA Surgery 2020; 155: e195410.

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