ArchivDeutsches Ärzteblatt29-30/2020Metastasiertes Kolorektalkarzinom: Zweitlinie ohne Chemotherapie

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Metastasiertes Kolorektalkarzinom: Zweitlinie ohne Chemotherapie

Schlenger, Ralf

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Die Kombination des BRAF-Inhibitors Encorafenib mit dem EGFR-Antikörper Cetuximab ist die erste zugelassene zielgerichtete Therapie für Patienten mit BRAFV600E-mutiertem metastasiertem Kolorektalkarzinom (mCRC), die bereits eine systemische Vortherapie erhalten haben.

Basis der EU-Zulassung der Kombination von Encorafenib (Braftovi®, Pierre Fabre) und Cetuximab vom 3. Juni 2020 sind die Daten der Phase-III-Studie BEACON (1). Sie zeigten ein signifikant verlängertes Gesamtüberleben sowie ein reduziertes Sterberisiko unter der Zweifachtherapie im Vergleich zur chemotherapeutisch behandelten Kontrollgruppe. „Durch die Zulassung ergeben sich neue Chancen für Patienten mit BRAFV600E-mutiertem mCRC, deren Erkrankung nach der Erstlinientherapie weiter progredient ist“, sagte Prof. Dr. med. Thomas Seufferlein, ärztlicher Direktor der Klinik für Innere Medizin I des Universitätsklinikums Ulm.

Eine BRAF-Mutation weisen 8 bis 12 % der mCRC-Patienten auf, davon sind 95 % BRAFV600E-mutiert. Das Protoonkogen BRAF codiert für die Serin/Threonin-Kinase B-Raf, ein Schlüsselenzym im MAPK-Signalweg. Dieser reguliert Zellteilungs- und Wachstumsvorgänge und ist an vielen onkologischen Prozessen einschließlich des mCRC beteiligt. Die BRAF-Mutation stört die Regulierung des MAPK-Signalwegs: Unabhängig von äußeren Stimuli bleiben Wachstumssignale dauerhaft und unkontrolliert aktiviert.

Mutation mit raschem Fortschreiten assoziiert

Das BRAFV600E-mutierte mCRC ist daher besonders schnell progredient, das Gesamtüberleben im Vergleich zum Wildtyp um etwa die Hälfte reduziert. Wirksame Therapieansätze fehlten bisher – insbesondere nach Versagen systemischer Vortherapien. Diese bestehen in der Regel aus einer Dublett-Chemotherapie, bei gutem Allgemeinzustand auch einer intensivierten Triplett-Chemotherapie. Je nach Molekularbiologie und Lokalisation des Tumors kommen zusätzlich Antikörper gegen VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor) oder EGFR (Epidermal Growth Factor Receptor) zum Einsatz.

Die Effektivität der Zweitlinie mit weiteren Chemotherapie-basierten Behandlungen, ob mit oder ohne EGFR-Antikörper, ist gewöhnlich deutlich geringer als die der Initialtherapie. Die Datenlage ist bei BRAFV600E-mutiertem mCRC insgesamt bisher sehr begrenzt. Chemotherapiefreie Alternativoptionen in späteren Therapielinien existierten bis zur Zulassung der Kombination Encorafenib/Cetuximab beim BRAFV600E-mutiertem mCRC nicht.

Aber weshalb die Zweifachblockade? Die Monotherapie mit einem BRAF-Inhibitor hat sich bei BRAFV600E-mutiertem mCRC als unzureichend erwiesen. Die Signalübertragung im MAPK-Weg wird zwar unterbrochen, kann jedoch aufgrund fehlender negativer Rückkopplung reaktiviert werden, wenn nicht zusätzlich der EGF-Rezeptor blockiert wird. Die Zweifachblockade mit BRAF- plus EGFR-Inhibition erwies sich in Phase-I- und II-Studien als vielversprechender Weg, die Antitumoraktivität zu erhöhen und Resistenzmechanismen zu begrenzen. Dies bildete die Rationale für die Untersuchung der Wirksamkeit im Rahmen der Phase-III-BEACON-Studie.

Die offene, multizentrische Studie schloss 665 Patienten mit BRAFV600E-mutiertem mCRC ein, die nach vorherigen systemischen Therapien eine Krankheitsprogression aufwiesen (1). Im Ergebnis zeigte sich für Encorafenib plus Cetuximab eine signifikante Verlängerung des Gesamtüberlebens (OS) um 40 %. Im Median 8,4 Monaten OS unter der Kombination standen 5,4 Monate in der Chemotherapie-basierten Kontrollgruppe gegenüber (HR 0,60; 95-%-KI 0,45– 0,79; p < 0,001). Darüber hinaus erzielte die Encorafenib/Cetuximab-Kombination eine im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant höhere objektive Ansprechrate (ORR 20 % vs. 2 %, p < 0,0001). Das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) betrug 4,2 Monate unter Zweifachblockade vs. 1,5 Monate (HR 0,40; 95-%-KI 0,31–0,52; p < 0,001) in der Kontrollgruppe.

Nebenwirkungen bergen keine Überraschungen

Das Verträglichkeitsprofil der Kombination aus Encorafenib und Cetuximab war handhabbar und jeweils konsistent mit den bekannten Profilen der Einzelsubstanzen. Als Nebenwirkungen mit einer Häufigkeit über 20 % – unabhängig vom Schweregrad – traten auf: abnormer Kreatininwert, Übelkeit, Diarrhö, abnormer Hämoglobinwert, Fatigue, akneiforme Dermatitis, verminderter Appetit, Abdominalschmerzen, Asthenie und Erbrechen. Ralf Schlenger

Quelle: Virtuelle Fachpressekonferenz „Neue Therapieoption beim metastasierten Kolorektalkarzinom (mCRC): Zielgerichtete Kombination aus Braftovi und Cetuximab zur Behandlung BRAFV600E-mutierter Patienten“, 4. Juni 2020; Veranstalter: Pierre Fabre Oncology

1.
Kopetz S, et al.: Encorafenib, binimetinib, and cetuximab in BRAFV600E–mutated colorectal cancer. N Engl J Med 2019; 38 (17): 1632–43 CrossRef MEDLINE
1.Kopetz S, et al.: Encorafenib, binimetinib, and cetuximab in BRAFV600E–mutated colorectal cancer. N Engl J Med 2019; 38 (17): 1632–43 CrossRef MEDLINE

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