BRIEFE
Flüchtlingsunterkünfte: Klartext


Stuttgarts Altbürgermeister Manfred Rommel konnte sein Lispeln vom Handicap zum Markenzeichen etablieren. Und auch einen leisen, menschenfreundlichen, schmunzelnden Humor. Zum Beispiel mit seiner Feststellung: „Es gibt Sätze, die zweifelsfrei richtig sind, mit denen aber keiner etwas anfängt.“
Die Politik beherrscht dieses Genre: „Wir müssen schauen, aus der Krise gestärkt hervorzugehen.“ „Wir müssen das Richtige tun, ohne das Kind mit dem Bade auszuschütten.“ Prof. Kayvan Bozorgmehr hat nun solche Nummer noch mit einer sprachlichen Verschwurbelung veredelt: „Basierend auf unserer Untersuchung ist das Ansteckungsrisiko in Sammelunterkünften bei Auftreten einer Coronainfektion als hoch einzuschätzen ... Allerdings liegt die Vermutung nahe, dass die beengten Verhältnisse der Sammelunterbringung in Mehrbettzimmern, eine hohe Personendichte und das Teilen von Sanitäranlagen und (wenn vorhanden) Küchen mit mehreren Personen das Risiko der Ausbreitung fördern. Daher wäre eine Reduzierung der Belegungszahlen, eine Unterbringung in Einzelzimmern und kleinen Wohneinheiten der beste Schutz der gegenseitigen Ansteckung.“
Endlich kommt Licht in das Dunkel. Endlich sagt mal einer, was Sache ist, redet einer Klartext. Ich wäre sonst an meiner Formulierung stehen- und steckengeblieben: „Sammelunterkünfte erhöhen wie erwartet das Infektionsrisiko.“ Aber schon in der Schule waren meine Aufsätze immer zu kurz.
Dr. med. Alexander Ulbrich, 70599 Stuttgart