MANAGEMENT
Patientenverfügung: Informationsflut ersetzt nicht das professionelle Gespräch
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Eine medizinische Fachberatung ist in der Regel nötig, um dem Patientenwillen gerecht werden und diesen in der gewünschten Form verschriftlichen zu können. Daher kommt bei der Erstellung von Patientenverfügungen dem Arzt-Patienten-Gespräch eine zentrale Rolle zu.
Auch wenn die Hausärztin oder der Hausarzt eine wichtige Ansprechperson bei der Erstellung der Patientenverfügung ist, werden Entscheidungen zur Behandlung in finalen Lebensphasen teilweise ohne vorherige ärztliche Konsultation getroffen. Patientenverfügungen werden dann im Alleingang erstellt, wobei häufig auf Ratgeberliteratur und Vorlagen zurückgegriffen wird. Auch Patienten, die das Gespräch mit dem betreuenden Arzt suchen, stützen sich mitunter als informierte Laien auf vorher Gelesenes und konfrontieren Behandelnde im Beratungsgespräch mit den zuvor entwickelten Vorstellungen. Angesichts der großen Verbreitung von Ratgeberliteratur und vor allem Internetinformationen zu Patientenverfügungen ist es auch für behandelnde Ärzte ratsam, für die existierenden Informationsquellen sensibilisiert zu sein, um diese gegebenenfalls in das Patientengespräch einbeziehen zu können.
Vorausschauende Planung
Das Verfassen einer Patientenverfügung ist gesetzlich geregelt (§ 1901 a BGB) und ermöglicht es, die eigenen Wünsche und Präferenzen zu Behandlungsmöglichkeiten festzulegen und für Situationen verbindlich zu machen, in denen die persönliche Artikulations- und Handlungsfähigkeit eingeschränkt ist.
Zwar ist die Zahl der Menschen in Deutschland, die eine Patientenverfügung besitzen, laut einer
repräsentativen Umfrage des Deutschen Hospiz- und Palliativverbands (1) in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Gleichzeitig hat immer noch mehr als die Hälfte der volljährigen Menschen in Deutschland keine Regelungen für den Fall getroffen, dass sie nur noch eingeschränkt handlungs- und artikulationsfähig sind.
In den vergangenen Jahren hat der Prozess des sogenannten „Behandlung im Voraus Planens“ (BVP, englisch: Advance Care Planning) an Bedeutung gewonnen. Ziel der vorausschauenden Behandlungsplanung ist es, in offener und wiederholter Kommunikation zwischen Patient, Behandelnden, Angehörigen und Betreuenden, den Patientenwillen festzustellen und gegebenenfalls ändern zu können. Während dieses Austausches werden die Wertvorstellungen und Wünsche des Patienten in verschiedenen Phasen vor und während einer Erkrankung erfasst, um für den Fall eingeschränkter Artikulationsfähigkeit den Patientenwillen berücksichtigen zu können. Im Zentrum des BVP-Konzeptes steht die Kommunikation zwischen Arzt und Patient als dynamischer und offener Prozess. Eine Patientenverfügung kann (muss aber nicht) als Ergebnis der gemeinsamen Entscheidungsfindung erstellt oder gegebenenfalls auf neue Situationen angepasst werden. Der behandelnde Arzt erfährt im Gespräch nicht nur den Wissens- und Informationsstand des Patienten zu diesem Themenkomplex. Ebenso können Vorstellungen von Lebensqualität und Selbstbestimmung verbunden mit relationalen und soziobiografischen Dimensionen artikuliert werden.
Am Anfang einer möglichen Beratung oder gar der Erstellung einer Verfügung steht in der Regel die Information über Möglichkeiten und Grenzen der Patientenverfügung. Über Gesundheitsthemen generell informieren sich Menschen heute vermehrt eigeninitiativ, was auf eine Vielzahl zugänglicher Quellen und eine zunehmend diversifizierte Mediennutzung zurückzuführen ist. Zwar nehmen Gespräche mit Ärzten und Pflegepersonal zu Gesundheitsthemen im Allgemeinen weiterhin einen hohen Stellenwert ein (2). Doch auch klassische Massenmedien wie Fernsehen, Radio, Tageszeitung oder Zeitschriften sowie zunehmend das Internet sind wichtige Informationsquellen, die die Vorstellungen von Patienten über Krankheit, Präventions- und Therapiemaßnahmen (mit)prägen.
Da die Wege, sich über Patientenverfügungen zu informieren, vielfältig sind und die Qualität der angebotenen Informationen variiert, sind Ärzte mit der Aufgabe konfrontiert, zu prüfen, wo Patienten ihre Informationen her haben und wie verlässlich diese sind. So lassen sich Missverständnisse identifizieren und Defizite in der Patientenverfügung beheben.
Präzise formulieren
Unpräzise Festlegungen beispielsweise, die im Alleingang oder nur mit unzureichendem Wissen erstellt werden und keine hinreichende Anleitung für die im Ernstfall behandelnden Ärzte darstellen, gilt es zu vermeiden. Dies ist besonders wichtig, da nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs im Jahr 2016 Patientenverfügungen präzise formuliert und beispielsweise konkrete ärztliche Maßnahmen, Behandlungssituationen oder Krankheiten genannt werden müssen. Für den Laien ist dies oft nur schwer zu überschauen.
Vordrucke von Patientenverfügungen und Beratungsangebote im Internet sollen Laien helfen, sind aber oft mit Kosten verbunden. Wie eine bundesweite Untersuchung der Verbraucherzentralen aus dem Jahr 2018 zeigt (3), sind diese aber oft mit kostenfreien Alternativen (zum Beispiel jener des Bundesjustizministeriums) identisch.
Als Alternative und Ergänzung ist eine Bandbreite an Ratgeberliteratur auf dem Markt verfügbar, die im Buchhandel erhältlich und häufig von Juristen (seltener von Medizinern) erstellt worden ist.
Patientenverfügung
Auch aktuell zeigt sich, wie wichtig es ist, BVP als einen Prozess zu konzipieren, in dessen Verlauf das Ergebnis (zumeist die Patientenverfügung) modifiziert werden kann. Im Zusammenhang mit der Coronapandemie wird viel über die Notwendigkeit diskutiert, Patientenverfügungen zu revidieren (4). Denn viele Menschen lehnen eine künstliche Beatmung in ihrer Patientenverfügung ausdrücklich ab. Die sich nun verbreitende Angst ist, dass man bei einem schweren COVID-19-Verlauf keine künstliche Beatmung erhalten würde, obwohl COVID-19 an sich kein klassischer Anwendungsfall für eine Patientenverfügung ist. Die Verbraucherzentrale empfiehlt daher, die Patientenverfügung zu überarbeiten, wenn sich die persönliche Meinung zu medizinischen Maßnahmen wie der Beatmung oder künstlichen Ernährung aufgrund der aktuellen Lage geändert hat (5).
Varianten der Erstellung
- Einfache Patientenverfügungen als fertige Vorlage oder Ankreuzvariante sind oft kostenfrei in Ratgebern enthalten und vergleichsweise simpel in der Handhabung. In den meisten Fällen sind sie jedoch auf Situationen des Sterbens oder der Todesnähe beschränkt und bieten wenig Möglichkeit zur Individualisierung.
- Patientenverfügungen, die aus Textbausteinen bestehen und individuell zusammengesetzt werden, bieten die Möglichkeit, sich eine erweiterte Standardpatientenverfügung, beispielsweise von einer Patientenschutzorganisation, erstellen zu lassen. In diesen Fällen werden durch die Patientenverfügung typischerweise gewisse Standardsituationen schwerer Erkrankungen und damit verbundener Behandlungen abgedeckt. Wertvorstellungen wie jene zu einem „würdevollen“ Sterben und Lebensqualität bei schwerer Pflegebedürftigkeit müssen eigenständig ergänzt werden.
- Individuell angepasste Patientenverfügungen sind in der Regel mit höheren Kosten verbunden, bieten jedoch gegebenenfalls eine größere Rechtssicherheit für die Betroffenen und sollten –
zumindest in der Theorie – alle Situationen von Einwilligungsunfähigkeit abdecken können. Individuelle Wertvorstellungen und Wünsche, potenzielle Krankheitsbilder und (un)erwünschte Behandlungsmethoden können aufgenommen werden. Anbieter sind unter anderem die Deutsche Stiftung Patientenschutz, die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben sowie der Humanistische Verband Deutschlands.
Hinweise und Empfehlungen zum Umgang mit Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen im ärztlichen Alltag hat die Zentrale Ethikkommision der Bundesärztekammer zusammengestellt:
http://daebl.de/XD18.
Eine medizinische Fachberatung ist in der Regel nötig, um dem Patientenwillen gerecht werden und diesen in der gewünschten Form verschriftlichen zu können. Daher kommt bei der Erstellung von Patientenverfügungen dem Arzt-Patienten-Gespräch eine zentrale Rolle zu.