ArchivDeutsches Ärzteblatt31-32/2020SARS-CoV-2: Neue Virusvariante ist infektiöser, verändert aber nicht den Verlauf von COVID-19

MEDIZINREPORT: Studien im Fokus

SARS-CoV-2: Neue Virusvariante ist infektiöser, verändert aber nicht den Verlauf von COVID-19

Meyer, Rüdiger

Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...
LNSLNS
Foto: anko/stock.adobe.com
Foto: anko/stock.adobe.com

Für das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 war prognostiziert worden, dass sich genetische Varianten ausbilden und zirkulieren würden. Sie lassen sich bei SARS-CoV-2 quasi life mitverfolgen, weil Forscher täglich Hunderte von Genomsequenzen auf die Plattform GISAID einstellen. Bis zum 2. Juli wurden dort die Daten von 58 871 SARS-CoV-2-Isolaten gespeichert.

In einer Variante des Wuhan-Referenzstamms ist eine Aminosäure an Position 614 des Spike-Proteins ausgetauscht. Sie hat sich in wenigen Wochen von Europa weltweit ausgebreitet. Die Infektiosität des Virus sei dadurch erhöht, ein Einfluss auf den COVID-19-Verlauf jedoch nicht erkennbar, so die Autoren. Auch die Wirkung von Serumtherapien oder Impfstoffen scheint vorerst nicht beeinträchtigt zu sein.

Die meisten Mutationen bleiben Einzelfälle, weil sie die Infektiosität des Virus nicht beeinflussen. Bei der Variante G614, die durch eine Punktmutation aus D614 entstanden ist, war dies anders. Die Variante wurde erstmals Ende Januar in China und in Deutschland entdeckt. Sie war in einem Haplotyp mit 2 weiteren Mutationen verbunden. Der jetzige Haplotyp, zu dem eine weitere Mutation hinzu kam, wurde erstmals am 20. Februar in einem Isolat aus Italien identifiziert.

Von dort verbreitete sich G614 rasant über Nordamerika, Ozeanien und Asien weltweit. Anfang März enthielten bereits 10 % der bei GISAID gespeicherten Sequenzen die Variante G614. Ende März waren es 67 % und am 18. Mai, dem Tag der Analyse, betrug der Anteil bereits 78 %.

Ein Teil der Ausbreitung ist vermutlich auf einen „Founder-Effekt“ zurückzuführen: Je früher eine Mutation im Verlauf einer Epidemie auftritt, desto häufiger ist sie später.

Fazit: Die Variante G614 von SARS-CoV-2 hat sich rasch ausgebreitet und die „Originalversion“ D614 in den meisten betroffenen Regionen ersetzt. Das durch die Mutation veränderte Spike-Protein bindet sich besser an den ACE2-Rezeptor, was dem Virus vermutlich das Eindringen in die Wirtszelle erleichtert und ihm einen Selektionsvorteil verschafft. Die Infektiosität ist erhöht und außerdem die Viruslast beim Patienten.

Korber B, Fischer WM, et al.: Tracking changes in SARS-CoV-2 Spike: evidence that D614G increases infectivity of the COVID-19 virus. Cell 2020; https://doi.org/10.1016/j.cell.2020.06.043.

Fachgebiet

Der klinische Schnappschuss

Alle Leserbriefe zum Thema

Stellenangebote