ArchivDeutsches Ärzteblatt31-32/2020Verschwörungstheorien: Dialog mit Patienten
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Als praktizierender Arzt bin ich immer wieder über die Sicherheit mancher Autoren verwundert, die in eindeutig richtige und falsche medizinische Maßnahmen oder … Glaube und Irrglaube unterscheiden. Da Patienten nicht alle gleich sind … und nicht alle gleich reagieren, ist oft auch die Studienlage nicht eindeutig. Trotzdem scheint es Mediziner und Wissenschaftsjournalisten zu geben, die dann zwischen guten und schlechten Studien unterscheiden und ein eindeutiges Votum für ihre Überzeugung in den Studien finden. Als praktizierender Arzt weiß ich den Wert klinischer Erfahrung zu schätzen, der sich im Begriff der evidenzbasierten Medizin (zumindest in dem ursprünglich englischen Begriff) wiederfindet. Meine klinische Erfahrung lehrt mich, dass medizinische Entscheidungen individuell getroffen werden müssen, Leitlinien und Studien dienen der Orientierung.

Der geforderte Dialog mit unseren kritischen Patienten und der Ausbau eines Vertrauensverhältnisses kann … nur gelingen, wenn auch wir Ärzte den Gedanken, der andere könnte recht haben, zulassen. Insbesondere beim Thema Impfaufklärung erlebe ich immer wieder sehr gut informierte kritische Eltern und leider auch
wenig dialogbereite Ärzte.

Ihr Artikel zum Umgang mit „Irrglauben“ führt leider gerade nicht zu einem offenen Dialog, … sondern zur Verstärkung einer vorgefassten Meinung von richtig und falsch.

Aufgrund solcher Artikel ist es auch verständlich, warum viele impfende Ärzte ihren Patienten, die in Zusammenhang mit Impfungen aufgetretenen Beschwerden melden, antworten, dass diese nicht von der Impfung kommen könnten und letztlich diese auch nicht dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) melden. Das unterhält einen circulus vitiosus, denn was nicht gemeldet wird, kann auch nicht von anderen Ärzten wahrgenommen werden.

Ich kenne persönlich zwei Kinder, bei denen autistische Symptome in zeitlichem Zusammenhang mit einer Masernimpfung aufgetreten sind, beiden Eltern wurde natürlich versichert, dass diese nicht von der Impfung seien, aber allein der zeitliche Zusammenhang und das Fehlen einer anderen Ursache sollten zumindest zu einer Meldung an das PEI führen.

Aktuell können wir aufgrund dieser fehlenden Meldungen nicht genau sagen, wie häufig Impfkomplikationen tatsächlich auftreten. Diesen Missstand gilt es dringend zu beseitigen, denn erst wenn wirklich verlässliche Zahlen vorliegen, können wir einen Versuch wagen, die Evidenz von Impfungen zu beurteilen und somit einen souveränen Dialog mit unseren Patienten führen.

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