POLITIK
KBV-Versichertenbefragung: E-Health wird positiv gesehen


Die Mehrheit der Patientinnen und Patienten erhofft sich von einer umfassenden Digitalisierung eine künftig noch bessere Versorgung. Positive Effekte auf die Beziehung zwischen Patient und Therapeut erwarten im Zusammenhang mit der Digitalisierung jedoch die wenigsten.
Laut der Ende Juli veröffentlichten Versichertenbefragung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) versprechen sich mehr als die Hälfte der Versicherten (51 Prozent) grundsätzlich künftig Vorteile von der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Allerdings befürchten 39 Prozent auch, dass sich das Verhältnis von Ärzten und Patienten eher verschlechtert. „Der persönliche Kontakt sowie das persönliche Gespräch mit dem Arzt bleibt deshalb der Goldstandard und wird von Patienten auch so gewünscht“, betonte in diesem Zusammenhang Dr. med. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV. Keine App, selbst wenn sie demnächst von den Krankenkassen bezahlt wird, könne den persönlichen Kontakt zum Arzt oder Psychotherapeuten ersetzen.
Empfehlungen zu Gesundheits-Apps möchten 58 Prozent der Smartphone-Nutzer unter den Patientinnen und Patienten am liebsten von ihrem Arzt beziehungsweise Therapeuten. KBV-Vize Hofmeister sieht hierin einen großen Vertrauensbeweis. Dr. med. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der KBV, betonte in diesem Zusammenhang nachdrücklich, eine vollumfängliche Beratung zu Gesundheits-Apps durch die Ärzte und Psychotherapeuten sei angesichts des großen, komplexen sowie vor allem schnelllebigen Marktes „nicht leistbar“. Man werde sich im Versorgungsalltag wohl auf die durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) getesteten digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) konzentrieren – diese können demnächst von Ärzten und Psychotherapeuten verordnet werden.
Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) hatte in diesem Zusammenhang bereits mehrfach betont, dass Gesundheits-Apps die Versorgung psychisch kranker Menschen durchaus ergänzen können. Mit wirksamen Gesundheits-Apps lasse sich die jeweilige psychotherapeutische Behandlungen intensivieren, indem Ärzte oder Psychotherapeuten sie gezielt einsetzen – beispielsweise um die Bewältigung angstauslösender Situationen wirksamer üben zu können. Zudem könnten so zwischen den Gesprächsterminen zusätzliche Behandlungseinheiten oder Übungen auch ohne den Psychotherapeuten ermöglicht werden. Wünschenswert aus Sicht der BPtK: ein Online-Verzeichnis zu den vom BfArM positiv getesteten DiGA.
Das eine solche möglichst schnelle und unkomplizierte Informationsmöglichkeit zu digitalen Anwendungen nötig ist, zeigen die schon jetzt stetig steigenden Nutzerzahlen. Auch ohne GKV-weite Verordnungsmöglichkeit kletterte die Nutzerrate innerhalb von drei Jahren bei den von der KBV Befragten von 13 Prozent auf aktuell 18 Prozent – in der Altersgruppe bis 29 Jahre nutzt sogar fast ein Drittel bereits Gesundheits-Apps auf dem Smartphone.
Zufriedenheit hoch
Laut der KBV-Befragung betrachteten 91 Prozent aller Befragten ihr Vertrauensverhältnis zum letztbesuchten Arzt als „gut“ (38 Prozent) oder sogar „sehr gut“ (53 Prozent). Die Zufriedenheit der Bevölkerung mit den niedergelassenen Ärzten bleibt also hoch – die Versichertenbefragungen der KBV in den vergangenen Jahren hatten vergleichbare Werte ergeben. Genauso positiv wie das Vertrauensverhältnis wurde auch die Fachkompetenz der Ärzte bewertet. Zusammen 92 Prozent der Befragten sprachen dem zuletzt aufgesuchten Mediziner sehr gute (49 Prozent) oder gute (43 Prozent) fachliche Qualitäten zu.
„Die Befragung verdeutlicht die hohe Wertschätzung für die Arbeit der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte“, zog KBV-Chef Gassen ein positives Fazit. Die Zufriedenheitswerte und die Kompetenzzuschreibungen der Befragung befänden sich erfreulicherweise auf konstant hohem Niveau. Zudem sei feststellbar, dass sich die Wartezeiten von gesetzlich und privat Versicherten – entgegen manch anderer Behauptungen – immer mehr angleichen, betonte der KBV-Chef. Der Topos stark unterschiedlicher Wartezeiten sei, dass zeige sich nun wieder, „ein Märchen“.
Der Anteil der gesetzlich Versicherten, die ohne Wartezeit einen Termin bekamen, ist laut KBV-Befragung mit 31 Prozent, ein Plus von 2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, nahezu identisch mit dem entsprechenden Anteil der privat Versicherten mit 30 Prozent (± 0 Prozent). Acht von zehn Befragten (80 Prozent) gaben an, dass es nicht zu lange gedauert habe, bis sie einen Termin bekamen (Vorjahr: 79 Prozent).
Allerdings nahm sowohl bei gesetzlich wie auch privat Versicherten der Anteil derer zu, die mehr als drei Wochen auf einen Arzttermin warten mussten: Bei den GKV-Patienten gaben dies 16 Prozent an, bei PKV-Patienten 13 Prozent (jeweils plus ein Prozent). Die bestehenden Probleme mit teils längeren Wartezeiten seien aber nicht, so Gassen, auf das duale Versicherungssystem zurückzuführen. Vielmehr stünden andere Probleme dahinter, welche zu einer insgesamt sinkenden Arztzeit führen. Die Ärzte und Psychotherapeuten würden ihren Job so gut wie möglich machen – Aufgabe der Politik sei es, für die Niederlassung fördernde Rahmenbedingungen zu sorgen.
Psychotherapie
Spezifische Kennzahlen zur psychotherapeutischen Versorgung erhob die KBV im Rahmen der diesjährigen Befragungsrunde nicht. Nachdem in den vergangenen Jahren, auch mit dem Ziel belastbare Ergebnisse auf der Ebene der 17 Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) ausweisen zu können, über 6 000 Interviews auch zur Thematik Psychotherapie geführt wurden, wurde die Fallzahl für die aktuelle Befragung vor dem Hintergrund der beginnenden Hochphase der Coronaepidemie reduziert.
Im Jahr 2019 hatten 14 Prozent aller Versicherten angegeben, dass sie in den letzten drei Jahren mindestens einmal wegen eines seelischen Problems ärztliche, psychotherapeutische oder psychologische Hilfe benötigt haben. Unter den Befragten, die wegen entsprechender Probleme in diesem Zeitraum auf Hilfe angewiesen waren, hatten – ohne große Veränderungen zu früheren KBV-Versichertenbefragungen – 64 Prozent einen Psychotherapeuten aufgesucht.
Ein positives Ergebnis der Versichertenumfrage: Die Bekanntheit der Telefonnummer 116117 für den ärztlichen Bereitschaftsdienst hat erneut deutlich zugenommen. Nach 37 Prozent im Vorjahr meinen jetzt 45 Prozent aller Befragten, dass sie die Telefonnummer für den ärztlichen Bereitschaftsdienst kennen. Unter denjenigen Befragten, die angeben, diese Nummer zu kennen, antworteten auf Nachfrage nach der genauen Telefonnummer 71 Prozent korrekt – dies entspricht einem faktischen Bekanntheitsgrad von 32 Prozent. Im Jahr 2019 betrug dieser Wert noch 19 Prozent. Die umfassende Informationskampagne scheint also zu greifen. Für KBV-Chef Gassen ein gutes, aber noch ausbaufähiges Zwischenergebnis. Den „Härtetest als Corona-Hotline“ habe die Rufnummer aber bestanden und ihre Stabilität auch an Kapazitätsgrenzen unter Beweis gestellt. Wenn vom telefonischen Patientenservice der 116117 Gebrauch gemacht wurde, waren die Erfahrungen überwiegend positiv. Zusammengenommen 68 Prozent haben gute (37 Prozent) oder sehr gute (31 Prozent) Erfahrungen gemacht. Gefragt nach dem Grund für die Nutzung der 116117 nannten 17 Prozent Anliegen rund um das Coronavirus, bei 83 Prozent hatte der Anruf aber andere Ursachen.
Künftige Herausforderungen
Als eine der größten Herausforderungen für das deutsche Gesundheitssystem in den nächsten Jahren wurde von den Befragten die knapper werdenden Personalressourcen genannt. Danach gefragt sahen 14 Prozent der Versicherten den Mangel an Ärzten als größtes Problem und 12 Prozent den Mangel an Pflegekräften beziehungsweise sonstigem Personal im Gesundheitsbereich. Die entsprechenden Sorgen seien bei den Versicherten längst angekommen, so Gassen. Diese sollten auch und insbesondere von der Politik endlich ernst genommen und angegangen werden. Die Arbeitsbedingungen in den Praxen müssten so gestaltet werden, dass sich junge Ärzte wieder verstärkt niederlassen – die „immer restriktiveren Eingriffe der Politik in die Praxen“, etwa bei der Digitalisierung, seien da kontraproduktiv. André Haserück