SUPPLEMENT: Perspektiven der Onkologie
Prostatakarzinom und HPV: Assoziation wahrscheinlich


Die Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen dem humanen Papilloma-Virus und Prostatakarzinomen verdichten sich. Dennoch fehlt weiterhin der Beleg, ob die Infektion mit dem Virus auch Auslöser oder Treiber der Onkogenese ist.
Wie im vorherigen Artikel „Viren und Krebs“ von Zapatka und Knebel Doeberitz beschrieben, hat ein bedeutender Anteil der Krebserkrankungen eine virale Ursache. Die Hinweise verdichten sich, dass auch die Entstehung des Prostatakarzinoms in direktem Zusammenhang mit dem HP-Virus stehen könnte.
In einer Metaanalyse (1) aus 26 Studien, die in „Infectious Agents and Cancer“ erschienen ist, kommen 2 australische Wissenschaftler zu dem Schluss, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen einer Infektion mit humanen Papillomaviren (HPV) und Prostatakrebs sehr wahrscheinlich ist.
Hochrisiko-HPV wurden in 22,6 % von 1 284 Prostatakarzinomen nachgewiesen, in den normalen oder benignen Kontrollen waren es hingegen nur 8,6 % von 1 313. HPV 16 und HPV 18 sind als besonders gefährlich in Bezug auf Gebärmutterhalskrebs bekannt.
Die Studie ergab, dass HPV-Infektionen die Onkogenese der Prostata direkt oder indirekt über Elemente des Immunsystems initiieren könnten. Allerdings sei es auch möglich, dass die Viren bei der Onkogenese auch mit anderen Erregern interagieren. Die Rolle von HPV bei Prostatakrebs sei sehr komplex und unterscheide sich von Gebärmutterhalskrebs.
Ein weiterer Hinweis auf den Zusammenhang einer HPV-Infektion mit Prostatakrebs lieferten Daten zur Sterblichkeit in mehreren Ländern: In Ländern, in denen die Sterblichkeit durch Gebärmutterhalskrebs hoch war, war auch die Sterblichkeit durch Prostatakrebs hoch, während in Ländern, in denen die Sterblichkeit durch Gebärmutterhalskrebs niedrig war, die Sterblichkeit durch Prostatakrebs ebenfalls niedrig ausfiel. „Es ist wahrscheinlich, dass eine prophylaktische Impfung das Risiko für HPV-induzierte Karzinomerkrankungen senken kann. Die Daten für die Zervixkarzinome sind bekannt. Ich bin mir nicht sicher, ob es bereits Daten bei anderen Krebserkrankungen gibt, allerdings würde ich einen Zusammenhang vermuten“, erklärt Prof. Dr. Peter Hammerer, Leiter der Urologischen Klinik, Städtisches Klinikum Braunschweig und Vorstandsmitglied der Europäischen Urologischen Krebsgesellschaft (ESOU). Aus diesem Grund erscheine es auch logisch, auf die Impfung bei Jungen hinzuweisen. Ob eine spätere Impfung einen Vorteil hat, ist seines Erachtens jedoch unklar.
Zurückhaltend äußert sich Prof. Dr. Michael Muders, Zentrum für Pathologie, Universitätsklinikum Bonn: „Seit 2015 gab es mehrere Publikationen, die eine Assoziation von HPV mit dem Entstehen von Prostatakarzinomen nahelegen. All dies sind Assoziationsstudien, ein wirklich wissenschaftlicher Beweis steht weiterhin aus.“ Auch in dem aktuellen Review werde ein Zusammenhang zwischen einer HPV-Infektion und Prostatakarzinom nur aufgrund von Assoziationen nahegelegt. Dabei seien allerdings stringentere Kriterien als in den früheren Metaanalysen angewandt worden. „Trotzdem fehlt immer noch ein stichhaltiger wissenschaftlicher Beweis, auf dessen Grundlage weitere Handlungsempfehlungen ausgesprochen werden können“, sagt Muders weiter.
Auch die Autoren geben zu, dass noch Evidenz in Bezug auf die Onkogenese fehlt. Dazu müssten Genomstudien durchgeführt werden, bei denen HPV am besten in menschliche Prostatazellen in Zellkultur eingebracht werden. Erst damit wäre man dazu in der Lage, Kausalität zu belegen.
In allen deutschsprachigen Ländern wird eine HPV-Impfung auch für Jungen empfohlen. Diese Empfehlungen weisen zwar auch auf einen karzinogenen Effekt einer HPV-Infektion bei Jungen im Hals- und Rachenraum hin, allerdings wird diese Empfehlung hauptsächlich damit begründet, dass HPV sexuell übertragbar sind und eine Impfung bei Jungen auch Mädchen schütze. ▄
DOI: 10.3238/PersOnko.2020.08.17.05
Dustin Grunert
1. | Lawson JS, Glenn WK: Evidence for a causal role by human papillomaviruses in prostate cancer – a systematic review. Infect Agent Cancer 2020; 15: 41. Doi: 10.1186/s13027-020-00305-8 CrossRef MEDLINE PubMed Central |