BRIEFE
Pandemie und Folgen: Was muss noch passieren?


Eine mögliche zweite SARS-CoV-2-Welle steht vor der Tür und ich stelle fest, dass sich seit der ersten Welle kaum etwas verändert hat. Mein Leserbrief soll nicht polemisch verstanden werden, sondern als verzweifelter Ruf. Ich arbeite seit 1994 in der Pflege und leite seit 2007 eine Notfallambulanz.
Die Stimmen aus Medizin und Pflege in den letzten Wochen und Monaten fanden in den Medien Gehör, brachten jedoch kein Ergebnis zugunsten der betroffenen Berufsgruppen (medizinisches Personal).
Viele Dinge nahmen wir bislang billigend in Kauf: das Klatschen auf den Balkonen, den Bonus, der nie ausgezahlt wird, die Gefahrenzulage, die es für uns nicht gibt, den Unmut der Bevölkerung, wenn es um Sicherheitskonzepte in der Klinik geht und die damit verbundene nötige Aufklärung, die Rechtfertigung von mehr Personal bei sinkenden Fallzahlen, die Not, als die Schutzausrüstung knapp wurde (ABAS 609), die Tatsache, dass wir bis heute nicht getestet werden, dass es für uns aufgrund der Systemrelevanz im Bedarfsfall eine Pendlerquarantäne gibt, dass Kolleginnen/Kollegen, die zur Risikogruppe gehören, an vorderster Front arbeiten dürfen, während andere Menschen bei vollem Lohn daheimbleiben (z. B. Lehrer), das Risiko der Ansteckung wegen qualitativ mangelhafter Schutzausrüstung, die Interviews mit den Herren Spahn, Laumann etc., die selten die Realität wiedergeben.
Nachdem die Fußballspieler getestet wurden, sind nun die Lehrer und Erzieher an der Reihe und natürlich die Urlaubsrückkehrer.
Meine Fragen an die Politik: Was muss passieren, damit wir auch regelmäßig getestet werden, unser Stellenplan bundesweit in jeder Klinik/Einrichtung adäquat angepasst und von den Kassen, vom Land entsprechend vergütet wird, ohne die ganze Last auf den Arbeitgeber abzuwälzen, wir adäquat bezahlt werden, auch dann, wenn wir zur Risikogruppe gehören und bei vollem Lohnausgleich daheimbleiben? Es muss sich was ändern und zwar sehr bald, am besten noch bevor die „zweite Welle“ hereinbricht. Denn vor meinem geistigen Auge sehe ich diesmal die Pflegenden und Mediziner aus der gesamten Bundesrepublik auf den Balkonen stehend, um gegen die Pandemie zu klatschen.
„Wir werden in ein paar Monaten wahrscheinlich viel einander verzeihen müssen ...“ (Bundesgesundheitsminister Spahn). Mit meinem Arbeitgeber bin ich zufrieden, aber ich wünsche mir uneingeschränkte Ehrlichkeit und Wertschätzung von der Politik.
Angelos Chatzimeletis, Pflegeleiter, 51647 Gummersbach