MEDIZINREPORT: Studien im Fokus
Abstoßungsprophylaxe nach Organtransplantation: Therapie mit regulatorischen Immunzellen hilft, Immunsuppressiva einzusparen


Nach einer Organtransplantation erhalten die Patienten lebenslang eine Immunsuppression als Abstoßungsprophylaxe. Je intensiver sie ist, desto höher im Allgemeinen auch die Risiken für Malignome und Infektionen. Auch kann sie das Transplantat schädigen, Calcineurininhibitoren zum Beispiel die Nieren.
Damit die Transplantate so lang wie möglich funktionsfähig bleiben und Retransplantationen und unerwünschte Effekte beim Organempfänger vermieden werden, sind international Strategien zum Einsparen von Immunsuppressiva in Erprobung, darunter die Behandlung mit regulatorischen Zellen. Sie modulieren die Aktivität des Immunsystems über zelluläre Netzwerke.
In der The ONE Study wird erforscht, ob Zubereitungen von Zellen mit immunregulatorischen Eigenschaften bei Nierenempfängern die Immunsuppression reduzieren helfen. Nun sind die Ergebnisse von 6 je einarmigen Phase-1/2A-Studien mit Präparationen verschiedener Zellen oder Zelltypen publiziert worden plus die Daten einer Studiengruppe, die als Referenz diente. Standard-of-care-Therapie war eine Induktion mit Basiliximab, Steroide (ausschleichend bis Woche 15), Mycophenolatmofetil und Tacrolimus. Teilnehmer aller Studien waren Empfänger lebend gespendeter Nieren, da das Setting der Lebendspende eine optimale Logistik und ein optimales Monitoring ermöglicht. Es haben 4 europäische Ländern und die USA teilgenommen. Koordinator des Projektes ist Prof. Dr. med. Edward K. Geissler vom Universitätsklinikum Regensburg.
In den 6 Studien wurden 6 verschiedene zellbasierte medizinische Produkte (CBMPs) untersucht. Im Wesentlichen waren dies Präparationen von regulatorischen T-Zellen (Treg), darunter zwei Spenderantigen-reaktive Treg-Zellpräparationen, außerdem dendritische Zellen (DC) und Makrophagen mit regulatorischen Funktionen (Mreg). Eines der untersuchten Produkte enthielt autologe, toleranzinduzierende DC. Die CBMPs ersetzten die Induktion mit Basiliximab, im übrigen entsprach die Abstoßungsprophylaxe der Referenz. Primärer Endpunkt war die Rate der Biopsie-bestätigten akuten Rejektionen (BCAR) innerhalb von 60 Wochen nach OP.
66 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 47 Jahren wurden in der Referenzstudie behandelt und 38 in den 6 Studien (Durchschnittsalter: 45 Jahre). Die Häufigkeit der BCAR nach den Zelltherapien war mit 16 % vergleichbar mit der der Referenzstudie (12 %), der Unterschied war nicht signifikant. Spenderspezifische Antikörper traten bei 15 % in der Zelltherapiegruppe auf und bei 14 % in der Referenzgruppe – jeweils nach 60 Wochen. Es konnte bei 15 von 38 Patienten (40 %) bei Therapie mit regulatorischen Zellen das Immunsuppressivum Mycophenolatmofetil komplett ausgeschlichen und die Rejektionsprophylaxe auf eine Tacrolimus-Monotherapie reduziert werden.
Außerdem traten weniger Infektionen bei der Zelltherapie auf als in der Referenzgruppe und es gab keine relevanten Nebenwirkungen.
Fazit: Therapien mit regulatorischen Immunzellen im Rahmen von Pilotstudien ermöglichten, die Abstoßungsprophylaxe zu reduzieren, ohne das Risiko akuter Abstoßungen zu erhöhen. Klinisch relevant sei auch, dass keiner der zelltherapierten Organempfänger an einer Infektion mit Herpesviren erkrankt sei, merken die Autoren an.
Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze
Sawitzki B, Harden PN, Reinke P, et al.: Regulatory cell therapy in kidney transplantation (The ONE Study): a harmonised design and analysis of seven non-randomised, single-arm, phase 1/2A trials. Lancet 2020; 395: 1627–39.