ArchivDeutsches Ärzteblatt33-34/2020Digitalisierung: Nicht verhältnismäßige Ungeduld
Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...
LNSLNS

Sie schreiben, „der Medikationsplan wird endlich digital“. Ist er das nicht über vier Jahre, seit Einführung des QR-Code-Bundesmedikationsplans zum 1. April 2017?

Wir scannen, prüfen und aktualisieren ihn längst elektronisch – als Fachärzte, obwohl weder Prüfmodul (ifox) noch Scanner und Anbindung (1000,- Euro) vorgeschrieben sind oder vergütet werden. Die Arzneisicherheit ist dadurch gestiegen. Die TI nutzt diesen Mehrwert dann 2021.

Digitale Anwendungen vorschreiben ist kein „für sie sorgen“, wenn niedergelassene Fachärzte (die das Gros der Spezialuntersuchungen und -verordnungen auf steigenden Sicherheitsniveaus leisten) mit hoher Aufgabenlast die personellen Ressourcen dafür nicht bekommen: ein höherer Dienst hat sicher selten mit den zahlreichen Patient/innen Kontakt, die diese Anwendungen weder wollen noch können. Solche Vermittlungsarbeit aber erfordert nichtvorhandene Mitarbeiter/innen! Es reicht nicht, Software-Konnektorkosten zu erstatten und eine Best-case-Pauschale. Nicht einmal die Folgen von Datenschutzpannen oder die Fehlersuche/-behebung bei TI-Störungen von Medizingeräte- und Praxisprogrammen sind abgedeckt.

Und wo stehen die qualifizierten IT-Techniker bereit, wenn tausende Ärzte „ihr Systemhaus“ anrufen?

Warum also auch verbliebene „nichtkönnende“ Ärzte bei Strafe zwingen, ohne Datensicherheitsfolgeabschätzung die Sicherheit und Tragfähigkeit der TI auf eigenes Risiko zu prüfen? Warum zunehmende Sanktionen für TI-Abwarter (solange TI und Begleitstrukturen unfertig), wenn selbst die dringende Corona-App freiwillig blieb?

Nemo ultra posse obligatur, sagten die Römer: niemand muss, was er nicht kann. Ungeduld macht Sanktionen nicht verhältnismäßig.

Dr. med. Martin Westarp, 63897 Miltenberg

Fachgebiet

Zum Artikel

Der klinische Schnappschuss

Stellenangebote