

Wenn ein Fussballverein einen begabten Stürmer für zig Millionen einkauft und dieser wie am Fließband Tore schießt, heißt es: Seht her, das hat sich gelohnt! Wenn wir, wie alle Welt auch, für noch mehr Millionen Mund-Nasen-Schutze kaufen und Abstand halten, haben wir im besten denkbaren Fall nichts davon, präziser gesagt: Wir merken nichts, weil wir nicht infiziert werden und andere nicht infizieren.
Bei manchem drängt sich, je länger er mit dem derzeit obligatorischen Schnutendeckel herumläuft, daher das Gefühl auf: Das lohnt sich doch gar nicht. Und genau hier liegt die Gefahr: Prävention ist dann besonders erfolgreich, wenn nichts passiert. Prävention fühlt sich aber an wie eine Bundesligasaison, bei der alle Mannschaften die gleiche Punktzahl bekommen, egal wie viele Tore erzielt werden, und am Ende steigen alle ab. Oder alle werden Deutscher Meister, dann können sich bundesweite Stammtische nur noch mit der Frage beschäftigen, ob nicht zur Abwechslung mal Schalke 04 die Schale bekommen soll, weil rein numerisch Bayern München diese schon viel zu oft in den Fingern hatte.
Prävention fühlt sich an wie ein Formel-1-Rennen, bei dem kurz vor Schluss alle Fahrer durch das Safety- Car eingebremst werden und hübsch nebeneinander und zeitgleich die Ziellinie passieren. Dann würden diesbezügliche Sportwettenanbieter ihrer wirtschaftlichen Grundlage beraubt sein und vor der kniffligen Frage stehen, wie sie zwecks Erlangung staatlicher Hilfsgelder ihre Systemrelevanz darlegen könnten.
Solch eine ergebnislose Austragung sportlicher Wettkämpfe entfacht ungefähr so viel Begeisterung wie das Studium eines Beipackzettels und passt so gar nicht zu unserer Leistungsgesellschaft. Denn wir wollen schließlich für jeden Einsatz, den wir leisten, auch belohnt werden. Das beginnt im Kindesalter, wenn kindliche Krakeleien mit Süßigkeiten gelobt werden, und wird in der Schule fortgeführt, wenn man durch Überspringen einer Klasse die ungeliebte Schulzeit verkürzen kann. Später, erfolgreich im Beruf angekommen, winken bei überdurchschnittlichen Leistungen Bonuszahlungen und Gehaltsaufstockungen.
Dass die fiskalische Würdigung überdurchschnittlicher Leistungen nicht unbedingt für den ärztlichen Bereich gilt, mag ein Grund dafür sein, dass wir durchaus einen Sinn für etwas scheinbar so Sinnloses wie Prävention entwickelt haben. Ein anderer Grund liegt darin, dass wir die gesundheitlichen Folgen studiert haben, die sich zwangsläufig entwickeln, wenn präventive Maßnahmen außer Acht gelassen werden.
Im Wissen um diese Umstände und dem Wunsch, unsere Schutzbefohlenen vor üblen gesundheitlichen Folgen zu bewahren, haben wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, uns häufig die Zungen blutig geredet. Oft so lange und so intensiv, dass wir uns nachher gefragt haben, ob wir nicht chirurgische Hilfe zur Blutstillung unserer lädierten Zungen in Anspruch nehmen sollten.
Aufgrund dieser umfangreichen Erfahrungen sind wir quasi Experten auf dem Gebiet, die Menschen davon zu überzeugen, ganz viel für möglichst nichts zu tun, und daher sind wir in diesen Zeiten überaus gefordert. Wir müssen unseren Mitmenschen sozusagen die Schönheit einer Bundesligatabelle nahebringen, die nur das Unentschieden kennt.
Daher setze ich jetzt meinen Schnutenschutz auf und eile mit dem berauschenden Gefühl in die Praxis, etwas überaus Sinnvolles tun, das nichts hervorbringt. Damit alle gewinnen und keiner verliert.
Bleiben Sie gesund!
Dr. med. Thomas Böhmeke
ist niedergelassener Kardiologe in Gladbeck.