SCHLUSSPUNKT
Berühmte Entdecker von Krankheiten: Bayard T. Horton begründete die moderne Kopfschmerz-Forschung


Der Internist, der 33 Jahre an der berühmten Mayo-Klinik in den USA praktizierte, prägte auch die Medizinforschung. Bahnbrechende Erkenntnisse und neue Therapieansätze lieferte Bayard T. Horton zum Cluster-Kopfschmerz und zur Riesenzellarteriitis, die beide nach ihm benannt wurden.
Bayard Taylor Horton war ein äußerst vielseitiger Mediziner, der parallel zu seiner praktischen ärztlichen Tätigkeit fortwährend wissenschaftlich die Ursachen einer Vielzahl von Erkrankungen untersuchte und neue Therapieansätze erschloss. Seit 1925 an der renommierten Mayo-Klinik in Rochester/Minnesota tätig, hatte er dazu beste Voraussetzungen. Im Verlauf seiner Karriere veröffentlichte er 184 Fachaufsätze mit Ergebnissen seiner klinischen Forschungen. Indem er darauf drang, physiologische und pharmakologische Tests sowie wissenschaftliche Methoden auf klinische Phänomene anzuwenden, trieb Horton Anfang des 20. Jahrhunderts die Medizinforschung in den USA entscheidend voran. Bei seinen Kollegen galt der Gefäßspezialist als kluger Kopf und harter Arbeiter, als ungemein wissbegieriger und genauer klinischer Beobachter.
Horton befasste sich mit verschiedensten Krankheiten vom Bluthochdruck bis zur Kälteallergie, aber sein Spezialgebiet waren Kopfschmerz und Migräne, über die damals in der Medizin nicht allzu viel bekannt war. Allein zwischen 1937 und 1957 behandelte der Internist mehr als 1400 Kopfschmerzpatienten. Das Symptom spielte bei den beiden nach ihm benannten Eponymen eine zentrale Rolle (siehe Kasten). 1939 berichtete er an der Mayo-Klinik über 84 Patienten, die an einem „spezifischen Typ Kopfschmerz litten, der in der Literatur bisher nicht adäquat beschrieben wurde“: Horton wies mit dem Fachtext auf den durch streng einseitige, periodisch auftretende Schmerzattacken im Schläfen-, Stirn- und Augenbereich gekennzeichneten Cluster-Kopfschmerz hin, auch wenn dieser Begriff erst später maßgeblich wurde. Er beschrieb nicht nur exakt fast alle klinischen Symptome der Erkrankung, sondern initiierte auch neue Therapiemethoden und war entscheidend an der Entwicklung neuer Medikamente beteiligt, die zum Teil bis heute eingesetzt werden. In einem wichtigen Punkt unterlag er allerdings einer Fehleinschätzung: Wegen des Ansprechens der Patienten auf Histamin war er überzeugt, dass beim Cluster-Kopfschmerz der Botenstoff Histamin eine ähnlich zentrale Rolle spielt wie das Hormon Insulin beim Diabetes. Deshalb auch der von ihm gewählte Name Histamin-Kopfschmerz. Dieser Zusammenhang bestätigte sich jedoch nicht: „Wir machen alle Schnitzer – errare humanum est“, schrieb der norwegische Neurologe Ottar Sjaastad dazu 1992 in einer Würdigung Hortons.
Horton wird am 6. Dezember 1895 in Gate City, Virginia, geboren und studiert Medizin an der Universität von Virginia, unterbrochen 1917, als er im Ersten Weltkrieg in der US-Marine dient. 1922 schließt er sein Studium mit Examen sowie Promotion ab und arbeitet im Krankenhaus der Universität. Die wichtigste Weichenstellung in seiner beruflichen Laufbahn erfolgt 1925: Er erhält eine Anstellung an der Mayo-Klinik, zunächst in der Pathologie, wo er an mehr als Tausend Obduktionen beteiligt ist. 1940 wird er zum Leiter der klinischen Forschung befördert. Mit vielen Auszeichnungen geehrt, geht er 1958 nach 33 Jahren in der Mayo-Klinik in den Ruhestand und zieht in das vom warmen Klima verwöhnte Rentnerparadies Sun City in Arizona. Eine grausame Ironie in seinem Leben ist, dass seine Frau, mit der er seit 1922 verheiratet ist und mit der er drei Kinder hat, an der von ihm entdeckten Riesenzellarteriitis erkrankt. Horton stirbt am 6. Juli 1980 im Alter von 84 Jahren an einem Herzinfarkt – im St. Marys Hospital der Mayo-Klinik in Rochester, seinem langjährigen Lebensmittelpunkt. Sabine Schuchart
1939 erlangte der Cluster-Kopfschmerz durch die detaillierte Beschreibung von Bayard T. Horton (1895–1980) breitere Bekanntheit. Synonyme waren zunächst Erythromelalgie des Kopfes oder Histamin-Kopfschmerz, später Horton-Neuralgie oder Horton- beziehungsweise Bing-Horton-Syndrom, Letzteres mit Bezug auf den Neurologen Robert Bing, der in Basel dazu arbeitete. Als Morbus Horton wurde dagegen ab 1932 ein Leiden bezeichnet, das sich typischerweise durch pochenden Schläfenschmerz und Sehstörungen (Amaurosis fugax) zeigt: die sogenannte Riesenzellarteriitis. Mit Kollegen der Mayo-Klinik hatte Horton auf Basis von Biopsien der Arteria temporalis wegweisende Einsichten zu der Gefäßentzündung und mit der Gabe von Kortison eine wirksame Therapie entwickelt. Das Eponym wurde erst 2012 offiziell aufgegeben, auch weil die Vaskulitis der großen Arterien nach neueren Erkenntnissen nicht auf die Arteria temporalis beschränkt ist.