Zusammenfassung
Die erste auf einer Bevölkerungsstichprobe beruhende epidemiologische Studie zu Häufigkeit und Auswirkungen von Stalking in Deutschland wurde von den Autoren 2003 durchgeführt. Mit demselben Studiendesign wurde die Untersuchung 2018 wiederholt, um mögliche Veränderungen in der Häufigkeit von Stalking und assoziierten psychischen Beeinträchtigungen bei Stalkingbetroffenen einzuschätzen. Nach Kenntnis der Autoren handelt es sich dabei international um die erste Replikationsstudie dieser Art. Es zeigte sich, dass Stalking nach wie vor ein erhebliches und ernst zu nehmendes Problem darstellt. Ärzte und Psychologen müssen mit der Thematik vertraut sein, wenn Betroffene um ärztliche und psychologische Hilfe bitten.
Summary
In 2003, we carried out the first epidemiological study on the frequency and effects of stalking in Germany that was based on a random population sample. We repeated the study with the same design in 2018 in order to assess any potential alterations over time in the frequency of stalking and of psychological problems in the affected persons. As far as we know, this is the first replication study of this kind to be carried out anywhere. Stalking remains a major problem that must be taken seriously. Physicians and psychologists should be well informed about it in order to help affected persons who turn to them for medical and psychological assistance.


Der Begriff „Stalking“ wurde in den 1990er-Jahren in den USA für ein komplexes Muster von Verhaltensweisen geprägt. Wörtlich übersetzt heißt Stalking „auf die Pirsch gehen“. Erst ab Anfang der 2000er-Jahre wurde Stalking auch in Deutschland als relevantes Problem für das Gesundheitswesen wahrgenommen. Im Jahr 2007 hat auch der Gesetzgeber Regelungsbedarf gesehen; seitdem können Stalker gemäß § 238 StGB („Nachstellung“) auch strafrechtlich verfolgt werden. Ärzte und Psychologen sind beim Thema Stalking in vielfacher Hinsicht gefordert – zum Beispiel in der Beratung und Behandlung von Stalkingopfern sowie in der Diagnostik und Therapie von Stalkern (1). Von hoher Bedeutung ist die medizinisch-psychologische Expertise auch bei der Risikoeinschätzung von Stalkingfällen hinsichtlich einer gewalttätigen Eskalation. Bei Tötungsdelikten des Intimpartners ist der spätere Täter im Vorfeld nämlich nicht selten durch Stalking des Tatopfers auffällig geworden (nach [2] in > 70 %), und das Risiko für Homozide im Stalkingkontext ist insbesondere bei zurückgewiesenen („rejected“) Stalkern akzentuiert (3). Zu bedenken ist auch, dass Ärzte und Psychologen selbst häufiger als die Durchschnittsbevölkerung in ihrem beruflichen Kontext Opfer von Stalkern werden können und über entsprechende Kompetenzen verfügen sollten, um in solchen Situationen professionell zu reagieren (4).
Aufgrund unterschiedlicher Definitionen, Stichproben und Erhebungsmethoden und eines nicht unerheblichen Dunkelfelds variieren die Angaben zur Prävalenz von Stalking erheblich (5). Übereinstimmend berichten jedoch alle epidemiologischen Studien, dass Stalking ein weit verbreitetes Phänomen ist und Frauen wesentlich häufiger als Männer von Stalking betroffen sind (5–10; Tabelle 1). Ein besonderes Problem stellen auch gewalttätige Verhaltensweisen im Kontext von Stalking dar (11). Ergebnisse einer systematischen Literaturübersicht legen nahe, dass die Lebenszeitprävalenz für Stalking in einer Spanne zwischen 8 und 25 Prozent liegt (12). Für Deutschland wurde in einer neueren repräsentativen Dunkelfeldstudie an 16- bis 40-Jährigen eine Stalkingprävalenz von 15 % ermittelt (13).
Die erste auf einer Bevölkerungsstichprobe basierenden Studie zur Stalkingprävalenz in Deutschland wurde von den Autoren dieses Artikels im Jahr 2003 durchgeführt. Dabei fand sich eine Lebenszeitprävalenz von 11,6 % [9,2; 14,4] bei 18- bis 65-Jährigen (14).
Stalking stellt für viele Betroffene eine potenziell traumatische Erfahrung dar. Das Risiko einer psychischen Erkrankung ist bei Stalkingbetroffenen erhöht (15). Mehrere Studien berichten über eine hohe Prävalenz depressiver Störungen und posttraumatischer Belastungsstörungen, wobei hier keine generellen Aussagen zu Zusammenhängen mit Art und Dauer des Stalkings getroffen werden (16, 17, 18, 19, 20). Häufiger kommt es bei Stalking auch zu eskalierenden Verläufen mit sexueller und körperlicher Gewalt; in seltenen Fällen ist Stalking auch ein Risikofaktor für Tötungsdelikte (21). Die ökonomischen Folgekosten von Stalking sind erheblich, wenn man den Verlust an Produktivität durch Krankschreibungen, Behandlungskosten im Gesundheitssystem und Kosten im Justizsystem heranzieht (22). Zu beachten ist jedoch, dass in den angeführten Studien Assoziationen, aber keine Kausalitäten gezeigt wurden, während Folgekostenberechnungen auf der Annahme eines kausalen Zusammenhangs beruhen.
In der vorliegenden Arbeit werden Prävalenz und Auswirkungen von Stalking in einer deutschen Bevölkerungsstichprobe im Jahr 2018 mit Ergebnissen aus dem Jahr 2003 verglichen. Nach Kenntnis der Autoren gibt es in der internationalen Literatur bisher keine Studie, die diese Aspekte über ein längeres zeitliches Intervall mit identischem Studiendesign untersucht hat. Erkenntnisse über den zeitlichen Verlauf sind unter anderem für die Beurteilung der Wirksamkeit von Maßnahmen, die in den letzten Jahren auch in Deutschland zunehmend zur Bekämpfung von Stalking etabliert wurden, von großer Bedeutung.
Im Oktober 2018 wurden dazu aus der Einwohnermeldedatei der Stadt Mannheim jeweils 1 000 Frauen und 1 000 Männer im Alter von 18 bis 65 Jahren mit deutscher Staatsangehörigkeit zufällig ausgewählt. Diesen Personen wurden zusammen mit einem Begleitbrief, in dem das Ziel der Studie erklärt wurde, ein umfangreicher Fragebogen zum Thema Stalking (23) sowie der WHO-5 Well-Being Index (24, 25) und der Gesundheitsfragebogen für Patienten (PHQ-D, Patient Health Questionnaire) (26, 27) zugeschickt.
2003 erfüllten 78 Personen (11,6 %) die in beiden Untersuchungen zugrunde gelegten Stalkingkriterien. Die für das Jahr 2018 ermittelte Quote unterschied sich nicht statistisch signifikant (48 Personen, 10,8 %). Unter den Stalkingbetroffenen fand sich für beide Erhebungen ein deutliches Überwiegen von Frauen; die entsprechenden Anteile unterschieden sich nicht statistisch signifikant. Dagegen waren in beiden Erhebungen nach Auskunft der Betroffenen die Stalker in mehr als 80 % der Fälle männlich. Zur Dauer des Stalkings gab im Jahr 2018 mehr als ein Drittel der Stalkingbetroffenen einen Zeitraum von einem Jahr oder länger an; 2003 berichtete dies ein knappes Viertel. Von den Betroffenen wurden vielfältige Methoden der Verfolgung und Belästigung angegeben. Im Durchschnitt waren sie zu beiden Erhebungszeitpunkten circa fünf verschiedenen Stalkingmethoden ausgesetzt.
Die Relevanz der hier erfassten Stalkingverhaltensweisen wird durch den Befund unterstrichen, dass 2003 in 54 % der Fälle explizite Drohungen ausgesprochen wurden, 2018 in 66 %. Der Gesamtprozentsatz körperlicher und/oder sexueller Gewaltanwendung ist für beide Erhebungszeitpunkte mit jeweils mehr als 50 % ähnlich.
In beiden Erhebungen macht das sogenannte (Ex-)Partnerstalking den Hauptanteil aller Stalkingfälle aus (2003: 32,1 %, 2018: 45,8 %). Am zweithäufigsten rekrutierten sich die Stalker aus der Gruppe der Bekannten oder Freunde des Opfers (2003: 20,5 % [11,8; 29,9]; 2018: 20,8 % [10,0; 34,0]). Seltener sind die Stalker Arbeitskollegen (2003: 3,8 % [0; 8,4]; 2018: 4,2 % [0; 10,0]) oder Familienmitglieder (2003: 3,8 % [0; 9,0]; 2018: 4,2 % [0; 10,5]). Darüber hinaus fand Stalking in Einzelfällen auch zum Beispiel in professionellen Kontexten statt.
Zur selbstbeurteilten Einschätzung der Folgen des Stalkings wurden die Betroffenen nach sozialen, psychischen und medizinischen Auswirkungen befragt. Die Mehrzahl der Betroffenen berichtete neben Angst über weitere psychische und körperliche Symptome als direkt empfundene Folge des Stalkings, zum Beispiel verstärkte Unruhe (2003: 56,4 %; 2018: 60,4 %), Schlafstörungen (2003: 41 %; 2018: 39,6 %) und Depression (2003: 28,2 %; 2018: 22,9 %). 2018 gaben 27,7 % (2003: 18,4 %) der Betroffenen an, dass sie wegen der Auswirkungen des Stalkings auf ihre Gesundheit vom Arzt krankgeschrieben worden seien.
Nur 20,5 % der Betroffenen erstatteten im Jahr 2003 eine Anzeige bei der Polizei; diese Quote hat sich bis 2018 nicht erhöht (19,1 %). Dagegen suchten 2018 immerhin 34,8 % der Betroffenen therapeutische Hilfe (2003: 27,0 %). Die rechtlichen Möglichkeiten, gegen Stalker vorzugehen, wurden 2018 von 52,1 % der Betroffenen als nicht ausreichend eingeschätzt (2003: 45,5 %). Auffällig ist auch der nach wie vor hohe Anteil von Betroffenen, die offensichtlich keine ausreichenden Kenntnisse über die rechtlichen Möglichkeiten haben (2003: 53,2 %, 2018: 47,9 %).
Bezüglich der aktuellen psychischen Befindlichkeit zeigten Stalkingbetroffene zu beiden Befragungszeitpunkten ein statistisch signifikant niedrigeres Wohlbefinden (WHO-5) sowie statistisch signifikant, höhere Angst- und Depressionswerte, auch nach Kontrolle soziodemografischer Variablen (PHQ-D, alle p-Werte ≤ 0,001). Auch auf Diagnosenebene anhand des PHQ-D unterschieden sich Stalkingbetroffene und Nichtbetroffene zu beiden Erhebungszeitpunkten. 2003 erfüllten 50,0 % der Betroffenen gegenüber 22,5 % der Nichtbetroffenen die Kriterien für mindestens eine Syndromdiagnose; 2018 waren es 46,5 % versus 24,4 %. Dagegen unterschieden sich Stalkingbetroffene 2003 und 2018 nicht statistisch signifikant bezüglich ihres psychischen Befindens.
Die vorliegende Studie ist nach Kenntnis der Autoren die erste bevölkerungsbezogene Replikationsstudie zu Häufigkeit und Auswirkungen von Stalking. Mit demselben Studiendesign wurde die Thematik in den Jahren 2003 (14) und 2018 untersucht, sodass mögliche Veränderungen beschrieben werden können. Nach 2003 ist die Sensibilität für die Thematik deutlich angestiegen. Änderungen im Umgang mit dem Thema Stalking haben sich zum Beispiel bei der Polizei und der Justiz ergeben, im Jahr 2007 wurde ein eigener Straftatbestand in das Strafgesetzbuch eingeführt und es wurden auch spezialisierte Beratungsstellen für Stalkingbetroffene eröffnet.
Mit der vorliegenden Replikationsstudie sollten Fragen, die sich aus wissenschaftlicher und versorgungspraktischer Sicht ergeben, beantwortet werden: Hat sich die Häufigkeit von Stalking in den vergangenen 15 Jahren verändert? Hat sich die gesundheitliche Verfassung von Stalkingbetroffenen verbessert? Inwieweit empfinden Betroffene die aktuellen rechtlichen und polizeilichen Möglichkeiten als ausreichend?
Zunächst aber ist auf die folgenden Limitationen der Studie hinzuweisen: Die Rücklaufquote zu beiden Erhebungszeitpunkten ist für Studien mit vergleichbarer Methodik zwar zufriedenstellend, sie war jedoch 2018 noch einmal deutlich niedriger als 2003 und spiegelt damit einen allgemeinen internationalen Trend zum Rückgang von Response-Raten in sozialwissenschaftlichen Studien wider (28). Bezüglich der Altersverteilung handelte es sich bei beiden Umfragen um weitgehend repräsentative Stichproben; allerdings nahmen in beiden Befragungen mehr Frauen teil. Als weitere Limitation gilt, dass die Bevölkerungsstichprobe in einer mittelgroßen westdeutschen Stadt gezogen wurde, was ebenso wie die geringe Rücklaufquote die Generalisierbarkeit der Befunde einschränkt. Jedoch zeigen die ermittelten Prävalenzraten eine gute Übereinstimmung mit internationalen Befunden. Zudem erlaubt der querschnittliche Charakter der Erhebung keine kausalen Aussagen zu Folgen des Stalkings auf die psychische Gesundheit. So ist nicht auszuschließen, dass zumindest ein Teil der identifizierten Stalkingbetroffenen bereits vor dem Ereignis psychisch belastet war. Menschen mit psychischen Belastungen haben jedoch ein erhöhtes Risiko, Opfer von Stalking zu werden (29). Zudem kann für diese Menschen die Schwelle niedriger sein, Ereignisse als bedrohlich wahrzunehmen und mit Angst darauf zu reagieren. Klare Aussagen erlauben hier nur Längsschnittstudien, die untersuchen können, inwieweit das Risiko für psychische Störungen bei initial unbeeinträchtigten Personen durch Stalkingerfahrung steigt. Eine solche Langzeitstudie von Diette et al. (30) integrierte Datensätze von Mädchen und Frauen aus drei großen nationalen Surveys. Die Autoren zeigten, dass eine Stalkingviktimisierung ab 18 Jahren das Risiko für spätere psychische Störungen um den Faktor 2,7–3,9 erhöhte. Unsere Studie teilt den Nachteil querschnittlicher Erhebung von Stalkingerfahrung und psychischem Befinden dagegen mit der weitaus größten Zahl vorliegender Studien. Longitudinalstudien erfordern jedoch sehr große Datensätze, um die Inzidenz psychischer Störungen prospektiv verfolgen zu können. Dies geschieht dann aber notwendigerweise unter Verzicht auf eine genaue Analyse von Stalkingcharakteristika und Reaktionen der Betroffenen, wie dies in der vorliegenden Studie möglich war.
Die Ergebnisse unserer Replikationsstudie stützen die Annahme, dass Stalking in Deutschland nach wie vor ein relevantes Problem darstellt. In der aktuellen Stichprobe 2018 beträgt die Lebenszeitprävalenz 10,8 %, ganz ähnlich zu der 2003 ermittelten Prävalenz von 11,6 %. Die Häufigkeit von Stalking hat im Verlauf von 15 Jahren also kaum abgenommen, obwohl gegen Stalker mittlerweile verschärft mit polizeilichen und strafrechtlichen Mitteln vorgegangen werden kann. Auch die Geschlechtsverteilung von Tätern und Opfern ist nach wie vor weitgehend identisch und das sogenannte (Ex-)Partnerstalking stellt das Hauptproblem dar. Für eine denkbare Zunahme der Prävalenz aufgrund einer verstärkten Präsenz des Themas in den Medien fanden sich keine Hinweise, was dafür spricht, dass Stalking – wie andere kriminelle Delikte auch – mit einer recht stabilen Prävalenz vorkommt.
Die Stalkingbetroffenen waren einer Vielzahl von unterschiedlichen Stalkingverhaltensweisen ausgesetzt. Im Durchschnitt setzten die Stalker zu beiden Erhebungszeitpunkten etwa fünf unterschiedliche Methoden unerwünschter Kontaktaufnahmen ein. Bei der Erhebung 2018 wurde das Cyberstalking, also unerwünschte Kontaktaufnahmen über soziale Medien, als Stalkingmethode neu aufgenommen. Cyberstalking führte jedoch nicht zu einer Zunahme der Gesamtprävalenz von Stalkingopfern zwischen 2003 und 2018. Bei allen Betroffenen war Cyberstalking eine zusätzliche Methode, die neben anderen Methoden vom Stalker eingesetzt wurde.
Sowohl 2003 als auch 2018 zeigten Stalkingbetroffene gravierende psychische Beeinträchtigungen gegenüber Nichtbetroffenen. Dies zeigte sich in beiden Erhebungen in signifikant schlechteren Befindlichkeits-, Angst- und Depressionswerten (WHO-5, PHQ-D). Zudem war die Chance, die Kriterien einer psychischen Syndromdiagnose nach PHQ-D zu erfüllen, bei Betroffenen gegenüber Nichtbetroffenen um den Faktor 3,5 (2003) beziehungsweise 2,7 (2018) erhöht. Die Betroffenen aus 2003 und 2018 unterschieden sich dagegen nicht in den entsprechenden Outcome-Maßen. Schweremerkmale des Stalkings wie Frequenz und Dauer scheinen insbesondere mit erhöhter Depressivität bei den Betroffenen einherzugehen. Eine Verbesserung dieser Situation lässt sich anhand der vorliegenden Ergebnisse somit nicht feststellen, und unsere Daten bestätigen weiterhin die Ergebnisse internationaler Studien zur erhöhten Prävalenz psychischer Störungen bei Stalkingbetroffenen (16, 17, 18, 19). Trotz einer Zunahme von Beratungs- und Behandlungsstellen ergibt sich hier also die Notwendigkeit einer optimierten Versorgung. Die zwischenzeitlich eingeführten rechtlichen Möglichkeiten gegen Stalker werden im Jahr 2018 von etwas mehr als der Hälfte der Betroffenen (2003: 45,5 %) als nicht ausreichend eingeschätzt. Auffällig ist auch der nach wie vor hohe Anteil von Betroffenen, der offensichtlich keine ausreichenden Kenntnisse über die rechtlichen Möglichkeiten hat (53,2 % in 2003; 47,9 % in 2018).
Zusammenfassend kann man festhalten, dass sich beim Thema Stalking nach wie vor ein hoher Beratungs- und Informationsbedarf für die Betroffenen zeigt. Die rechtlichen Möglichkeiten gegen Stalker scheinen aus Sicht der Betroffenen nach wie vor unzureichend. Ob sich durch die Reform des § 238 StGB künftig eine Besserung ergeben wird, bleibt abzuwarten; entscheidend ist hier sicherlich auch die Umsetzung in der Rechtspraxis.
Ärzte und Psychologen sollten mit den klinischen Aspekten von Stalking und der Risikoeinschätzung vertraut sein (siehe „Der Klinische Aspekt“). Bei der Betreuung von Stalkingbetroffenen ist zu beachten, dass grundsätzlich an eine gewaltsame Eskalation zu denken ist und eine dynamische Risikoeinschätzung vorzunehmen ist (31, 32, 33).
Bei der Betreuung und Behandlung von Stalkingbetroffenen sind die im Kasten dargestellten Anti-Stalking-Regeln zu beachten, die für alle Konstellationen gültig sind. Für eine intensivierte Betreuung kann zum Beispiel das von Gallas et al. veröffentlichte Manual genutzt werden (34). ■
Anschrift für die Verfasser
Prof. Dr. med. Harald Dreßing
Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim
Universität Heidelberg, 68159 Mannheim
harald.dressing@zi-mannheim.de
Originalfassung und Literatur: www.aerzteblatt.de/20m0347
Anti-Stalking-regeln
1. Nur einmal, dafür aber unmissverständlich erklären, dass kein Kontakt gewünscht wird.
2. Weitere Kontaktangebote absolut ignorieren.
3. Öffentlichkeit herstellen, das heißt, Nachbarn, Kollegen und Freunde informieren.
4. Alle Vorkommnisse in einem Stalkingtagebuch dokumentieren.
5. SMS und E-Mails nicht löschen, da sie Beweise sind.
6. Bei Telefonterror die alte Telefonnummer nicht abmelden, sondern damit die Stalkinganrufe auf einem Anrufbeantworter aufzeichnen. Gespräche unter einer Geheimnummer entgegennehmen.
7. Geschenke des Stalkers nicht zurückschicken, sondern asservieren.
Das Zurückschicken stellt bereits eine Kontaktaufnahme dar.
8. Frühzeitig Kontakt mit der Polizei aufnehmen.
9. Frühzeitig rechtlichen Rat bei einem spezialisierten Rechtsanwalt einholen.
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