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Notarzt am Frankfurter Flughafen: Für jeden Fall gerüstet

Neumann, Sabine

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Die Flughafenklinik Frankfurt gilt als eine der größten der Welt. „Kein Tag ist wie der andere“, sagt Michael Sroka über seine Arbeit dort. Reanimationen sind ebenso an der Tagesordnung wie Impfungen oder die Verschreibung von vergessenen Medikamenten.

Foto: Fraport AG
Foto: Fraport AG

Ein ganz normaler Arbeitstag in der Notfallambulanz des Medical Centers am Flughafen Frankfurt am Main. Dr. med. Michael Sroka ist im Dauereinsatz. Er schnappt sich noch schnell seine Notarztjacke und macht sich auf den Weg zum Flughafenvorfeld. In der dort gerade aus Südostasien gelandeten „A 380“ soll ein weiblicher Passagier beim Aussteigen plötzlich einen Krampfanfall erlitten haben. Beim Eintreffen stellt sich heraus: Herz-Kreislauf-Stillstand. Ein Routineeinsatz für den Notarzt und sein Team: „Wir haben sofort mit den Reanimationsmaßnahmen begonnen. Es gelten die internationalen Leitlinien zur kardiopulmonalen Reanimation, erweitert um die Blutgasanalyse noch vor Ort. Die Frau wurde stabilisiert und in einem sehr kritischen Zustand in die Uniklinik Frankfurt gebracht. Einige Monate später bekomme ich eine für mich überraschende E-Mail aus Australien: Die ,A-380-Notfallpatientin‘ bedankt sich bei uns, ist wieder gesund in ihrer Heimat angekommen. Wir haben ihr das Leben gerettet.“ Solche Ereignisse gehören fast zum Alltagsgeschehen am Frankfurter Flughafen und damit zu den abwechslungsreichen Einsätzen des ärztlichen Leiters des Notfallstandorts, Michael Sroka.

Der 48-jährige gebürtige Frankfurter, der seit drei Jahren die Notfallambulanz am Flughafen leitet, hat an der Goethe-Universität in Frankfurt Humanmedizin studiert und war danach als Assistenzarzt und später als Anästhesist in einem kommunalen Krankenhaus in Hanau tätig. 2010 kam er zum Frankfurter Flughafen in die frühere Flughafenklinik – auf Empfehlung seines Kollegen Werner Schmitt. Voraussetzungen waren: die Ausbildung zum Notarzt und Leitenden Notarzt sowie Nachweise in der Reise- und Impfmedizin. Und: „Ich war wiederholt im medizinischen Management tätig und habe zum Beispiel bei der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Frankfurt die medizinische Erstversorgung für einen Veranstaltungsbereich übernommen. Damals war ich 30 Tage ,nonstop‘ im Einsatz“, sagt Sroka.

Seinen Wechsel vom Krankenhaus zur Notfallambulanz hat Sroka bis heute nicht bereut: „Ich liebe die Abwechslung in meinem Berufsalltag. Kein Tag ist wie der andere. Ich bin gerne hier und helfe den Menschen – auch wenn es sich manchmal nur um kleine Missgeschicke handelt. Da gibt es dann Fluggäste, die sämtliche notwendigen Tabletten zu Hause vergessen haben, oder das junge Mädchen, das erstmals mit seinem Freund unterwegs ist und die Antibabypille nicht dabei hat.“

Bei solchen „menschlichen Notlagen“ läuft alles ziemlich unbürokratisch ab: „Ich schaue mir natürlich die Reisenden genau an – haben sie zum Beispiel ein gültiges Flugticket dabei – und stelle dann gegebenenfalls ein Rezept für die Dauer des Urlaubs aus. Das kann dann anschließend am Airport in einer der vier ansässigen Apotheken eingelöst werden. Wir funktionieren hier wie eine Hausarztpraxis, können aber ein klein wenig mehr.“ Srokas Reisetipps: Tabletten gehören stets ins Handgepäck, falls einmal der Koffer verloren geht. Und: „Bitte nicht das Trinken vergessen. Passagiere machen oft recht schnell durch Flüssigkeitsmangel schlapp“, hat Sroka immer wieder beobachtet.

Im Fraport Medical Center werden auch regelmäßig Impfberatungen und Impfungen durchgeführt: „Fluggäste, die zum Beispiel für mehrere Monate nach Afrika reisen möchten, klären wir über die Gesundheitsrisiken auf, besprechen notwendige Schutzimpfungen und Prophylaxen, wie beispielsweise gegen Malaria, Hepatitis oder Tollwut“, erklärt der Mediziner.

Seit mehr als 30 Jahren gibt es an Deutschlands größtem Flughafen in Frankfurt eine medizinische Notfallambulanz. Seit Kurzem ist sie im neuen Medical Center im Terminal 1 ansässig. Diese Notfallambulanz ist während der täglichen Sprechstundenzeiten von 8 bis 16 Uhr in der Regel mit zwei Ärzten und zwei Arzthelferinnen und Krankenschwestern besetzt. Zusätzlich stehen am Airport für den Notfall 80 Rettungsdienstmitarbeiter zur Verfügung. Die Notfallambulanz ist an sieben Tagen die Woche rund um die Uhr geöffnet. Sroka arbeitet mit einem interdisziplinären Team von zehn Fachärzten zusammen: Dazu gehören unter anderem Allgemeinmediziner, ein Kinderarzt und eine Gynäkologin. Alle seine Kollegen haben eine Ausbildung zum Notarzt absolviert und können im Ernstfall auch die Rolle des Leitenden Notarztes der Fraport AG übernehmen. Der Frankfurter Flughafen gilt als internationales Drehkreuz: 2019 wurden hier mehr als 70 Millionen Fluggäste registriert. Unter den Reisenden sind immer wieder Erkrankte, die unter Umständen ansteckende Krankheiten „einschleppen“. „Wenn ein Fluggast aus Südafrika kommend hohes Fieber hat und in einem schlechten Allgemeinzustand ist, muss sofort gehandelt werden“, sagt Sroka. „Wir kümmern uns dann ausschließlich um die medizinische Gefahrenabwehr.“ Regelmäßige Pflichtübungen – mit Schutzanzügen, Brillen, Filtermasken, Handschuhen und Schuhüberziehern – werden für das Team der medizinischen Dienste im Rahmen von Katastrophenmanagement und Krisenintervention durchgeführt.

Die Flughafenklinik, eine der größten der Welt nach Auskunft von Fraport, behandelt jährlich rund 25 000 Patienten, unter ihnen auch viele Flughafenbeschäftigte und Mitarbeiter von Airlines. Aber auch Opfer von Verkehrsunfällen erfahren regelmäßig Hilfe durch den Notarzt des Flughafens.

Die Ambulanz ist ausgestattet wie eine klassische Notaufnahme in einer ortsansässigen Klinik, allerdings ohne medizinische Großgeräte wie CT, MRT oder EEG. Zur Verfügung stehen sieben Behandlungsräume, ein Point-of-Care-Labor zur Diagnostik unmittelbar am Patienten sowie ein Eingriffs- und ein Notfallraum. Für ansteckende Krankheiten gibt es eine Isolationseinheit. „Apparativ stehen uns eine stationäre und eine mobile Blutgasanalyse, kardiale Marker, CRP und verschiedenste Schnelltests zur Verfügung“, erklärt Sroka. „Ultraschall – perspektivisch auch zum Mitnehmen auf den Notarztwagen – und konventionelles Röntgen runden die weiteren Möglichkeiten ab.“

Sroka liebt seinen abwechslungsreichen Job im Flughafenalltag und möchte nirgendwo anders mehr arbeiten. Sein Arbeitsplatz hat auch etwas mit seinem Fernweh zu tun. Der Weltenbummler hat schon zahlreiche große Reisen hinter sich. Einen weiteren „Urlaubswunschtraum“ hat er noch: Tutukakabeach in Neuseeland.

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