PHARMA
Metastasiertes Pankreaskarzinom: Erhaltung ohne Chemo möglich


Beim metastasierten Pankreaskarzinom hat die Intensivierung der Chemotherapie keine deutliche Verbesserung der Prognose erbracht. Für Patienten mit BRCA1/2-Keimbahnmutationen eröffnet der PARP-Inhibitor Olaparib nun die Chance auf eine Chemotherapie-freie Erhaltungstherapie.
Nach den EU-Zulassungen des PARP-Inhibitors Olaparib (Lynparza®) im Bereich fortgeschrittener Ovarial- und Mammakarzinome erfolgte im Juli 2020 die Indikationserweiterung für Olaparib-Filmtabletten als Monotherapie in der Erhaltungstherapie des metastasierten Pankreas-Adenokarzinoms. Sie gilt für erwachsene Patienten mit Keimbahn-BRCA1/2-Mutationen, deren Erkrankung sich nach einer mindestens 16-wöchigen platinhaltigen Erstlinien-Behandlung als nicht progredient erwiesen hat.
In der zulassungsrelevanten Phase-III-Studie POLO wurden 154 Patienten im Anschluss an die Induktionstherapie randomisiert einer Behandlung mit Olaparib (300 mg 2-mal täglich) oder Placebo zugewiesen. Die Intervention erfolgte bis zum Auftreten einer objektiven radiologischen Progression oder inakzeptabler toxischer Effekte. Beim progressionsfreien Überleben (PFS), dem primären Endpunkt, zeigte sich unter der Einnahme von Olaparib mit 7,4 Monaten nahezu eine Verdoppelung gegenüber der Placebo-Gruppe (3,8 Monate). Sie entspricht einer klinisch relevanten und signifikanten Reduktion des Risikos für Progression oder Tod um relativ 47 % in einem vergleichbaren Zeitintervall (HR 0,53; [95-%-KI 0,35–0,82]; p = 0,0038).
Progressionsfreiheit verdoppelt
Nach 6 Monaten waren 53 % der Patienten unter Olaparib gegenüber 23 % der Placebo-Patienten noch ohne Progress oder Tod. Auch im weiteren Verlauf bis Monat 24 war der Anteil progressionsfreier Patienten unter Olaparib durchweg mehr als doppelt so hoch wie im Placebo-Arm. „Das verlängerte progressionsfreie Überleben bei mehr Chemotherapie-freier Zeit und guter Lebensqualität stellt einen bedeutenden Fortschritt in einer Indikation dar, in der zwar die intensivierte Chemotherapie eine gewisse Prognoseverbesserung mit sich gebracht hat, diese aber keine substanzielle Verbesserung darstellt und sonstige personalisierte Therapieansätze alle fehlgeschlagen sind“, kommentierte Prof. Dr. med. Dirk Arnold, Chefarzt der Abteilung für Onkologie, Sektion Hämatologie, der Asklepios Klinik Altona, Hamburg.
Er hob hervor, dass unter den Patienten mit zum Ausgangszeitpunkt messbarer Erkrankung im Olaparib-Arm 23 % eine weitere Tumorreduktion zeigten (Placebo: 11,5 %), sodass nach der Umstellung von Erstlinien-Chemotherapie auf Erhaltungstherapie ein „zusätzliches“ partielles oder vollständiges Ansprechen erreicht wurde. Zudem ermöglichte die Erhaltungstherapie lang anhaltende Remissionen: Unter der Behandlung mit Olaparib sprachen die Patienten (basierend auf Kaplan-Meier-Schätzwerten) im Median 24,9 Monate an, im Placebo-Arm waren es nur 3,7 Monate.
Insgesamt konnte die Erhaltungstherapie mit dem PARP-Inhibitor bei 95 % der Patienten bis zum Progress durchgeführt werden. Im Placebo-Arm war dies bei 98 % der Patienten möglich. Unerwünschte Ereignisse vom Grad ≥ 3 traten bei 39,6 % der mit Olaparib und 23,3 % der Patienten unter Placebo auf. Am häufigsten waren mit 60 % im Olaparib-Arm Fatigue oder Asthenie, die aber nur bei 5 % von Grad ≥ 3 waren (Placebo: 35 % bzw. 2 %). Unter Übelkeit aller Grade litten 45 % unter Olaparib und 23 % unter Placebo.
Olaparib ist ein potenter Hemmstoff humaner PARP-Enzyme (Poly-[ADP-Ribose-]Polymerase). Diese werden für die Reparatur von DNA-Einzelstrangbrüchen benötigt. Bei PARP-Inhibition erfolgen in replizierenden Zellen auch Doppelstrangbrüche. Deren Reparatur wiederum gelingt suffizient nur bei Intaktheit der Tumorsuppressorgene BRCA1 und 2. Mutationen der BRCA-Gene stören die genomische Stabilität der Zelle und erhöhen das Risiko für Ovarial-, Mamma- und Pankreaskarzinome.
BRCA1/2-Mutation erforderlich
Voraussetzung für den Einsatz des PARP-Inhibitors Olaparib beim Pankreaskarzinom ist der Nachweis einer BRCA1/2-Mutation in der Keimbahn (gBRCA), wie sie bei etwa 5–7 % dieser Patienten vorliegt. „gBRCA-defiziente Tumoren, auch solche mit Fernmetastasen, sprechen auf PARP-Inhibition an“, stellte Prof. Dr. med. Anke Reinacher-Schick, Chefärztin des Katholischen Klinikums Bochum, fest.
Um diese Chance zu nutzen, sei es wichtig, alle Patienten bereits zum Zeitpunkt der Diagnose auf BRCA-Mutationen in der Keimbahn zu testen. Bei einer solchen diagnostischen genetischen Untersuchung zur Therapieplanung sei, anders als zur prädiktiven genetischen Untersuchung, keine genetische Beratung notwendig. Das bedeutet, jeder Arzt darf den Test auf BRCA-Keimbahnmutationen veranlassen und vorab das Aufklärungsgespräch mit dem Patienten durchführen. Ralf Schlenger
Quelle: Virtuelle Fachpressekonferenz „Behandlung des metastasierten gBRCAm Pankreaskarzinoms: Paradigmenwechsel durch Erhaltungstherapie mit Lynparza®, 21. Juli 2020; Veranstalter: AstraZeneca/MSD.