POLITIK: Medizinreport
Pseudohyperaldosteronismus: Lakritzverzehr mit Folgen


Viele Menschen, die Süßes lieben, aber den Zucker meiden müssen - sei es aus diätetischen Gründen, sei es
wegen eines Diabetes mellitus - kommen früher oder später auf den Geschmack der Lakritze.
Lakritze wird aus der Süßholzwurzel hergestellt, die ihren Namen nicht zu Unrecht trägt, hat doch der
Hauptinhaltsstoff Glycyrrhizin eine 50fach stärkere Süßkraft als Rohrzucker. Dass Glycyrrhizin und andere in
der Lakritze enthaltene Stoffe jedoch noch andere unerwünschte Wirkungen haben können, ist in der
Öffentlichkeit kaum bekannt.
Auch für Ärzte sind Fälle einer Lakritzintoxikation immer wieder verblüffend, wie im Fall eines 37-jährigen
Patienten, der mit Schwindelanfällen, Herzrhythmusstörungen, Schwäche und Muskelschwund ins Krankenhaus
eingeliefert wird. Die Laboruntersuchung zeigt eine massive Hypokaliämie, für die es zunächst keine Erklärung
gibt, bis die Anamnese einen täglichen Verzehr von zwei Tüten Gummipastillen mit Lakritzextrakt zutage
fördert. Weitere typische Symptome einer Lakritzvergiftung sind eine arterielle Hypertonie, Kopfschmerzen,
Ödeme an Fußknöcheln oder im Gesicht.
In Dänemark beliebt
Bis zu drei Prozent aller Hypertonieerkrankungen sollen auf Lakritzkonsum zurückzuführen sein. Dänische
Wissenschaftler empfehlen deshalb Hypertonikern, auf Lakritz zu verzichten. Im Nachbarland erfreut sich der
Süßstoff hoher Beliebtheit, und dort sind überall Lakritzen mit einer hohen Glycyrrhizinkonzentration von 0,2
g/100 g oder mehr erhältlich. Nach Angaben von Apotheker Jens Bielenberg (Westerhorn) gelangt auch dänische
Starklakritze hin und wieder in deutsche Supermärkte, was ein Verstoß gegen die Bestimmungen und
Verkehrsregeln für Zuckerwaren und verwandte Erzeugnisse des Bundes für Lebensmittelrecht und
Lebensmittelkunde ist, die den Verkauf von Starklakritzen auf Apotheken beschränkt.
Dort hat Lakritze als Naturheilmittel Tradition. Nach Hunnius (Pharmazeutisches Wörterbuch) wird es als
Expektorans und Geschmackskorrigens sowie zur Behandlung von Magengeschwüren empfohlen. Mit der
Lakritze chemisch eng verwandt ist Carbenoxolon, früher ein beliebtes verschreibungspflichtiges
Magenpräparat, das nur unter regelmäßiger Kontrolle der Kaliumwerte verordnet werden durfte. Der
Lakritzliebhaber unterliegt entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen nicht, obwohl er beim Verzehr von Lakritze
unter Umständen dosisäquivalente Mengen an Glycyrrhizin zu sich nimmt.
Das Problem ist den Verbraucherschützern bekannt. Zuletzt mahnte das Bundesinstitut für gesundheitlichen
Verbraucherschutz und Veterinärmedizin im Februar 1999 zur Vorsicht. Ab einem Verzehr von 50 g
Starklakritze müsse mit Gesundheitsstörungen gerechnet werden. Bereits im Februar 1991 hatte das
Bundesgesundheitsministerium dem Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie, dem Bund für
Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde sowie dem Verband der Deutschen Essenzenindustrie empfohlen, auf
die Verpackungen von Lakritzzubereitungen Warnhinweise aufzudrucken. Der Grenzwert sollte bei einem
täglichen Verzehr von 100 mg Glycyrrhizin liegen.
Der Wirkungsmechanismus von Lakritze ist nicht genau bekannt. Lange wurde vermutet, dass Lakritze die
Delta-5b-Reduktase hemmt. Das Enzym ist für den Abbau von Aldosteron und Hydrocortison zuständig. Gegen
diese Hypothese spricht das bei Lakritzintoxikationen häufig beobachtete Sinken des Plasma-Aldosterons.
Neuerdings wird eine Hemmung der 11-b-Hydroxy-teroiddehydrogenase diskutiert. Das Enzym baut Cortisol ab.
Die mineralokortikoide Wirkung des Cortisols könnte die klinische Symptomatik erklären. Sie entspricht der
eines Conn-Syndroms (primärer Hyperaldosteronismus). Da der Plasma-Aldosteron-Spiegel niedrig ist, spricht
man genauer von einem Pseudoaldosteronismus. Leitsymptom ist eine hypokaliämische Hypertonie durch
Zunahme des intravasalen Flüssigkeitsvolumens. Die Hypokaliämie kann durch die Einnahme von
Herzglykosiden, Schleifen- und Thiaziddiuretika und nicht elektrolytneutrale Laxanzien verstärkt werden. Es
wäre deshalb wünschenswert, wenn Warnhinweise in die Beipackzettel der Medikamente aufgenommen würden.
Denkbar ist auch eine Interaktion mit ACE-Hemmern. Der Konsum von Lakritze führt zu einer Blockade der
Reaktionskaskade Renin-Angiotensin-Aldosteron. Die Reninwerte können stark abfallen. Rüdiger Meyer
Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.am Donnerstag, 16. April 2015, 17:32
genau das scheint mir gestern passiert zu sein: