THEMEN DER ZEIT
Querschnitts-Leitlinien Hämotherapie: Aktualisiertes Kompendium


Die Bundesärztekammer hat die Querschnitts-Leitlinien zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten an den aktuellen Stand der Wissenschaft angepasst. Die Handlungsempfehlungen liegen ab sofort vor.
Der sachgerechte Umgang mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten zur Hämotherapie stellt für viele Ärztinnen und Ärzte aus den unterschiedlichsten Fachgebieten eine besondere Herausforderung dar: Einerseits wollen sie durch eine optimale Indikationsstellung und Anwendung die zur Verfügung stehenden Präparate bestmöglich einsetzen und Risiken vermeiden; andererseits sind sie aufgrund begrenzter Ressourcen zu einem sorgfältigen Umgang mit den Blutprodukten verpflichtet.
Dieser Abwägungsprozess wurde in den vergangenen Jahren zunehmend komplexer. In einigen Indikationsbereichen ist die Studienlage heterogen; die Anwendungen der Blutprodukte werden zum Teil kontrovers diskutiert. Nun hat ein Arbeitskreis des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer die Querschnitts-Leitlinien zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten überarbeitet (siehe Bekanntgabe in diesem Heft).
„Im Zuge der Novellierung wurden die bestehenden Empfehlungen bewertet, aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse recherchiert und die Empfehlungen bezüglich der Auswahl und Indikation zur Anwendung der Blutkomponenten und Plasmaderivate aktualisiert“, erläutert der Federführende des Ständigen Arbeitskreises „Querschnitts-Leitlinien zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten“, Prof. Dr. med. Harald Klüter, dem Deutschen Ärzteblatt.
Das Resultat liegt nun vor: „In den Querschnitts-Leitlinien wurden nicht nur die allgemeinen Transfusionsgrundsätze aktualisiert, sondern differenzierte Transfusionsempfehlungen für spezifische Patientengruppen bei akuter und chronischer Anämie erstellt“, erklärt der Direktor des Instituts für Transfusionsmedizin und Immunologie der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg.
Neue Grenzwerte empfohlen
Aufgrund der aktuellen wissenschaftlichen Datenlage ergeben sich Veränderungen der bisherigen Empfehlungen zu den Hb-Grenzwerten zur Transfusion. Ein Beispiel: Für normovolämische Patienten mit akuter Anämie in stationärer Behandlung, unter Berücksichtigung weiterer physiologischer Transfusionstrigger, kann eine starke Empfehlung zur Transfusion bei einem Hb < 7 g/dl (< 4,3 mmol/l) ausgesprochen werden. Die Akzeptanz auch niedriger Hb-Werte bei ausgewählten Patientinnen und Patienten oder die Notwendigkeit für höhere Interventionsschwellen bei vorliegenden Risikofaktoren wird ausführlich erörtert.
Besonders verweist Klüter zudem auf die Empfehlungen zur Therapie der angeborenen und erworbenen Hämophilie und der von- Willebrand-Erkrankung. Hier sei eine Aktualisierung mit Blick auf neue Therapiekonzepte unter Berücksichtigung plasmatischer und rekombinant hergestellter Faktorenkonzentrate sowie bispezifischer monoklonaler Antikörper erfolgt.
Ergänzt wurden ferner die Empfehlungen zur Patienten-individualisierten Hämotherapie und die Empfehlungen hinsichtlich „Unerwünschter Wirkungen“. Diesen wird in der Novelle besonders viel Raum gegeben. „Die Querschnitts-Leitlinien Hämotherapie können hier als Kompendium für die klinisch tätigen Ärztinnen und Ärzte dienen, die sowohl den Überblick über relevante, spezifische unerwünschte Wirkungen der Hämotherapie suchen als auch einen schnellen Zugriff zu Handlungsempfehlungen benötigen“, erläutert Klüter.
„Generell zielen die Querschnitts-Leitlinien, insbesondere in Verbindung mit der Richtlinie Hämotherapie, darauf, konkrete Handlungsempfehlungen für wissenschaftlich fundierte Entscheidungen in der medizinischen Versorgung auf eine rationale Basis zu stellen“ erläutert Prof. Dr. h. c. Dr. med. Peter Scriba, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer. Sie seien mit ihrer besonderen Ausrichtung auf die Indikationsstellung und die Auswahl von Blutkomponenten und Plasmaderivate aus dem ärztlichen Alltag nicht mehr wegzudenken. Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann
Novellierte Querschnitts-Leitlinien:
www.aerzteblatt.de/201883
oder über QR-Code.