ArchivDeutsches Ärzteblatt42/2020Kryptogener Hirninfarkt: Vorhofflimmern ist eher selten die Ursache für einen weiteren Schlaganfall

MEDIZINREPORT: Studien im Fokus

Kryptogener Hirninfarkt: Vorhofflimmern ist eher selten die Ursache für einen weiteren Schlaganfall

Vetter, Christine

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Foto: Lars Neumann/iStock
Foto: Lars Neumann/iStock

Eine Sekundäranalyse der NAVIGATE-ESUS-Studie zeigt, dass es sich bei der Mehrzahl der Schlaganfälle, die nach einem ersten Schlaganfall unbekannter Ursache (ESUS, Embolic Stroke of Undetermined Source) auftreten, ebenfalls um einen ischämischen Insult unbekannter Ursache handelt.

Deutlich seltener sind bei einem erneuten Ereignis Patienten mit Vorhofflimmern betroffen. Kommt es aber bei solchen Patienten, die eine Minderheit im gesamten Kollektiv ausmachen, zu einem ischämischen Insult nach ESUS, so verläuft das Ereignis überproportional häufig tödlich und geht oft mit bleibenden Behinderungen einher. Ziel der Sekundäranalyse der NAVIGATE-ESUS-Studie war es, Subtypen der nach einem ESUS auftretenden Schlaganfälle zu identifizieren und in den einzelnen Kategorien mögliche Auswirkungen der Therapie zu untersuchen.

In der randomisierten klinischen Studie war zunächst bei 7 213 Patienten mit ESUS die Wirksamkeit und Sicherheit von 15 mg/Tag Rivaroxaban oder 100 mg Acetylsalicylsäure (ASS)/Tag in der Sekundärprophylaxe untersucht worden.

309 Patienten des Kollektivs mit einem durchschnittlichen Alter von 68 Jahren und zu 66 % Männer entwickelten im Verlauf von median 11 Monaten einen erneuten Hirninfarkt. Dies entspricht einer jährlichen Rezidivrate von 4,6 %.

Die Ereignisse wurden nach ESUS und Non-ESUS differenziert. Bei 13 % der Patienten war die Diagnostik unzureichend und eine ätiologische Klassifizierung der Ursache des Schlaganfalls nicht möglich.

In 58 % der Fälle lag ein ischämischer Schlaganfall vor, wobei davon in 58 % ein ESUS klassifiziert wurde und zu 42 % der Fälle ein Non-ESUS. Diese Non-ESUS-Fälle hatten zu 32 % eine kardioembolische Ursache, zu 23 % eine arteriosklerotische, zu 31 % waren sie lakunär und die übrigen 14 % verteilten sich auf andere Ursachen.

Bei nur 9 % der Patienten bestand ein Vorhofflimmern. In dieser Patientengruppe zeigte sich eine erhöhte Morbidität und auch Mortalität (15 vs. 1 %). Zwischen den beiden Therapiegruppen gab es dabei keinen signifikanten Unterschied.

Fazit: „Die Sekundäranalyse der NAVIGATE-ESUS-Studie zeigt, dass auf einen ESUS-Schlaganfall in der Regel ein erneuter ESUS-Schlaganfall folgt“, kommentiert Prof. Dr. med. Martin Grond, Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Klinik für Neurologie am Kreisklinikum Siegen, das Resultat. „Dies erklärt, warum eine Antikoagulation in der Summe bei ESUS-Patienten nicht besser ist als ASS. Auch wenn Vorhofflimmern nur selten die Ursache für den Rezidivschlaganfall war, so lohnt es sich doch, intensiv danach zu suchen. Denn diese Schlaganfälle verlaufen besonders schwer und wären mit hoher Wahrscheinlichkeit durch eine Antikoagulation vermeidbar.“

Christine Vetter

Veltkamp R, Pearce LA, Korompoki E et al.: Characteristic of recurrent ischemic stroke after embolic stroke of undetermined source. Secondary analysis of a randomized clinical trial. JAMA Neurol 2020; doi:10.1001/jamaneurol.2020.1995.

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