

In der Praxis ist mehrfaktorieller Altersschwindel die häufigste Diagnose, verursacht durch eine progrediente Beeinträchtigung vestibulärer Ersatzsysteme, Muskelschwäche und Sehstörungen. Erschwerend sind kardiovaskuläre Erkrankungen, Diabetes mellitus und Presbyakusis. Bilaterale Vestibulopathien sind Raritäten, Gentamicin-induzierte Vestibulotoxizität kommt heute selten vor. Oszillopsien gehören nicht zur Symptomatik des einseitigen Vestibularisausfalls, da der kontralaterale vestibulookuläre Reflex intakt ist.
Beim benignem paroxysmalem Lagerungsschwindel lässt sich mit einem einmaligen Befreiungsmanöver kaum Beschwerdefreiheit erreichen, die Mehrheit der Patienten benötigt zusätzlich Eigenübungen für wenige Tage.
Die neuen Kriterien der Barany-Gesellschaft schließen Menière-untypische Hörstörungsbilder leider ein. Eine Labyrinthektomie ist beim Morbus Menière obsolet. Hohe Betahistin-Dosen bis 144 mg/d werden wegen gastrointestinaler Nebenwirkungen meist nicht toleriert. In der Prophylaxe sind oft deutlich niedrigere Dosen ausreichend.
Eine basiliäre Migräne wie andere Migräneformen zu therapieren, ist bezüglich der Triptan-Therapie nicht unproblematisch.
Die Behauptung, dass Schwindelsyndrome für nichtspezialisierte Kollegen einfach zu diagnostizieren und behandeln seien, kann ich nicht nachvollziehen, eine Crux sind die zahlreichen, unnötigen radiologischen Großgeräteuntersuchungen.
Die besprochenen Schwindelsyndrome sind, mit Ausnahme der cerebellopontinen Ischämie, gutartig. Dies gilt nicht für den leider unerwähnten Schwindel bei Labyrinth-, Hirnnerven- und Hirnaffektionen otogener Erkrankungen (Cholesteatom, Mastoiditis, Labyrinthitis, Ramsay-Hunt-Syndrom, Glomustumor, Schwannom), deren adäquate Diagnose manchmal quoad vitam relevant ist.
DOI: 10.3238/arztebl.2020.0735b
Dr. med. Klaus Stefan Holler
Haus der Gesundheit
Neutraubling
praxis@hno-holler.de
Interessenkonflikt
Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.
1. | Strupp M, Dlugaiczyk J, Ertl-Wagner BB, Rujescu D, Westhofen M, Dieterich M: Vestibular disorders—diagnosis, new classification and treatment. Dtsch Arztebl Int 2020; 117: 300–10 VOLLTEXT |
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