MEDIZIN: Diskussion
Individuelle Risikofaktoren berücksichtigen
Individual Risk Factors Should Be Considered


In der methodisch sauber durchgeführten Studie (1) werden die Ergebnisse falsch interpretiert und die individuellen Risikofaktoren zur Steigerung der Behandlungssicherheit nicht berücksichtigt:
Bei 38 % der VKA-Gruppe (VKA, Vitamin-K-Antagonisten) war der INR-Wert (INR, „international normalized ratio“) über 3. Bei 13 % der VKA-Gruppe war der INR über 2,5. Damit sind circa 50 % dieser Patienten zu hoch dosiert eingestellt, wie schon Hylek 1994 (2) und Takarada nochmals 2014 (3) belegten. Der Thromboseschutz ist bei der Gruppe mit einem INR über 2,0 nicht höher als bei der mit einem INR zwischen 1,6 und 2,0. Das Blutungsrisiko ist dagegen bei einem INR über 2,5 mehr als doppelt so hoch (3).
Es ist deshalb anzunehmen, dass schwere Blutungen, vor allem Hirnblutungen, unter der korrekten Anwendung der VKA seltener vorkommen als unter direkten oralen Antikoagulanzien (DOAKs).
Leider wurde nicht darauf eingegangen, wie viel häufiger schwere Blutungen bei der Kombination von Thrombozytenaggregationshemmern beziehungsweise nichtsteroidalen Antiphlogistika mit Antikoagulanzien auftraten.
Bedauerlicherweise wurde auch nicht angegeben, ob es Unterschiede bei der Häufigkeit und Schwere von starken Blutungen, insbesondere von Hirnblutungen und gastrointestinalen Blutungen zwischen Apixaban und Rivaroxaban gibt.
Es stellt sich zudem die Frage, warum bei schweren Hirnblutungen nicht Tranexamsäure gespritzt wurde (4)?
DOI: 10.3238/arztebl.2020.0752a
Prof. Dr. med. Dr. Ing. Holger Kiesewetter
Berlin, holger.kiesewetter@gmail.com
Interessenkonflikt
Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.
1. | Lindhoff-Last E, Herrmann E, Lindau S, et al.: Severe hemorrhage associated with oral anticoagulants—a prospective observational study of the clinical course during treatment with vitamin K antagonists or direct oral anticoagulants. Dtsch Arztebl Int 2020; 117: 312–9 VOLLTEXT |
2. | Hylek EM, Singer DE: Risk factors for intacranial hemorrhage in outpatients taking warfarin. Ann Intern Med 1994; 120: 897–902 CrossRef MEDLINE |
3. | Takarada K, Sato M, Goto M, et al: Long-term PT-INR levels and the clinical events in the patients with non-valvular atrial fibrillation: a special reference to low-intensity warfarin therapy J Cardiol 2014; 64: 127–32 CrossRef MEDLINE |
4. | Chan DYC, Tsang ACO, Li LF, et al: Improving survival with tranexamic acid in cerebral contusions or traumatic subarachnoid hemorrhage: univariate and multivariate analysis of independent factors associated with lower mortality. World Neurosurg 2019; 125: e665–e70 CrossRef MEDLINE |