ArchivDÄ-TitelSupplement: PerspektivenSUPPLEMENT: Onkologie 4/2020NSCLC-Stadium IIIAN2: Radiotherapie enttäuscht

SUPPLEMENT: Perspektiven der Onkologie

NSCLC-Stadium IIIAN2: Radiotherapie enttäuscht

Dtsch Arztebl 2020; 117(45): [20]; DOI: 10.3238/PersOnko.2020.11.06.09

Gulden, Josef

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Nach den Ergebnissen der ersten randomisierten europäischen Studie zur Bewertung einer konformalen postoperativen Radiotherapie kann sie im NSCLC-Stadium IIIAN2 derzeit nicht als Standard empfohlen werden.

Das Stadium III des nichtkleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) ist eine heterogene und schwer zu charakterisierende und zu behandelnde Entität. Bei stärkerer regionaler Lymphknotenmetastasierung (Stadium IIIAN2) wird immer eine konformale adjuvante Radiotherapie ins Spiel gebracht. Eine große Phase-III-Studie konnte einen Nutzen aber nicht zweifelsfrei nachweisen (1).

Die adjuvante postoperative konformale Radiotherapie (PORT) ist als konsolidierende Behandlung nach der kompletten Resektion eines NSCLC verschiedentlich untersucht und sehr kontrovers diskutiert worden. Eine ältere Metaanalyse (2) schien eher schädliche Auswirkungen zu suggerieren – vor allem bei Patienten, bei denen keine oder nur ipsilaterale peribronchiale beziehungsweise hiläre Lymphknoten metastasiert sind (N0 oder N1).

Eine eigene Kategorie stellen Patienten im Stadium IIIA dar, bei denen auch ipsilaterale mediastinale und/oder subkarinale Lymphknoten beteiligt sind (pN2): Die Behandlung dieser Patienten hat sich seit der 1998 publizierten Metaanalyse stark gewandelt, angefangen bei den Möglichkeiten des Stagings (z. B. mit PET) über die Operationstechniken bis hin zu adjuvanter Chemotherapie und ausgefeilterer Bestrahlungstechnik.

Bei diesen Hochrisikopatienten schienen retrospektive Analysen und Registerdaten einen Vorteil einer PORT-Behandlung zu suggerieren, und ihre Rolle musste daher neu definiert werden. Dies war die Motivation für die Phase-III-Studie Lung ART, in die 501 Patienten eingeschlossen wurden, von denen 85 % aus Frankreich kamen. Ihr NSCLC war R0-reseziert worden, und eine Exploration und pathologische Untersuchung der Lymphknoten hatte ein N2-Stadium ergeben. Der ECOG-Performance-Status musste zwischen 0 und 2 liegen, und eine (neo-)adjuvante Chemotherapie war erlaubt, wie Cecile Le Pechoux, Villejuif, beim ESMO-Kongress berichtete.

Konformale Strahlentherapie

Die Patienten wurden darauf randomisiert, jeweils zur Hälfte postoperativ eine konformale Strahlentherapie auf das Mediastinum mit 54 Gy in 27–30 Fraktionen oder keine Bestrahlung zu erhalten. Primärer Endpunkt war das krankheitsfreie Überleben, bei dem das erklärte Ziel eine Erhöhung der Rate von 30 % auf 42 % durch die Bestrahlung war, entsprechend einer Hazard Ratio von 0,72. Die 501 Patienten waren im Median 61 Jahre alt, beinahe drei Viertel von ihnen hatten ein Adenokarzinom; von 91 % stand für das Staging eine PET zur Verfügung. Eine Chemotherapie erhielten 77 % der Patienten post- und 18 % präoperativ. 96 % der Patienten im PORT-Arm wurden tatsächlich thorakal bestrahlt (zu 89 % in 3-D-konformaler Technik).

Nach median 4,8 Jahren ergab die Auswertung eine krankheitsfreie 3-Jahres-Überlebensrate von 47,1 % im PORT-Arm und von 43,8 % im Kontrollarm; die Medianwerte betrugen 30,5 vs. 22,8 Monate; der resultierende Unterschied war mit einer Hazard Ratio von 0,85 und einem p-Wert von 0,16 nicht signifikant.

Eine genauere Analyse zeigte, dass im PORT-Arm die Rate an mediastinalen Rezidiven gegenüber der Kontrollgruppe beinahe halbiert war (25 % vs. 46,1 %). Die Gesamtüberlebensraten nach 3 Jahren waren mit 66,5 % im PORT-Arm und 68,5 % im Kontrollarm hoch und praktisch identisch.

Todesfälle waren im Kontrollarm häufiger als im PORT-Arm bedingt durch Progression oder Rezidiv (86,1 % vs. 69,4 %), während im Bestrahlungsarm häufiger kardiopulmonale Komplikationen (16,2 % vs. 2,0 %), Sekundärmalignome (5,1 % vs. 1,0 %) und Toxizitäten durch Chemo- oder Radiotherapie (3,0 % vs. 0 %) ursächlich waren. Auch kardiopulmonale Spättoxizitäten waren im PORT-Arm verdoppelt (10,8 % vs. 4,9 %) und Zweittumoren in der Lunge traten hier ebenfalls häufiger auf.

Diese erste randomisierte europäische Studie zur Bewertung einer modernen postoperativen konformalen Strahlentherapie nach kompletter Resektion eines NSCLC im Stadium IIIAN2 ist damit negativ, so Le Pechoux, weil die Reduktion des Risikos beim krankheitsfreien 3-Jahres-Überleben um 15 % nicht signifikant ausgefallen war.

Bemerkenswert ist jedenfalls, dass die Rate an mediastinalen Rezidiven beinahe halbiert wurde, was zeigt, dass die Radiotherapie ihren Zweck eigentlich erfüllt. Warum die krankheitsfreie Überlebensrate auch im Kontrollarm deutlich über den historischen Erfahrungswerten lag, ist unklar. Daher, so Le Pechoux, dass die konformale postoperative Radiotherapie in dieser Indikation derzeit nicht als Standard empfohlen werden kann.

DOI:10.3238/PersOnko.2020.11.06.09

Josef Gulden

1.
Le Pechoux C, et al.: ESMO 2020, Abstract #LBA3.
2.
Lancet 1998; 352: 257–63: PMID: 9690404 CrossRef MEDLINE
1.Le Pechoux C, et al.: ESMO 2020, Abstract #LBA3.
2.Lancet 1998; 352: 257–63: PMID: 9690404 CrossRef MEDLINE

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