MEDIZINREPORT: Studien im Fokus
Aortenklappenersatz: Lokalanästhesie reicht für die minimalinvasive Implantation, Vollnarkose nicht nötig


Die minimalinvasive Aortenklappenimplantation (Transkatheter-Aortenklappenimplantation; TAVI) führt zu guten klinischen Ergebnissen nicht nur bei Patienten mit hohem Operationsrisiko, sondern auch bei mittlerem oder niedrigem Risiko. Sie ersetzt inzwischen häufig die offene Operation. Diskutiert wird, ob eine Vollnarkose erforderlich ist oder örtliche Betäubung mit Sedierung ausreicht.
Unter Federführung des Universitätsklinikums für Kardiologie am Herzzentrum Leipzig ist an deutschen Zentren geprüft worden, ob es Unterschiede in der Sicherheit zwischen der Regional- und der Vollanästhesie während einer TAVI gibt. In der prospektiv randomisierten, offenen SOLVE-TAVI-Studie sind 447 symptomatische Patienten mit hochgradig verengter Aortenklappe und hohem Risiko für eine konventionelle Operation (Alter > 75 Jahre) randomisiert worden in eine Gruppe mit TAVI unter Regionalanästhesie und eine zweite Gruppe unter Vollnarkose. Die Vollnarkose (General Anesthesia, GA) erfolgte nach üblichen Verfahren, meist mit Remifentanil plus Propofol unter endotrachealer Intubation. Die Lokalanästhesie wurde mit einer Sedierung (Conscious Sedation, CS) kombiniert (Dexmedetomidin plus Propofol oder ein anderes Nicht-Benzodiazepin).
Die Patienten konnten sinnvoll auf verbale Aufforderungen reagieren und selbstständig atmen, erhielten aber zusätzlich Sauerstoff über eine Gesichtsmaske, um eine arterielle Sauerstoffsättigung von > 90 % aufrechtzuerhalten.
Der primäre Endpunkt war eine Äquivalenz beider Narkoseverfahren (päquiv ≤ 0,05) unter Berücksichtigung von Sterblichkeit jeglicher Ursache, Schlaganfall, Herzinfarkt, Infektionen, die eine Antibiose erfordern, und akutes Nierenversagen, jeweils zu Tag 30. Den zusammengesetzten Endpunkt erreichten 27,2 % unter CS und 26,4 % bei GA; Differenz Δ 0,8; päquiv= 0,015). Bei den Einzelkomponenten war das Ergebnis: Sterblichkeit 3,2 % vs. 2,3 % (CS vs. GA; Δ 1,0; päquiv< 0,001), Apoplex 2,4 % vs. 2,8 % (Δ –0,4; päquiv < 0,001), Herzinfarkt 0,5 % vs. 0,0 % (Δ 0,5; päquiv< 0,001), Infektionen 21,1 % vs. 22,0 % (Δ –0,9; päquiv= 0,011) und Nierenversagen 9,0 % vs. 9,2 % (Δ 0,2; päquiv= 0,0005). In der CS-Gruppe wurden seltener inotrope Substanzen oder Vasopressoren benötigt (CS: 62,8 % vs. GA: 97,3 %; Δ –34,4).
Fazit: „SOLVE-TAVI hat erstmals in einem randomisierten Studiendesign gezeigt, dass die Analgosedierung im Vergleich zur Vollnarkose bei TAVI-Eingriffen eine sichere Alternative ist“, kommentiert Prof. Dr. med. Helge Möllmann, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin I am St. Johannes-Hospital in Dortmund. „Bei den typischerweise älteren Patienten spielen allerdings nicht nur die harten Endpunkte, die in SOLVE-TAVI untersucht wurden, eine wichtige Rolle: Viele Patienten sind bei dem geplanten Aortenklappeneingriff vor allem wegen der Vollnarkose besorgt, die ihnen nach den vorliegenden Ergebnissen erspart bleiben kann“, so Möllmann. „Eine Analgosedierung vermindert in der Regel die Rate postinterventioneller Durchgangssyndrome, die nicht nur für den Patienten, sondern auch für Pflegende und Angehörige traumatisch sein können. Auch wenn dies in der vorliegenden Studie mutmaßlich aufgrund der vergleichsweise kleinen Gruppengröße nicht gezeigt werden konnte, gilt dennoch: Weniger ist mehr. TAVI-Eingriffe sollten nur noch in Ausnahmefällen in Vollnarkose durchgeführt werden.“
Im vergangenen Jahr gab es in Deutschland 24 386 TAVI-Eingriffe. Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze
Thiele H, Kurz T, et al.: General versus local anesthesia with conscious sedation in Transcatheter Aortic Valve Implantation: the randomized SOLVE-TAVI trial. Circulation 2020; https://www.ahajournals.org/doi/10.1161/CIRCULATIONAHA.120.046451.
Heringlake, M.; Ender, Jörg; Treskatsch, Sascha; Faßl, Jens; Sander, Michael