MEDIZINREPORT
Versorgung von Krebspatienten: Corona-Effekt in der Onkologie
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Während der ersten COVID-19-Pandemiewelle im Frühjahr 2020 kam es zu Einschränkungen in der onkologischen Versorgung. Inwiefern sich die in einer prospektiven Studie erfassten Effekte auf die Überlebensprognosen auswirken werden, wird sich erst in einigen Jahren erfassen lassen.
Die COVID-19-Pandemie hat sich weltweit auf die Gesundheitsversorgung ausgewirkt (1). Seit der ersten Infektion in Wuhan, China, am 17. November 2019 hat sich das Coronavirus SARS-CoV-2 rasch, aber unterschiedlich schnell in den verschiedenen Ländern verbreitet (2). Dies hat weltweit zu einer Neuzuweisung der verfügbaren Ressourcen geführt (3). Weltweit geschah dieser Prozess unterschiedlich und hat sich je nach Phase der Pandemie geändert. Diverse medizinische Gesellschaften haben Richtlinien und Webressourcen publiziert, die sich ständig weiterentwickeln (4, 5, 6).
Eines der Hauptprobleme bestand darin, Priorisierungskriterien für die Behandlung zu definieren, um Ressourcen für die (potenzielle) Versorgung COVID-19-Erkrankter zur Verfügung zu stellen, ohne gleichzeitig die Behandlung anderer schwerer Krankheiten, darunter Krebs, zu beeinträchtigen. Ein weiteres Problem war die Reduzierung des Krankenhauszugangs und des Aufenthalts. Bei Krebspatienten wurden nicht-chirurgische Behandlungen oder eine Verringerung der chirurgischen Aggressivität erwogen, um Ressourcen insbesondere auf Intensivstationen zu schonen und den Krankenhausaufenthalt zu verkürzen (3, 7, 8, 9, 10, 11).
Folgen für die Krebsversorgung
In der Literatur finden sich auch Hinweise auf Verschiebungen oder Veränderungen bei der Behandlung, wie zum Beispiel die Reduktion der Anzahl von Fraktionen der Strahlentherapie (Hypofraktionierung), das Aussetzen beziehungsweise die Reduktion chemotherapeutischer Interventionen oder Veränderungen bei der Palliativversorgung (4, 5, 6, 12, 13, 14). Zudem wurde empfohlen, vermehrt Telemedizin oder telefonische Konsultationen durchzuführen und stationäre Behandlungen einzuschränken (15, 16). Es zeigten sich aber auf internationaler Ebene auch Verzögerungen bei der Krebsdiagnostik sowie ein erheblicher Rückgang bei der Zahl der diagnostizierten Krebsfälle (16, 17, 18).
Der erste SARS-CoV-2-Fall Deutschlands wurde am 27. Januar 2020 durch das Bayerische Gesundheitsministerium gemeldet. In den Tagen darauf wurden stetig neue Fälle bekannt, im März 2020 war dann die erste Infektionswelle deutlich sichtbar und die Zahl der gemeldeten COVID-19-Neuerkrankungen kulminierte Anfang April auf bis zu 6 500 pro Tag (19), bevor in den nachfolgenden Wochen ein erster Rückgang bei den Neuerkrankungen einsetzte. Insgesamt wurden in Deutschland bis Anfang November 2020 mehr als 560 000 COVID-19-Neuerkrankungen und mehr als 10 000 Sterbefälle bestätigt.
Angesichts stark anwachsender Neuerkrankungszahlen und dem Auftreten schwerer Krankheitsverläufe setzte im März 2020 eine Diskussion um drohende Engpässe bei der intensivmedizinischen Versorgungskapazität ein (20, 21). Zur Sicherstellung einer ausreichenden Versorgung wurden die Krankenhäuser im Rahmen des COVID-19-Krankenhaus-Entlastungsgesetzes angewiesen, Klinikbetten für COVID-19-Patienten freizuhalten (22). Zusätzlich setzte der Gemeinsame Bundesausschuss im April 2020 vorübergehend das Mammografie-Screening aus, um unnötige Kontakte zu vermeiden (23).
Prospektive Befragung in CCCs
Besorgt über mögliche Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Inanspruchnahme und das Angebot der onkologischen Versorgung richteten das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ), die Deutsche Krebshilfe und die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) bereits im März 2020 eine gemeinsame Taskforce ein, um eine mögliche Unterversorgung onkologischer Patienten frühzeitig erfassen und Entscheidungsträger und Öffentlichkeit entsprechend informieren zu können.
Zum Aufbau eines solchen Frühwarnsystems wurde ein Fragebogen für eine prospektive Panel-Erhebung entwickelt und in enger Abstimmung mit den Direktoren der in die Studie eingebundenden Comprehensive Cancer Centers (CCCs) über 5 Monate regelmäßig eingesetzt, analysiert und bewertet. Diese 18 CCCs betreuen etwa 70 000–100 000 der 500 000 Patienten mit Krebsneuerkrankungen in Deutschland, das heißt 15–20 % aller Krebsneuerkrankungen pro Jahr (24).
Ziel dieser Befragung war eine quantitative und qualitative Bestandsaufnahme in verschiedenen Bereichen der komplexen onkologischen Versorgung, die Erfassung möglicher Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die klinisch-onkologische Forschung sowie auf die Versorgung und die Früherkennung in den Outreach-Bereichen der CCCs.
Über insgesamt 10 Befragungsrunden wurden bei über 90 % aller Rückmeldungen Veränderungen in Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie bei der Nachsorge und im Bereich Psychoonkologie/Ernährungs- und Bewegungstherapien/soziale Beratung angegeben. In diesen Bereichen konnte ein Teil über Beratung am Telefon oder in Videokonferenzen aufrechterhalten werden.
Berichte über Veränderungen
In über einem Drittel aller Rückmeldungen wurden auch Veränderungen bei der bildgebenden Diagnostik, der Systemtherapie solider wie auch hämatologischer Neoplasien, den Tumoroperationen und der Palliativmedizin beschrieben. Einige Zentren ergänzten zur bildgebenden Diagnostik, dass die Einschränkungen nur bestimmte Verfahren beträfen (z. B. Nuklearmedizin) oder bestimmte Patientengruppen (z. B. Nachsorge). Bezüglich Systemtherapien solider Tumore wurde genannt, dass Therapien aufgeschoben beziehungsweise Therapiezyklen modifiziert wurden, sofern es klinisch vertretbar gewesen sei (z. B. Erhaltungstherapien). Veränderungen bei hämatologischen Systemtherapien betrafen hauptsächlich eine Reduktion beziehungsweise das Aufschieben autologer und allogener Transplantationen.
Zum Bereich Tumoroperationen wurde vereinzelt in den ersten Wochen genannt, dass Termine mit geringerer Dringlichkeit verschoben worden seien, überwiegend wurde jedoch betont, dass onkologischen Patienten bei einer Triage grundsätzlich eine hohe Priorität eingeräumt worden sei.
Im palliativen Bereich wurde teilweise beschrieben, dass eine Umstellung auf ambulante häusliche Versorgung beziehungsweise Verlegung in Hospize angestrebt wurde. Allerdings wurden auch diesbezüglich Probleme genannt, zum Beispiel bei der Bereitstellung von Pflegebetten oder durch die ebenfalls eingeschränkte Aufnahmekapazität von Hospizen. Insgesamt ergibt sich aus den Freitexten zum Palliativbereich besonders in den ersten Wochen der Umfrage ein sehr heterogenes Bild von „kleineren“ Einschränkungen bis hin zu einer deutlichen Reduktion der Bettenzahl.
Seltener wurden Veränderungen in den Bereichen Diagnostik (Pathologie und Labor), Tumorbiopsien, Tumorboard (abgesehen von vermehrten Online-Meetings), der Strahlentherapie (hier meist längere Intervalle), bei der pädiatrischen Onkologie, den Spezialangeboten wie Fertilitätsprotektion, der Info- Hotline und bei der Kapazität zur Aufnahme von Patienten von anderen Standorten berichtet. Einschränkungen bei der Nachsorge während des Beobachtungszeitraumes betrafen alle CCCs. Einschränkungen im Bereich Psychoonkologie/Ernährungs- und Bewegungstherapien/soziale Beratung wurden von allen bis auf ein CCC berichtet. Die Mehrzahl aller CCCs gab darüber hinaus auch mindestens einmal Einschränkungen in den Bereichen bildgebende Diagnostik, Systemtherapie hämatologischer Neoplasien, Tumoroperationen und Spezialangebote an.
Die Einschränkungen in den Bereichen Nachsorge (94 %), Psychoonkologie/Ernährungs- und Bewegungstherapien/soziale Beratung (94 %) sowie bildgebende Diagnostik (61 %), Systemtherapie hämatologischer Neoplasien (56 %) und Tumoroperationen (50 %) dauerten dabei bei der Mehrzahl der CCCs jeweils mehr als 12 Wochen an.
Grafik 1 zeigt den zeitlichen Verlauf und das quantitative Ausmaß der Einschränkungen nach den einzelnen Versorgungsbereichen. In der Gesamtschau zeigt sich eine kontinuierliche, aber langsame Erholung der Versorgungssituation in den CCCs ab etwa Mitte Mai, allerdings konnte bis zum Ende der Erhebungsphase (KW 32) der Ausgangsstatus vor der Pandemie noch nicht wieder erreicht werden.
Bei der Nachsorge wurden insbesondere in den ersten 6 Wochen (Ende März bis Anfang Mai) Einschränkungen in der Größenordnung 60–80 % angegeben. Bei der Psychoonkologie war die Versorgungskapazität langfristig um ca. 30–40 % reduziert. Erst gegen Mitte Juni (KW 24) zeigte sich hier eine leichte Besserung. In den anderen Bereichen bewegen sich die Einschränkungen in der Größenordnung um 10–20 %. Dabei wurden die stärksten Einschränkungen in den KW 15–18 (Mitte bis Ende April 2020) genannt und bewegten sich am Ende der Beobachtungsperiode im August noch zwischen 5 und 10 %.
Onkologische Forschung
Auch auf die klinisch-onkologische Forschung hatte die COVID-19-Pandemie Auswirkungen (s. Grafik 2). Nahezu alle CCCs berichteten über Einbrüche bei der Neurekrutierung von Patienten in klinische Studien aufgrund geringerer Fallzahlen und veränderter Ressourcenallokation. Aber es wurden auch hier Priorisierungen vorgenommen und zunächst präferenziell Studien fortgesetzt, von denen „practice-changing results“ zu erwarten waren. Bereits im April setzte die Rekrutierung wie auch die Initiierung neuer Studien wieder sukzessive ein. Aber selbst nach 10 Befragungsrunden (KW 32) berichteten 6 der 18 CCCs noch immer von einer geringeren Neurekrutierung bei klinischen Studien. Besonders lange gab es Einschränkungen bei Studien mit komplexen zellulären Therapien, die eine internationale Logistikkette beinhalten (z. B. CAR-T-Zellen).
Eine ähnliche Entwicklung und zunehmende Reaktivierung war bei den Krebsforschungslaboren zu sehen. Während zu Beginn der Erhebung viele Krebsforschungslabore im Minimalbetrieb agierten, hatten ab Mitte Mai (KW 20) die meisten wieder ihren Normalbetrieb aufgenommen.
Outreach-Versorgung
Einschränkungen im Outreach-Bereich erreichten erst mit einiger Verzögerung ihren Höhepunkt. Während die Versorgung im Outreach-Bereich Ende März bis Mitte April 2020 (KW 13–15) überwiegend normal zu verlaufen schien, so wurden zwischen Mitte April bis Mitte Mai 2020 (KW 16–20) vermehrt Einschränkungen berichtet.
Einschränkungen bei der Krebsfrüherkennung zeigten sich bereits zu Beginn der Erhebungsphase, das heißt Ende März 2020 (KW 13). Erst in KW 24 (Mitte Juni) wurde im Outreach-Bereich der meisten CCCs eine Normalisierung bei der Krebsfrüherkennung wahrgenommen. Bezüglich der Früherkennung wurden einerseits Einschränkungen seitens der Kliniken selbst genannt (z. B. Mammascreening, Vorsorgeendoskopien), jedoch auch eine geringere Nachfrage beziehungsweise Wahrnehmung seitens der Patienten.
Einschränkungen in der Versorgung im Outreach bezogen sich zum Beispiel auf die Übernahme von Patienten aus umliegenden Krankenhäusern, aber teilweise wurden auch weniger Zuweisungen genannt. Einige Einschränkungen bezogen sich auch auf die Kooperationen selbst (z. B. weniger Teilnehmer an Videokonferenzen, geringere Nachfrage von regionalen Partnern nach Zweitmeinungen der CCCs).
Die COVID-19-Pandemie hat wie in anderen Ländern (13) auch in Deutschland zu messbaren Veränderungen bei der onkologischen Versorgung geführt. Die Studie der Taskforce des DKFZ, der Deutschen Krebshilfe und der DKG zeigt erhebliche Einschränkungen im Bereich der Nachsorge und bei der psychoonkologischen beziehungsweise der nichtärztlichen Beratung auf. Diese Einschränkungen in den vorwiegend sprechenden Behandlungsdomänen betrafen fast alle CCCs und bestanden relativ konstant über die gesamte Dauer der Beobachtungsperiode fort.
Aber auch in anderen Bereichen fanden sich zumindest temporär Funktions- und Kapazitätseinschränkungen. Diese waren aber quantitativ von geringerem Ausmaß oder in ihrer Dauer kürzer und zeigten eine Erholung über die Beobachtungszeit.
Akutversorgung nicht bedroht
Insgesamt zeigten sich in unserer Untersuchung für Patienten, die innerhalb der CCCs betreut wurden, keine anhaltenden, bedrohlichen Einschränkungen in der onkologischen Akutversorgung, das heißt bei der Diagnostik und der Primärtherapie. Dennoch kam es zu Verzögerungen und Veränderungen bei der Abklärung und Therapie, was für betroffene Patienten eine zusätzliche psychische Belastung darstellen und – zumindest bei langen Intervallen – auch zu einem Fortschreiten der Erkrankung führen kann.
Langfristige Konsequenzen
Inwiefern sich die beobachteten Veränderungen in der Versorgung in CCCs langfristig nachteilig auf die Behandlungsergebnisse im Sinne von Überlebensprognosen auswirken, kann erst in einigen Jahren erfasst werden. Auch aussagekräftige Analysen zur Stadienverteilung, um etwaige Auswirkungen einer verzögerten Diagnosestellung zu quantifizieren, sind aufgrund des Zeitverzugs bei der bevölkerungsbezogenen Krebsregistrierung erst mit einer Latenz von mindestens 2 Jahren zu erwarten.
Die hier vorgestellte Studie erhebt keinen Anspruch auf ein repräsentatives Ergebnis für die gesamte onkologische Versorgung in Deutschland während der ersten Monate der COVID-19-Pandemie. Aber sie demonstriert eindrücklich unerwünschte „Nebeneffekte“ der Priorisierung der verfügbaren medizinischen Behandlungskapazitäten auf nur einen Bereich. Neben dieser Priorisierung haben aber auch Kapazitätsprobleme, zum Beispiel durch lange Quarantänezeiten für Mitarbeiter bei Exposition oder durch weniger Raum in Ambulanzen oder auf Stationen durch Abstandsregeln, die onkologische Versorgung während der Pandemiewelle beeinträchtigt.
Ein sehr ähnliches Muster wie hier für die CCCs zusammengefasst fanden sich auch bei einer Online-Befragung, die parallel zu unserer Studie zu einzelnen Zeitpunkten in DKG-zertifizierten onkologischen Zentren durchgeführt wurde (persönliche Mitteilung von Olaf Ortmann) sowie bei ersten internationalen Untersuchungen (25, 26, 27). Kern unserer Untersuchung waren Veränderungen im Leistungsangebot aufseiten der CCCs. Veränderungen im Nachfrageverhalten seitens der Patientinnen und Patienten, wie bereits für Schlaganfall und Herzinfarkt beschrieben (28, 29, 30), wurden hierin nicht systematisch erfasst. Die teilnehmenden CCCs berichteten aber von einem verminderten Nachfrageverhalten seitens der Patientinnen und Patienten während der Wochen mit hohen Zahlen an COVID-19-Neuerkrankungen.
Es ist daher von hohem wissenschaftlichem und gesellschaftlichem Interesse, in weiteren Untersuchungen, die insbesondere auf Krebsregisterdaten und Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Vereinigungen und Versicherungen beruhen sollten, in den Folgejahren die Nachfrage nach medizinischen Leistungen im onkologischen Bereich detailliert zu evaluieren und diese Daten in Bezug auf spätere Stadienverschiebungen und Behandlungsergebnisse zu bewerten.
Es bleibt abzuwarten, ob sich zudem Auswirkungen von Veränderungen von Standards in der Therapie (z. B. längere Behandlungsintervalle, weniger myelotoxische Medikamente) erfassen lassen werden. Vor Kurzem publizierte Modellierungen erwarten für England einen 5–17 %igen Anstieg bei der Krebsmortalität über die nächsten fünf Jahre durch verminderte Präsentation von Verdachtsfällen und eingeschränkte Diagnostik bei den Neuerkrankungen aufgrund des allgemeinen Lockdowns (31).
Bessere Krebsregister nötig
Es ist zu hoffen, dass dieser Mortalitätsanstieg in Deutschland weniger deutlich ausfällt, da bislang nur temporäre Einschränkungen bei der Diagnostik zu verzeichnen waren. Eine zukünftige Herausforderung für Krebsregister und sonstige Erfassungssysteme in Deutschland wird sein, ihre derzeit noch sehr komplexen Abläufe weiter zu optimieren, um Daten sehr viel schneller als bisher zur Verfügung zu stellen. Nur so können Krankheitszahlen und Bedarfsdaten im Falle von akut knappen Ressourcen im Interesse der Patienten für regionale und überregionale Planungsprozesse zur Verfügung stehen. Die mittlerweile bestätigte Erwartung, dass das jetzige System der Krebsregister dies nicht leisten kann, war der wesentliche Grund für DKFZ, Deutsche Krebshilfe und DKG, proaktiv die Taskforce für die vorliegende Untersuchung zu bilden, um diese Informationslücke so gut wie möglich zu schließen.
Auch wenn die hier vorgestellten Zahlen auf Selbstangaben der teilnehmenden CCCs basieren, ist von einer hohen Validität auszugehen. In 82 % der Angaben wurde der Sicherheitsgrad der Korrektheit der jeweiligen Antwort durch den befragten CCC-Leiter als „sehr sicher“ und in 16 % als „relativ sicher“ eingestuft. Nur 2 % aller Antworten drückten eher eine „gefühlte“ Situation aus. Hiervon waren am häufigsten die Bereiche „Pädiatrische Onkologie“ (12 %), Spezialangebote (10 %) und Psychoonkologie/Ernährungs- und Bewegungstherapien/soziale Beratung (4 %) betroffen, in allen anderen Bereichen wurde in über 99 % der Angaben eine hohe Sicherheit bezüglich der Validität angegeben.
Zwischen den CCCs, welche die Antworten jeweils für ihre Zentren separat abgaben und eine Gesamtübersicht der Antworten im Anschluss nur anonymisiert und aggregiert erhielten, fand sich eine hohe Konkordanz in der Beschreibung der Situation zum jeweiligen Zeitpunkt der Pandemie und im Verlauf über die Beobachtungsperiode. Auch dies unterstützt, dass es durch die systematischen Befragungen gelungen ist, während der Pandemie ein repräsentatives Bild der Versorgungssituation in CCCs in Deutschland zu zeichnen.
Prof. Dr. med. Stefan Fröhling*
PD Dr. med. Volker Arndt*
und die Taskforce des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ),
der Deutschen Krebshilfe und der Deutschen Krebsgesellschaft
(*geteilte Erstautorenschaft)
Die vollständige Autorenliste und Angaben zu
Interessenkonflikten finden Sie unter:
www.aerzteblatt.de/202234
Der Artikel unterliegt nicht dem Peer-Review-Verfahren.
Korrespondenz:
Prof. Dr. med. Michael Baumann
Deutsches Krebsforschungszentrum
Im Neuenheimer Feld 280
69120 Heidelberg
E-Mail: michael.baumann@dkfz-heidelberg.de
Literatur im Internet:
www.aerzteblatt.de/lit4620
oder über QR-Code.
Methodik der Studie
Anhand eines standardisierten Fragebogens wurden zwischen März 2020 und August 2020 die Direktoren (oder deren Vertreter) von 18 Comprehensive Cancer Centers (CCCs) über 10 Erhebungsrunden zu verschiedenen Bereichen der onkologischen Versorgung befragt. Der standardisierte Fragebogen enthielt übergeordnete Fragen zum Ablauf der Krebsversorgung:
- Wird die Krebsversorgung bei Ihnen wie vor der Coronapandemie durchgeführt?
- Bestehen Einschränkungen oder wurden Angebote komplett eingestellt?
- Falls Einschränkungen bestehen: Wie ausgeprägt (%) sind die Reduktionen?
Die einzelnen Fragen umfassten die Bereiche
- Diagnostik (bildgebend)
- Diagnostik (Pathologie und Labor)
- Tumorbiopsien
- Tumorboard
- Systemtherapie solider Tumoren
- Systemtherapie hämatologischer Tumoren
- Strahlentherapie
- Tumoroperationen (zusätzlich aufgegliedert nach verschiedenen Bereichen)
- Pädiatrische Onkologie
- Psychoonkologie/Ernährungs- und Bewegungstherapien/soziale Beratung
- Spezialangebote (z. B. Fertilitätsprotektion)
- Nachsorge
- Palliativmedizin
Zusätzlich wurde nach Veränderungen beziehungsweise Einschränkungen bei der Info-Hotline, der Kapazität zur Patientenaufnahme von anderen Standorten, den laufenden klinischen Studien, der Initiierung neuer Studien und dem Betrieb der Krebsforschungslabore sowie nach Einschränkungen im Outreach-Bereich des CCCs bei der Krebsversorgung und der Krebsfrüherkennung (z. B. MammaScreen, Endoskopie) gefragt. Für alle Bereiche wurde zudem auch der Grad der Sicherheit bei den einzelnen Antworten erhoben.
Die erste Erhebung fand vom 25.–28. März 2020 (KW 13) mittels fragebogengestütztem Telefoninterview statt. Die Befragung der Runden 2–9 erfolgte dann mittels Fragebogenformular, das den Adressaten zunächst wöchentlich (Runde 2–6; KW 14–18), dann alle zwei Wochen (Runde 7, KW 18) und ab Runde 8 im vierwöchentlichen Rhythmus (KW 24, 28, 32) per E-Mail zugestellt wurde.
Zur Erhöhung der Compliance wurden neben Erinnerungen auch Ergebnisrückmeldungen zeitnah nach jeder Befragungsrunde an die befragten Klinikvertreter verschickt.
26. März 2020 B72020.
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