ArchivDeutsches Ärzteblatt46/2020Coronapandemie: Debatte zurück in die Parlamente

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Coronapandemie: Debatte zurück in die Parlamente

Haserück, André

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Der Bundestag diskutierte Anfang November über eine präzisere gesetzliche Grundlage für die weitreichenden Coronabeschränkungen. SPD und Union zielen auf eine Überarbeitung des Infektionsschutzgesetzes, um vor allem Grundrechtseinschränkungen besser abzusichern.

Jens Spahn (CDU), Bundesgesundheitsminister, spricht am 6. November in der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag. Foto: picture alliance/dpa
Jens Spahn (CDU), Bundesgesundheitsminister, spricht am 6. November in der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag. Foto: picture alliance/dpa

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) warb im Bundestag Anfang November für die geplante Neufassung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). „Wir sind dem Virus nicht machtlos ausgeliefert“, sagte er. Die Überarbeitung des Gesetzes mittels des „Entwurfs eines Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ solle eine „rechtliche Klarstellung“ sicherstellen, damit die von den Ländern verhängten Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie künftig besser vor den Gerichten Bestand haben. Die Rufe nach einer stärkeren Beteiligung des Bundestags und der Länderparlamente an den Beschlüssen zur Bekämpfung der Pandemie hatten zuletzt zugenommen. In dem Gesetz sind die Regelungen zur digitalen Einreiseanmeldung enthalten sowie die Stärkung der Digitalisierung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes und neue Surveillance-Instrumente beim Robert Koch-Institut. Außerdem soll der Arztvorbehalt in Bezug auf patientennahe Schnelltests und auf die Nutzbarkeit veterinärmedizinischer Laborkapazitäten angepasst werden.

Unterschiedliche Bewertungen

Spahn verwies darauf, dass man die derzeitige Kurve der SARS-CoV-2-Infektionszahlen abflachen müsse. Die einschneidenden Maßnahmen seien eine „bittere Medizin“, welche aber wirke – dies habe der erste Lockdown im Frühjahr gezeigt. Zudem würden die zahlreichen offen geführten Debatten veranschaulichen, dass Bundestag, Bundesrat und Länderparlamente durchaus an der Meinungsbildung teilhaben. Auch könne der Bundestag jederzeit die pandemische Lage – Grundlage aller entsprechenden Verordnungen des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) – widerrufen. In Richtung der AfD-Fraktion appellierte Minister Spahn, aus der Coronapandemie kein „politisches Geschäft“ zu machen. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Detlev Spangenberg sprach von „unverhältnismäßigen“ politischen Einschnitten, welche „Widerstand“ und „seelische Schäden“ hervorrufen könnten. In Zwischenrufen und -fragen stellten Vertreter der Fraktion zudem erneut die vom Coronavirus ausgehende Gefahr infrage.

Bärbel Bas, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, widersprach diesen „kruden Thesen“. Die AfD müsse sich „mal entscheiden“: Derzeit schwanke die Partei zwischen der Forderung von Schutzkonzepten für bestimmte Bevölkerungsgruppen und „Corona gibt es nicht“. Die aktuellen Infektionszahlen veranschaulichten aber sehr wohl den dringenden Handlungsbedarf. Auch wenn man um einzelne Maßnahmen durchaus konstruktiv streiten könne, so Bas, müsse es darum gehen, die Kontaktzahlen der Bevölkerung und somit die Infektionen zu senken. Es sei richtig und wichtig, dass die Parlamentsbeteiligung – auch auf Landesebene – konkretisiert werde.

FDP-Bundesvorsitzender Christian Lindner kritisierte in der Debatte, der vorgelegte Gesetzentwurf schaffe als „rechtspolitisches Feigenblatt“ keine Rechtssicherheit. Er sprach sich für eine Befristung der pandemischen Lage sowie weitgehende Erlassvorbehalte und Unterrichtspflichten für das BMG gegenüber dem Bundestag aus.

Auch Abgeordnete der Linken und der Grünen forderten eine stärkere Beteiligung des Bundestages – erkannten aber die Notwendigkeit eindämmender Coronamaßnahmen ausdrücklich an. Grünen-Politikerin Manuela Rottmann sagte, dass die Parlamentsbeteiligung entscheidend sei. Der Linken-Abgeordnete Achim Kessler erklärte, es sei an der Zeit, dass das Parlament wieder seinem Auftrag nachkomme, die Bundesregierung zu kontrollieren – auch nachträglich. Das Gesetz soll Mitte November verabschiedet werden. André Haserück

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