SUPPLEMENT: Perspektiven der Onkologie
Leberkrebs und Tumorheterogenität: Marker für Therapiesteuerung


Die molekularpathologische Tumordiagnostik gewinnt durch Identifikation von Subtypen bei Leberkrebs an Bedeutung – auch für die Wahl der Behandlung.
Beim Leberkrebs steht meist das hepatozelluläre Karzinom (HCC) im Vordergrund, tatsächlich aber umfasst Leberkrebs viele verschiedene Entitäten. Dazu gehören das häufige intrahepatische Cholangiokarzinom (iCCA) sowie Mischformen von HCC und iCCA und das eher seltene fibrolamelläre Karzinom (FLC). Neben dieser intertumoralen Heterogenität gebe es aber auch eine intratumorale Heterogenität, die sich als spezifische Subgruppe des HCC und iCCA präsentiert, betonte Dr. Angela Lamarca, Manchester, auf dem Kongress der European Association for the Study of the Liver (EASL).
Dass die Heterogenität der Lebertumoren relevant ist, zeigt sich Lamarca zufolge beim geringen 5-Jahres-Überleben beim Leberkrebs von rund 10 % im Vergleich zu anderen gastrointestinalen Tumoren wie Kolonkarzinom mit knapp 60 % (1). Ein besseres Verständnis der inter- und intratumoralen Heterogenität werde zu einer zielgerichteten und personalisierten Behandlung und zum besseren Verständnis von Resistenzmechanismen führen.
Die Prognose des rasch voranschreitenden Cholangiokarzinoms ist schlecht – beim iCCA sei der Tumor bei 70–80 % der Patienten bei Diagnose nicht mehr operabel, so Lamarca. In dieser palliativen Situation werden bisher alle Patienten in der Erst- und Zweitlinie mit einer systemischen Chemotherapie behandelt. Bisher gibt es keine prädiktiven Biomarker dazu, welcher Patient von der Therapie profitiert oder nicht.
Mittlerweile ist bekannt, dass sich das iCCA vom extrahepatischen CCA (eCCA) durch verschiedene molekulare Profile unterscheidet und mehr potenzielle Zielstrukturen bietet als das eCCA. Als Beispiel nannte Lamarca spezifische Mutationen wie die IDH-(Isocitrat-Dehydrogenase-)Mutation 1 und 2, die BAP1-(BRCA1-Associated-Protein-1-)Mutation und die FGFR-(„fibroblast growth factor receptor“-)Fusion (2). Diese molekularen pathogenetischen Unterschiede erlauben eine Unterteilung in spezifische Subgruppen des iCCA mit potenzieller therapeutischer Relevanz, so Lamarca. Als Beispiel stellte sie eine Phase-III-Studie vor, in der der IDH-1-Inhibitor Ivosidenib nach Progression unter Chemotherapie bei 185 Patienten mit fortgeschrittenem IDH-1-mutiertem CCA untersucht wurde (3). Im Vergleich zu Placebo konnte Ivosidenib das progressionsfreie Überleben (PFS) von 1,4 auf 2,7 Monate verlängern (HR 0,37; 95-%-KI 0,25–0,54). Die PFS-Rate nach 6 Monaten betrug 32 % versus 0 %, nach 12 Monaten 22 % versus 0 %. Auch das Gesamtüberleben (OS) verlängerte sich unter Ivosidenib versus Placebo von 6 auf 10,8 Monate. Eine IDH-1-Mutation kommt bei etwa 13 % der iCCA-Patienten vor.
Rund die Hälfte der iCCA-Fälle seien vorherrschend Lebererkrankungen, deshalb könnte eine Radioembolisation eine Therapieoption sein, führte Larmaca weiter aus. Zurzeit wird bei 89 Patienten mit inoperablem iCCA in der Phase-2/3-Studie SIRCCA die Radioembolisation vor der Standard-Erstlinientherapie Gemcitabin plus Cisplatin im Vergleich zu Gemcitabin plus Cisplatin allein untersucht (4).
Ein HCC entwickelt sich meist nach vorausgegangener Leberzirrhose auf Basis einer Hepatitis B oder C, Alkoholabusus oder einer nichtalkoholischen Steatohepatitis (NASH). Diese Komorbiditäten haben eine hohe Relevanz und sind global unterschiedlich verteilt: Hepatitis B ist am häufigsten in Subsahara-Afrika, Hepatitis C in Asien, Alkoholabusus in Zentral- und Westeuropa und in Lateinamerika und NASH ebenfalls in Lateinamerika (5).
Ein geografischer Unterschied zeigt sich sowohl bei der Inzidenz des HCC (am höchsten in Asien), als auch bei der Verteilung der aktivierten molekularen Signalwege (6). In den westlichen Ländern sind die RAS/RAF/MEK/ERK- und PI3K/AKT/mTOR-Signalwege überexprimiert, während in asiatischen Ländern die Signalwege des FGF („fibroblast growth factor“), TGF beta („transforming growth factor beta“) und Notch eine wichtigere Rolle spielen.
Dass eine unterschiedliche Ätiologie relevant ist, veranschaulichte Lamarca anhand der Phase-II-Studie IMbrave. Hierbei wurde bei Patienten mit nichtoperablem HCC in der Erstlinie die Kombination aus dem Checkpoint-Inhibitor AtezoIizumab und dem Angiogenese-Inhibitor Bevacizumab verglichen mit dem Multikinase-Inhibitor Sorafenib (7). Die Immuntherapie war Sorafenib hinsichtlich PFS, OS und Ansprechraten in der Gesamtpopulation überlegen. In der Subgruppenanalyse zeigte sich, dass der Vorteil der Immuntherapie bei den viral assoziierten HCCs signifikant war, bei den anderen Ätiologien wie Alkohol und Non-Hepatitis B und C jedoch keinen Vorteil zeigte. ▄
DOI: 10.3238/PersOnko.2020.11.20.04
Andrea Warpakowski
Literatur im Internet:
www.aerzteblatt.de/lit4720
Exploring the impact of ethnicity on molecular biology. Crit Rev Oncol Hematol 2016; 105: 65–72.