ArchivDeutsches Ärzteblatt47/2020Harninkontinenz: Gewichtsabnahme hilft
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... Die wichtigste konservative Therapie ist ohne Zweifel die Gewichtsabnahme bei übergewichtigen und adipösen Frauen. Epidemiologische Untersuchungen zeigen, dass in Deutschland jede zweite Frau übergewichtig und jede fünfte adipös ist. Da die Harninkontinenz vorwiegend ein Problem der älteren Frau ist und Frauen ab dem 50. Lebensjahr dreimal so häufig adipös sind wie Frauen unter 30 Jahren, ist eine Gewichtsabnahme bei den meisten Betroffenen eine Option. Studien zeigen, dass Frauen im mittleren Alter mit zunehmendem BMI (Body-Mass-Index) ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Harninkontinenz haben. Bei einem BMI von 30 kg/m2 ist das Risiko im Vergleich zu Frauen mit einem BMI < 25 kg/m2 um das Dreifache und bei einem BMI von 40 kg/m2 um das Fünffache erhöht (Subak 2009).

Nehmen adipöse Frauen Gewicht ab, bessern sich Stress- und Urgeinkontinenz erheblich, bei vielen verschwindet die Symptomatik. Das trifft für alle Schweregrade zu, wie eine Studie im New England Journal of Medizin mit 388 Frauen zeigt, die 7,8 kg abgenommen haben (Subak 2009). Durch eine bariatrische Operation kann man ebenfalls eine erhebliche Besserung oder gar Beseitigung der Harninkontinenz erreichen.

Wie kann man sich den Therapieeffekt erklären? Ähnlich wie beim gastroösophagealen Reflux ist auch bei der Harninkontinenz die vermehrte intraabdominale Fettmasse (viszerales Fett) die Hauptursache für die Dysfunktion der Harnblase. Der intraabdominale Druck lag in Studien bei 10–20 mm Hg, bei normalgewichtigen Frauen beträgt er 0–3 mm Hg. Hinzu kommt, dass bei adipösen Frauen der Harnblasenmuskel (Detrusor vesicae) durch verschiedene Mechanismen destabilisiert ist.

Wenngleich zu dem Thema bisher nur eine begrenzte Anzahl von validen Studien vorliegt, kann man für die Praxis die Schlussfolgerung ziehen, dass jede adipöse Frau mit einer Harninkontinenz eine Gewichtsabnahme durchführen sollte, wenn möglich vor einer medikamentösen oder operativen Therapie, um den Behandlungserfolg sichtbar zu machen.

Auch die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie empfiehlt die Gewichtsabnahme in ihrer Leitlinie. Da die meisten adipösen Frauen im mittleren und höheren Alter weitere adipositasassozierte Krankheiten haben, die ebenfalls durch Gewichtsreduktion gebessert/beseitigt werden können, ist diese Maßnahme wohl an erster Stelle zu sehen. Der enorme Leidensdruck von Frauen mit Harninkontinenz begünstigt wahrscheinlich das Vorhaben, den Lebensstil zu ändern.

Prof. Dr. med. Alfred Wirth, 49324 Melle

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