

Den allerorten indizierten Mund-Nasen-Schutz finde ich nicht lästig, sondern gelegentlich ganz praktisch. Mehrmals pro Sprechstunde klagen meine Schutzbefohlenen über das in ihren Augen unzumutbare Verhütungsmittel, das sowohl ihre Atmung als auch ihr Grundrecht auf Freiheit für eine feuchte Aussprache einschränken würde. Ich diskutiere mittlerweile gar nicht mehr, sondern grinse nur in meine Maske hinein, was wiederum für mein Gegenüber unentdeckt bleibt und daher die Stimmung in der Sprechstunde nicht weiter trübt.
Wir Ärzte werden mit solchen Masken ja quasi geboren, sie sind für uns dermaßen selbstverständlich, dass sie noch nicht mal Gegenstand von Staatsexamina sind. Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, dass ich danach gefragt worden bin.
Ich fühle mich durch die Maske also nicht beeinträchtigt, aber als ordentlicher Wissenschaftler muss ich natürlich die mir angetragene Sichtweise vorurteilsfrei untersuchen. Ist es wirklich so, dass der Schnutenschutz eine bedenkliche Behinderung mit sich bringt? Eine multizentrische doppelt-blinde Analyse, die zur Klärung des Sachverhaltes indiziert wäre, ist mit Blick auf die Abstandsregeln derzeit schwer durchführbar, daher fange ich erstmal bei mir selbst an.
Die Frage lautet: Fühlen sich exponierte Körperregionen durch textile Ummantelungen in schwerwiegendem Ausmaß beeinträchtigt, sozusagen diskriminiert? Ich fange mal oben an, also bei meiner Glatze.
Glatze, findest du es widerlich, wenn ich dir bei Kälte, Schnee und Regen ein grob gestricktes Geflecht aus Polyamid überstülpe, dessen diskutables Design an mittelalterliche Schröpfköpfe erinnert? Meine letzten noch verbliebenen Nackenhaare stellen sich sofort auf, als wollten sie mir sagen: Bei Regen und Schnee nie ohne Mütze! So weit, so gut.
Komme ich nun zu meinen Händen. Hände, läuft es euch nicht vollkommen zuwider, wenn ich euch bei rheumatologisch bedenklicher Wetterlage in ein mehrschläuchiges Utensil zwinge, das nicht nur die Feinmotorik auf das Übelste beeinträchtigt, sondern euch von eurer wunderbaren Fertigkeit beraubt, einzigartige Fingerabdrücke zu hinterlassen? Der spontan einsetzende Tremor will mir sagen: Unter null Grad nie ohne Handschuhe! Aha!
Also frage ich jetzt meine Füße: Füße, wie könnt ihr nur damit leben, dass ich euch die meiste Zeit in Gebilde hineinstopfe, die mitunter aus Tierhaut bestehen, die mit sinistren Substanzen traktiert worden sind, die auf solch ätzende Namen wie Glutardialdehyd, Phenol und Acrylat hören? Und zum krönenden Abschluss erdrossele ich euch mit zugfesten Stricken, die auch den kleinsten Bewegungsspielraum eurer Zehen im Keim ersticken? Der umgehend einsetzende Schweißausbruch meiner Füße lässt keinen Zweifel daran, dass diese auf ordentliches Schuhwerk keinesfalls verzichten möchten.
Also, liebe Kolleginnen und Kollegen: Für mich ist die Sache geklärt. Ich streife mir jetzt meinen Schnutenschutz über und eile gut gelaunt in meine Sprechstunde! Bleiben Sie entspannt und passen Sie gut auf sich auf!
Dr. med. Thomas Böhmeke
ist niedergelassener Kardiologe in Gladbeck.